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Landkreis Görlitz: Die vielen offenen Corona-Fragen

Das Bürgertelefon des Landkreises steht kaum still. Wegen Omikron stehen einige Veränderungen an. Aber der Blick in die Glaskugel ist im Kreis besonders schwer.

Von Susanne Sodan
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Die Bundeswehr verabschiedete sich am Dienstag aus den Kliniken des Kreises, hilft aber weiter im Gesundheitsamt. Dort gehen wieder mehr Infektionsfälle ein - und mehr Fragen.
Die Bundeswehr verabschiedete sich am Dienstag aus den Kliniken des Kreises, hilft aber weiter im Gesundheitsamt. Dort gehen wieder mehr Infektionsfälle ein - und mehr Fragen. © André Schulze

Wenig genutzt war das Corona-Bürgertelefon des Landkreises Görlitz wohl höchstens im Sommer. Aktuell gehen bis zu 250 Anrufe täglich auf der Hotline ein.

Das berichtete die Sozialdezernentin des Kreises, Martina Weber, kürzlich vor Journalisten. Sehr häufiges Thema bei den Anrufern: die Verkürzung des Genesenenstatus von sechs auf drei Monate. Am Freitag vor einer Woche war durch den Bundesrat diese Entscheidung gefallen - die vorher so aber nicht absehbar war. Fragen, die der Görlitzer Landrat Bernd Lange verstehen kann. Gerade die Umstellung ohne eine Übergangsfrist findet auch er bedenklich. Hintergrund ist die ansteckendere Omikron-Variante.

Quarantänezeiten werden verkürzt

Im Landkreis Görlitz macht sich diese inzwischen bemerkbar - so wurden am Freitag unter den bereits bekannten Fällen weitere 30 Omikron-Fälle bestätigt. Die "Omikron-Wand", also ein massiver Anstieg der Fallzahlen, ist aber noch nicht zu beobachten. Allerdings stieg die 7-Tage-Inzidenz übers Wochenende weiter an. Das Robert-Koch-Institut gab sie für Sonnabend mit 314, für Sonntag mit 353 an. Der Landkreis selbst meldet am Wochenende keine aktuellen Zahlen, hier lag die Inzidenz bereits am Freitag bei 352. Modellrechnungen des Freistaates und des RKI gehen nicht davon aus, dass Omikron um Sachsen einen Bogen macht, sie prognostizieren einen Anstieg für Anfang bis Mitte Februar.

Und so hat Omikron auch auf den Landkreis Görlitz Auswirkungen. Derzeit wird eine neue Allgemeinverfügung zu den Absonderungszeiten erstellt, die ab diesem Montag gilt. Die Verkürzung der Quarantänedauer bundesweit von 14 auf zehn Tage hat damit zu tun, dass nach ersten Erkenntnissen der Infektionszeitraum bei der Omikron-Variante etwas kürzer als bei der Delta-Variante ist, erklärt der Landkreis Görlitz. Allerdings gilt Omikron auch als deutlich ansteckender als die Delta-Variante. So soll durch die Verkürzung auch ein Zusammenbruch der kritischen Infrastruktur verhindert werden. Die Regeln werden auch einheitlicher, erklärt Karl Ilg vom Rechtsamt des Landkreises. Sie gelten teils auch für geimpfte und genesene Personen.

So viel wurde bislang geimpft

Sich auf die neue Variante vorzubereiten, bleibt schwierig. Das hängt auch von der Datenlage beim Impfen ab. Bekannt ist zwar, wie viele Menschen sich im Kreis zuletzt haben impfen lassen. Von Anfang Dezember bis Mitte Januar wurden in den vier Mini-Impfzentren des Landkreises Görlitz 13.400 Impfdosen vergeben, dazu kommen 9.424 Impfungen über die mobilen Teams bei den Kommunalterminen und 1.918 Impfungen in der Alten Post in Zittau. Die Hauptlast liege aber deutlich bei den Haus- und Fachärzten, die in diesem Zeitraum 30.248 Impfungen durchführten. Im Mini-Impfzentrum in Löbau ließen sich bislang 356 Kinder impfen.

