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Reichenbach verkauft seine Papageiensiedlung

Mehr als drei Millionen Euro sind geflossen und kommen dem Schuldenabbau zugute. Doch die Stadt plagen weiter viele Kredite.

Von Constanze Junghanß
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Das Wohngebiet auf der Schul- und Mittelstraße in Reichenbach hat einen neuen Eigentümer.
Das Wohngebiet auf der Schul- und Mittelstraße in Reichenbach hat einen neuen Eigentümer. © Foto/Archiv: Constanze Junghanß

Das Reichenbacher Wohnviertel auf der Schul- und Mittelstraße ist kurz vor dem Jahreswechsel verkauft, die Mieter wenige Tage später per Postwurfsendung darüber informiert worden. Das teilt Bürgermeisterin Carina Dittrich mit.

Das Wohngebiet wechselte für insgesamt mehr als drei Millionen Euro den Besitzer. Vor zehn Jahren noch betrug die Kredithöhe, den die Stadt für die im Volksmund als „Papageiensiedlung“ bezeichneten Wohnungen aufgenommen hatte, 7,65 Millionen Euro. Bereits damals und unter Federführung des Vorgängers von Carina Dittrich – CDU-Mann Andreas Böer - gab es Überlegungen, den Wohnstandort zu veräußern.

Nun hat das geklappt. Neuer Eigentümer ist die WED GmbH aus Dresden. Deren Geschäftsführer Sebastian Risy bestätigt den Kauf gegenüber der SZ, plant zeitnah auch eine Bürgerinformationsrunde für die Anwohner. Insgesamt handelt es sich um 56 Wohnungen. Die Görlitzer F.T.-Hausverwaltung wurde mit der Verwaltung beauftragt.

Derzeit nur eine Wohnung unvermietet

Der ruhige Standort im Grünen ist besonders beliebt bei Familien und Senioren. Es gibt so gut wie keinen Leerstand. Aktuell ist nur eine einzige Wohnung nicht vermietet, die jetzt renoviert und für die Vermietung vorbereitet werden soll.

Das Wohngebiet mit den farbigen Holzfassaden und den teils schrägen Dächern wurde in den 1990er Jahren errichtet. Die Reichenbacher Bauen und Wohnen GmbH (BuW), eine hundertprozentige Tochter der Stadt, war Eigentümer. Der BuW-Vertrag endete 2021. Zuletzt hatte die BuW rund eine halbe Million Euro in die Sanierung von Fassaden und der Treppenhäuser investiert. „Grund für den Verkauf ist eine Entschuldung der BuW“, erklärt Carina Dittrich. Das spiele auch bei der Entschuldung der Stadt eine Rolle. Reichenbach hat bereits aufgrund seiner schwierigen Finanzlage ein Haushaltsstrukturkonzept erstellt.

Im Zuge des Wohnungspaket-Verkaufs wurde ein weiteres Grundstück in der Siedlung an die WED-GmbH veräußert, auf dem sich zuletzt der Spielplatz befand. Auf dem gab es schon viele Jahre keine Investitionen mehr. Durch die nun eingenommenen rund drei Millionen Euro sank der Schuldenstand der Stadt auf etwa zehn Millionen Euro, nennt Carina Dittrich die aktuellen Zahlen. Sie wolle alle Hebel in Bewegung setzen, um den Schuldenabbau weiter voranzutreiben.

Nach Angaben von Sebastian Risy sollen zeitnah Investitionsarbeiten an Dächern und weiteren Fassaden in Angriff genommen werden. Dafür seien Ausgaben von rund 300.000 Euro geplant. Dass sich die WED GmbH, die bundesweit vor allem in Ballungs- und Oberzentren Wohnimmobilien ankauft, nun für Reichenbach entschied, „hat mit der Entwicklungsperspektive der Stadt zu tun“, so Sebastian Risy. Die Stadt verfolge „eine Ansiedlungspolitik für Forschung und Entwicklung“, sagt er. Reichenbach setzt auf Strukturwandelgelder aus dem Kohleausstieg. Die Stadt will das ehemalige Ringhotel zu einem Forschungs- und Weiterbildungszentrum, in dem bis zu 50 Arbeitsplätze entstehen könnten, machen und über ein Innovationsbündnis einen Antrag auf mögliche Förderung stellen.

In den Blöcken lebten viele Spätaussiedlerfamilien

Mit dem Verkauf der „Papageiensiedlung“ sind weitere Wohnhäuser nicht mehr in kommunalem Besitz. Mehrere Blöcke im Neubaugebiet kaufte ein österreichisches Unternehmen die letzten Jahre, welches ebenfalls in Sanierung und Renovierung investierte. In den Blöcken lebten in den Neunzigern viele Spätaussiedlerfamilien, die Reichenbach nach einer Weile den Rücken kehrten. Dadurch standen viele Wohnungen leer. Das ist Geschichte, auch die zu DDR-Zeiten errichtete Neubausiedlung wurde nach dem Kauf durch den österreichischen Investor wiederbelebt.

Etwa 70 Wohnungen bleiben der Stadt als kommunales Eigentum weiter erhalten. Die befinden sich verteilt unter anderem auf der Weißenberger Straße, der Robert-Koch-Straße, der Löbauer Straße und einzeln in den Ortsteilen. Sie sollen als Sozialwohnungen vorgehalten und nun von der BuW Ostritz verwaltet werden.