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Nebenjob Hexe: Wie in Görlitz Gäste bei Gruseltouren erschreckt werden

Eine Leipziger Unternehmerin sucht Erschrecker für ganz besondere Stadtführungen. Wer dort mitwirkt und was man dafür können muss.

Von Marc Hörcher
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Clarissa Herzog, Gründerin und Chefin der schaurig-schönen Stadtführung, führt ihre furchtlosen Gäste in diesem Kostüm um die Peterskirche.
Clarissa Herzog, Gründerin und Chefin der schaurig-schönen Stadtführung, führt ihre furchtlosen Gäste in diesem Kostüm um die Peterskirche. © PR

Vor diesem Job scheinen Männer Angst zu haben. Zumindest in Görlitz gibt es bislang ausschließlich Frauen, die als Stadtführer oder Erschrecker bei der Görlitzer „Gruseltour“ tätig sind. Bewerbungen von Männern gab es zwar immer mal wieder, doch bislang verlief sich das Interesse, wenn es ernst wurde, sagt Clarissa Herzog, Gründerin und Chefin der alternativen Stadtführung. Bei ihrer "Gruseltour" lernen Mutige die schaurigen Ecken der Neißestadt kennen, basierend auf Sagen, Legenden und tatsächlichen historischen Ereignissen. Vor eineinhalb Jahren holte die studierte Politikwissenschaftlerin mit familiären Wurzeln das Event nach Görlitz.

Martha Weber ist von Anfang von dabei. Seit es die Tour gibt, ist die heute 21-jährige Studentin als Erschreckerin Mitglied des „magischen Zirkels“. So bezeichnen sich die Angestellten des Unternehmens um Frau Herzog liebevoll selbst, mit einem Augenzwinkern. Weber stieß auf ganz konventionellem und weltlichem Wege im Internet auf die Stellenanzeige. „Ich fand die Idee super lustig und dachte mir, warum nicht“, sagt sie. Weil sie für solchen „Schabernack“ zu haben sei, bewarb sie sich - und überlegte sich auch gleich gemeinsam mit ihrem WG-Mitbewohner die besten Taktiken, wie man anderen Angst einjagen könnte. „Wir haben uns danach eine Woche lang immer wieder gegenseitig erschreckt“, sagt sie. Und noch heute müssen ihre Mitbewohner damit rechnen, dass sie auch privat mal hinter einer Tür hervorspringt und „Buh!“ ruft. „Das ist zu meinem Signature Move geworden“, sagt Weber lachend. Der Spaß steht auch bei den Gruseltouren im Vordergrund, zu Tode fürchten soll sich niemand.

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Herzog und ihr Team bieten die Touren auch in zwei weiteren Städten an, jeweils auf die lokale Stadtgeschichte zugeschnitten. Auch dort braucht es Grusel-Personal. „In Berlin sind das viele Rentner, in Leipzig eher Studierende“, sagt die Chefin. Und in Görlitz hat das „Gruseltour“-Team aktuell wieder Stellen ausgeschrieben - als Guide und als Erschrecker. Für Letzteres braucht es im Grunde nicht viel: „Man muss sich im Dunkeln verstecken können und Lust haben, Leute anzuschreien“, sagt die Chefin. Eine gewisse Schauspielbegeisterung sollte man mitbringen, und sich nicht ablenken lassen von Autos, bellenden Hunden oder sonstigem Stadtgeschehen. Große Vorkenntnisse sind aber nicht nötig. Kostüme und Skripte werden gestellt. Die Erschreckerinnen tauchen während der Tour immer mal wieder auf und spuken herum. Eine Dreiviertelstunde Zeitaufwand kommt zusammen, davon etwa eine Viertelstunde reine Auftrittszeit.

Etwas umfangreicher ist der Job als Guide. Wer Lust hat, als Alchemist, Dämonenjäger, Giftmischer oder Schwarze Witwe Gruppen durch die Gassen zu geleiten, ist die vollen 45 Minuten dabei, muss mehr Text lernen und bekommt höheres Honorar. Die 27-jährige Alexandra, hauptberuflich Lehrerin, hat sich in ihrer Kindheit in „allen möglichen Theater-AGs“ ausprobiert und brachte Begeisterung für die mystische Atmosphäre mit - beste Voraussetzungen. Nach einem Bewerbungsgespräch lernte die Gründerin sie auf einer gemeinsamen Tour an. Seitdem tischt sie als Guide als „Hexe Agatha“ schaurig-schöne Geschichten auf und springt manchmal als Erschreckerin ein. „Davor habe ich selbst immer noch mehr Herzklopfen“, sagt Alexandra. Das Anschleichen gibt ihr eben einen gewissen Adrenalinkick. „Ein bis zwei Gäste haben auch mal versucht, mich zurück zu erschrecken“- doch ihren eigenen Gruselmoment konnte sie überspielen.