Und doch ist die Impfquote unklar: Denn gezählt werden die im Kreis vergebenen Impfungen, nicht die geimpften Einwohner des Kreises. Bekannt ist, dass zeitweise im Impfzentrum Löbau aber rund 40 Prozent der Patienten nicht aus dem Kreis kamen, sondern aus Bautzen, der Sächsischen Schweiz oder Dresden.

Niedrige Boosterquote

Einige Anhaltspunkte hat der Kreis aber doch: Mit Stand Dienstag erhielten im Landkreis Görlitz 66.762 Personen die dritte Impfdosis, teilt Kreis-Sprecherin Franziska Glaubitz mit. Zwei Drittel der Dosen gingen an über 60-Jährige. "Bezogen auf die Gesamtbevölkerung haben wir im Landkreis Görlitz ungefähr eine Boosterquote von 27 Prozent."

Das ist selbst im Sachsenvergleich sehr wenig. Wie das Robert-Koch-Institut in Berlin in seinem Wochenbericht am Donnerstag mitteilte, haben 38,3 Prozent aller Sachsen eine Auffrischungsimpfung erhalten, 62 Prozent haben mindestens zwei Impfungen, zwei weitere Prozent mindestens eine. Bundesweit ist Sachsen damit Schlusslicht.

Auch die Zahlen der Genesenen sind bekannt: Den "alten" Genesenenstatus mit sechs Monaten haben 26.055 Personen, den Genesenenstatus nach der Drei-Monats-Regel haben 24.330 Personen.

Endlos-Debatte um die Impfpflicht

Angesichts der geringen Impfquoten im Landkreis Görlitz könnte hier die einrichtungsbezogene Impfquote ab 15. März besondere Probleme aufwerfen. So erhält Landrat Bernd Lange nach eigenen Angaben zahlreiche Briefe von medizinischen Mitarbeitern, die für diesen Fall ankündigen, ihren Beruf zu verlassen. "Uns macht das Sorgen", sagt Lange, "weil das Personal gerade in der Omikron-Situation gebraucht wird."

Auch im Rettungs- oder Pflegesektor werde es sicherlich zu Infektionen kommen. Kommen jetzt noch Personen dazu, die aufgrund der Impfpflicht dem Beruf den Rücken kehren, "haben wir eine Verdopplung des Problems." Tatsächlich hätten Pflegeeinrichtungen oder Rettungsdienste anklingen lassen, dass sie ihrem Versorgungsauftrag dann womöglich nicht mehr nachkommen können. "Das haben wir ernst zu nehmen." Zumal der Kreis auch mit verantwortlich ist, dass zum Beispiel der Rettungsdienst in einer bestimmten Zeit am Einsatzort ist.

Zum anderen gebe es nach wie vor rechtliche Fragen. Ungeimpftes Personal müssen die Einrichtungen zum 15. März an den Kreis melden, der dann über ein Betretungs- oder Beschäftigungsverbot entscheidet. Wie konkret damit umzugehen ist, soll eine Verfügung des Freistaates klären, die aber noch nicht eingegangen ist. Wie groß das Problem sein wird, dürfte aber erst klar sein, wenn die Impfpflicht gilt.

Nichtsdestotrotz ruft Landrat Lange zum Impfen auf. Insgesamt habe die Impfdynamik zuletzt wieder nachgelassen, bestätigt er. Daher will der Kreis seine Taktik noch mal ändern, wieder verstärkt auf lokale Termine setzen. Eine Hoffnung ist, dass durch den herkömmlichen Impfstoff Novovax, mit dem in Sachsen ab dem zweiten Quartal gerechnet wird, noch einmal mehr Dynamik kommt. Doch sehr zuversichtlich klingt Lange dennoch nicht: Er denke, sagte er, wer sich gegen das Impfen festgelegt habe, "der hat sich jetzt festgelegt."

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