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73-jähriger Görlitzer schießt um Weltmeistertitel

Der Bogenschütze Kurt Balvin wurde 1963 erstmals DDR-Meister bei der Jugend. Inzwischen ist er siebenfacher Weltmeister. Und es kommen immer noch mehr Titel hinzu.

Von Ingo Kramer
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Kurz vor dem Abschuss voll angespannt: Bogenschütze Kurt Balvin trainiert am Stadion der Freundschaft in Görlitz.
Kurz vor dem Abschuss voll angespannt: Bogenschütze Kurt Balvin trainiert am Stadion der Freundschaft in Görlitz. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Irgendwann hat Kurt Balvin aufgehört, seine Meistertitel zu zählen. Siebenmal wurde er Weltmeister im Bogenschießen, sechsmal Europameister. Hinzu kamen zahlreiche zweite und dritte Plätze. Und Deutscher Meister? Er muss kurz überlegen. 13 Mal? 14? 15? „Ja, irgendwas zwischen 13 und 15“, sagt er. Hinzu kommen noch sieben Titel als Deutscher Meister in der Mannschaft und einige weitere Erfolge.

Fakt ist: In diesem Jahr konnte der 73-Jährige zwei Jubiläen feiern: Vor 60 Jahren wurde er erstmals DDR-Meister bei der Jugend – und vor 30 Jahren erstmals Weltmeister. Seinen jüngsten Weltmeistertitel holte er voriges Jahr. Dieses Jahr wurde er in Finnland „nur“ Vizeweltmeister: Walter Koch aus der Nähe von München war stärker. „Er ist seit 2007 mein härtester Konkurrent“, sagt Balvin. Auch bei den deutschen Meisterschaften holte der Görlitzer dieses Jahr zwei zweite Plätze – beide hinter dem gleichaltrigen Walter Koch.

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„Für die Weltmeisterschaften war ich schon auf allen Kontinenten außer der Antarktis“, schwärmt Balvin, der die Teilnahme meist gleich mit einem ausgedehnten Jahresurlaub verbindet. Mehrmals ging es für ihn nach Australien, Südafrika und in die USA: Drei Länder, in denen das Bogenschießen recht angesagt ist. Stets mit dabei ist seine Frau Carla, die früher auch selbst geschossen hat: „Ich habe sie über den Sport kennengelernt – und jetzt sind wir schon über 50 Jahre verheiratet.“ Carla Balvin war in den 1970er Jahren DDR-Beste in der Sportart, hörte aber damit auf, als die beiden Töchter geboren wurden. Die waren später auch beim Bogenschießen, haben aber längst wieder aufgehört.

Ein Problem gibt es bei den Meisterschaften: Da Bogenschießen nie zu den populärsten Sportarten gehörte, gibt es auch keine Sponsoren. So musste Kurt Balvin immer fast alles selbst bezahlen, auch die An- und Abreise. Nur auf seinen langjährigen Verein SV Koweg Görlitz, bei dem er seit 2020 sogar Ehrenmitglied ist, kann er sich immer verlassen: „Er unterstützt mich mit Förderanträgen, sodass ich mit Fördermitteln das Startgeld bei internationalen Meisterschaften bezahlen kann.“

Vater war auch Bogenschütze

Die Sportart wurde dem gebürtigen Görlitzer fast in die Wiege gelegt: „Mein Vater hat 1960 das Bogenschießen in Görlitz begründet, da war ich zehn Jahre alt.“ 1961 wurde der Sportverein BSG Einheit mit der Sektion Bogenschießen gegründet. Bis Mitte der 1980er Jahre blieb der Vater Sektionsleiter. Im Gegensatz zu seinem Sohn kämpfte er aber nie um Titel, sondern kümmerte sich stets um den Verein. Auch die Mutter von Kurt Balvin war für ein paar Jahre Bogenschützin, hörte aber bald wieder auf. Er selbst war von Anfang an dabei und blieb es auch, als er Elektrotechnik studierte und später im Görlitzer Maschinenbau und bei Siemens arbeitete. Seit 2010 ist er Rentner – und hat mehr Zeit für das Hobby. „Im Durchschnitt“, sagt Kurt Balvin, „bin ich pro Jahr bei zehn Turnieren.“

Was ihn an der Sportart reizt? Einerseits, dass man sich gut konzentrieren muss. „Und es ist fast die einzige Sportart, die man sehr lange betreiben kann“, sagt der 73-Jährige: „Ich habe immer noch den Ehrgeiz, 20- oder 30-Jährige zu schlagen.“ Beim Fußball oder Schwimmen wäre das nicht möglich. Das Bogenschießen aber könne man bis ins hohe Alter erfolgreich betreiben, „wenn man einigermaßen fit ist und gute Augen hat".

Training je nach Jahreszeit

Für seine Fitness tut Kurt Balvin einiges: Im Sommer trainiert er drei- bis viermal wöchentlich – und geht zudem noch einmal in der Woche ins Fitnessstudio. Im Winter ist es genau andersherum: Dann ist er drei- bis viermal in der Woche im Fitnessstudio zu finden und nur einmal auf dem Platz. Auf Hallentraining hat er keine Lust mehr: „Das habe ich lange genug gemacht.“ Viel lieber ist ihm die Koweg-Trainingsstätte der Bogenschützen, die sich seit 1988 am Stadion der Freundschaft in Görlitz befindet. „Bei Koweg sind wir knapp 70 Bogenschützen, darunter zehn bis 15 Kinder“, sagt er. In den vergangenen Jahren seien viele Aktive neu hinzugekommen – auch Männer, die früher Fußball oder Handball gespielt und sich jetzt eine andere Sportart gesucht haben. Alle Interessenten könnten gar nicht aufgenommen werden: „Uns fehlen Übungsleiter und Kampfrichter“, bedauert Kurt Balvin.

Dass man Bogenschießen lange erfolgreich betreiben kann, zeigen auch die Altersklassen, die es in dieser Sportart gibt. Viele Jahre waren es nur zwei: 18 bis 55 Jahre und Ü55. „Seit drei Jahren gibt es nun auch eine Altersklasse Ü65“, sagt er. So kommt es, dass er schon in allen Altersklassen Weltmeister war: Dreimal bei den Männern, dreimal Ü55 und voriges Jahr erstmals Ü65.

Wie viel da noch hinzukommen wird? „Schwer zu sagen“, erklärt Balvin. Einerseits gibt es nicht mehr so viele Konkurrenten in seiner Altersklasse, andererseits aber viel Aufwand und Kosten. Dieses Jahr beispielsweise sei er nicht zur Europameisterschaft nach Ungarn gereist, weil er schon so viel Zeit für die Weltmeisterschaft in Finnland aufgebracht hatte. Für nächstes Jahr hat er sich aber schon für die WM in Brasilien angemeldet und den Flug bezahlt. „In Brasilien war ich noch nie zum Schießen, das hat mich noch einmal gereizt“, sagt er. Dafür werde er über den Winter trainieren, „um einigermaßen die Form zu halten.“ Weiter nach vorn schauen möchte er nicht: „Ich mache das, solange es mir gut geht und solange es Spaß macht.“