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Görlitz: Nachwuchssorgen plagen Geschichtsforscher

Die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften ist eine der ältesten Vereinigungen ihrer Art im Land. Doch was zählt all die Tradition heute noch?

Von Ines Eifler
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Lars-Arne Dannenberg, Präsident der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften.
Lars-Arne Dannenberg, Präsident der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Eines steht nach der Frühjahrstagung der altehrwürdigen Vereinigung fest – Auflösen kommt nicht infrage. "Obwohl man das auch hätte diskutieren können", sagt Lars-Arne Dannenberg, seit einem Jahr Präsident der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften.

Immer um den 21. April herum treffen die Mitglieder zusammen, um an das Gründungsdatum im Jahr 1779 zu erinnern, meist verbunden mit einigen Beiträgen über aktuelle Forschungen zur Oberlausitz und der Vergabe des Hermann-Knothe-Preises an junge Wissenschaftler. Der ging in diesem Jahr an Anne Christin Teuser über eine Studie zur Königsbrücker Heide, die sie in ihrem Studium der Landschaftsentwicklung an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden anfertigte.

Anne Christin Teuser (Mitte) erhielt den Knothe-Preis in diesem Jahr aus den Händen von Lars-Arne Dannenberg (li.), Präsident der Gesellschaft, und dem Görlitzer Ratsarchivar Siegfried Hoche.
Anne Christin Teuser (Mitte) erhielt den Knothe-Preis in diesem Jahr aus den Händen von Lars-Arne Dannenberg (li.), Präsident der Gesellschaft, und dem Görlitzer Ratsarchivar Siegfried Hoche. © Oberl. Gesellschaft der Wissensc

Es geht in der Studie um ein devastiertes Dorf im Gebiet des ehemaligen Truppenübungsplatzes und heutigen Landschaftsschutzgebietes Königsbrücker Heide. Noch heute, so ermittelte die Studentin, lassen sich Spuren der einstigen menschlichen Besiedlung nachweisen, obwohl die letzten Bewohner der Dörfer in der Heide vor über 100 Jahren umgesiedelt wurden.

Forschung zur Geschichte endet nie

Die Preisverleihung konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Mittelpunkt der Tagung die Gesellschaft selbst stand: Kann die von Karl Gottlob Anton und Adolf Traugott von Gersdorf ins Leben gerufene Gesellschaft noch leisten, wozu sie vor fast 250 Jahren gegründet wurde? Und wozu sie 1990 der damalige Leiter der Görlitzer Sammlungen Ernst-Heinz Lemper wiederbelebte?

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"Unser Ziel ist die Beförderung der Forschung zu Kultur und Geschichte der Oberlausitz", sagt Lars-Arne Dannenberg, "und dieses Ziel werden wir auch weiterhin im Blick behalten." Die Frage sei nur, ob es heute noch zeitgemäß ist, regelmäßig gedruckte Publikationen wie das Neue Lausitzer Magazin oder Tagungsbände herauszugeben.

Oder pro Jahr zwei große Tagungen zu organisieren, zumal auf rein ehrenamtlicher Basis. "Heute kann man Forschungsergebnisse online publizieren", sagt Dannenberg, und für mehrtägige Präsenzveranstaltungen mit weiten Anreisen gebe es Alternativen.

Nachwuchssorgen wie viele Vereine

Weil die Alters- und Interessensstruktur der Mitglieder sehr heterogen ist, seien auch die Erwartungen und Wünsche an die Gesellschaft ganz verschieden. Für manche sei das gedruckte Neue Lausitzer Magazin unverzichtbar, es gebe aber auch Absolventen mit wissenschaftlichen Ambitionen, denen Papierausgaben weniger bedeuten. Manchen seien Treffen und Exkursionen in die Oberlausitz wichtig, andere seien nur stille Mitglieder, die ihre Beiträge zahlen und spenden.

Insgesamt seien unter den 180 Mitgliedern nur wenige, die Aufgaben übernehmen. Beruf und Familie oder ein fortgeschrittenes Alter hindere viele daran. Die Sorge über wenig Nachwuchs teilt die Gesellschaft mit vielen anderen Vereinen.

"In Zukunft könnten wir eher eine Plattform für Forschungen zur Oberlausitz und zum Austausch sein", sagt Lars-Arne Dannenberg. Von den Zeiten, als die Gesellschaft wissenschaftliche Erkenntnisse in die Oberlausitz trug, damit dort Fortschritt gelang, sei sie heute noch weiter entfernt als 1990.

Die Tagung am vergangenen Wochenende diente deshalb zu einer Umfrage unter den Teilnehmern und dem Austausch darüber in Gruppen. "Deren Erkenntnisse werden wir demnächst auswerten", sagt Dannenberg, "und dann sehen, wie es weitergeht." Immerhin aber hat die Gesellschaft nun wieder einen Vizepräsidenten. Und es ist kein Unbekannter. Der gebürtige Löbauer Sven Brajer, aufgewachsen in Ebersbach/Sachsen wurde in dieses Amt gewählt. Noch lebt der Historiker in Berlin, kehrt aber nach Dresden zurück. Vor ein paar Jahren, als er noch an der TU Dresden forschte, erhielt er den Knothepreis für seine Arbeit über Textilfirmen aus Ebersbach und Neugersdorf. Außerdem war er Stipendiat der Bautzener Mättig-Stiftung.