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Warum zwei junge Frauen in Görlitz gern an Tieren forschen

Judith Waschelitz und Jette Malies leisten ein ökologisches Freiwilligenjahr bei Senckenberg und finden: Wie interessant das ist, sei noch viel zu wenig bekannt.

Von Ines Eifler
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Jette Malies absolviert ein Freiwilliges Ökologisches Jahr in der Abteilung Präparation des Senckenberg Museums in Görlitz.
Jette Malies absolviert ein Freiwilliges Ökologisches Jahr in der Abteilung Präparation des Senckenberg Museums in Görlitz. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Mit Fellen von Tieren kennt sich Jette Malies inzwischen recht gut aus. "Das ist ein Leopardenfell, schon etwas älter, hier ein Wolf und da ein Luchs", sagt sie in einem Raum bei Senckenberg, in dem zahlreiche Felle in Regalen hängen. In einem größeren Raum werden Schädel und Geweihe aufbewahrt, die teilweise über 200 Jahre alt sind.

Dann zeigt sie auf eine Reihe von Wildkatzen, die als "Balg" so hergerichtet wurden, dass man sie gut vergleichen und alle für die Forschung relevanten Maße abnehmen kann – im Unterschied zu "Schaupräparaten" in der Pose lebendiger Tiere, wie man sie zum Beispiel im Naturkundemuseum besichtigen kann.

Guter Einblick in die Arbeitswelt

"Als ich erfuhr, dass man bei Senckenberg ein Freiwilliges Ökologisches Jahr in der Präparation absolvieren kann, wusste ich sofort, das will ich machen", sagt Jette Malies. Die 20-Jährige aus Groß Krauscha interessiert sich schon lange für Ökologie und Forschung, deshalb recherchierte sie während ihres letzten Abiturjahres am Beruflichen Schulzentrum Görlitz, wer überhaupt ein solches FÖJ in der Stadt anbietet.

Als Balg präparierte Wildkatzen in einem Depot der Abteilung Präparation bei Senckenberg Görlitz.
Als Balg präparierte Wildkatzen in einem Depot der Abteilung Präparation bei Senckenberg Görlitz. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Auf der Seite der Paritätischen Freiwilligendienste Sachsen könne man seine Interessen eingeben und bekomme dann eine Empfehlung, wo man sich bewerben kann. "Das Freiwillige Ökologische Jahr ist den meisten nicht so bekannt wie das FSJ im sozialen Bereich", sagt Jette Malies, "aber gerade wenn man andere Interessen hat und nicht in der Pflege oder in einer Kita arbeiten möchte, ist das FÖJ eine Option."

Und zwar nicht nur, um Zeit zu überbrücken, wenn man nach der Schule noch nicht genau weiß, wohin es gehen soll, sondern auch um Einblicke in die Arbeitswelt zu bekommen, 40 Stunden die Woche beschäftigt zu sein sowie – zumindest bei Senckenberg – die ruhige Arbeitsatmosphäre und das Miteinander unter Kollegen zu erleben.

Vom FÖJ in die Tierarztpraxis

Das sei eine tolle Erfahrung, sagt auch Judith Waschelitz, die ebenfalls ein FÖJ bei Senckenberg absolviert, bis sie eine Ausbildung zur Tiermedizinischen Fachangestellten in ihrem Heimatort Horka beginnt. An einem ihrer letzten Tage bei Senckenberg holt sie eine kleine, fast farblose Schnecke aus ihrem Schälchen, in dem auch ein großes Salatblatt liegt. "Na komm, du Kleine, nicht verstecken", sagt sie wie zu einem vertrauten Haustier und setzt sich die Schnecke behutsam auf die Hand.

Judith Waschelitz kümmert sich in ihrem FÖJ bei Senckenberg um eine Schneckenfamilie.
Judith Waschelitz kümmert sich in ihrem FÖJ bei Senckenberg um eine Schneckenfamilie. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Seit vergangenem September hat sie fast täglich mit den Schnecken zu tun, füttert sie, beobachtet, wie junge Tiere aus den Eiern schlüpfen und heranwachsen. "Etwa 60 bis 120 solcher Schnecken werden hier zu Forschungszwecken versorgt", sagt sie, "aber das mache ich natürlich nicht allein."

Judith Waschelitz hat sich für einen Einsatz in der Malakologie entschieden: Weichtierkunde. Neben diesem Bereich und der Präparation wären auch die Wolfsforschung, die Geologie und Paläozoologie, die Bodenzoologie und das Vivarium mögliche Felder eines FÖJs gewesen. "Ich war hier schon mal zum Schülerpraktikum in der Präparation", sagt die 20-Jährige, "aber für das Freiwilligenjahr hat mich die Arbeit mit lebenden Tieren mehr interessiert." Aber die Schneckenversorgung ist nicht ihre einzige Aufgabe.

Schneckensuche auf Friedhöfen

Unter anderem hat sie in verschiedenen Orten des Landkreises Görlitz von Herrnhut, Bernstadt und Schönau-Berzdorf über Görlitz und Ludwigsdorf bis Zodel an Friedhofs- und anderen alten Mauern das Vorkommen von Schnecken untersucht. Sie zeigt eine kleine durchsichtige Schachtel mit zahlreichen winzigen Schneckenhäusern, die übrig blieben, nachdem sie Bodenproben von unterhalb der Mauern durchsiebt hatte.

"Es ging darum herauszufinden, welche Arten wo vorkommen und wie sie verbreitet sind", sagt Judith Waschelitz. Schon jetzt sei eindeutig: An sehr alten, lange nicht veränderten kalkverputzten Mauern in ungestörter Natur, etwa auf Friedhöfen, waren die meisten Arten zu finden, an sanierten Mauern häufig nur eine einzige Schneckenart. Im Büro der Malakologie dokumentierte sie dann die Ergebnisse – auch ein Teil ihrer Arbeit.

Vorbereitung aufs Studium

Jette Malies hat indes erfahren, wie man Tiere für die Forschung präpariert und konserviert: wie man Haut und Fell abzieht, wie man ein Skelett freilegt, um es zu erhalten, wie man einen Balg herstellt. Ein Teil der Objekte, die sie hergestellt hat, sollen in der erweiterten Dauerausstellung des Museums zu sehen sein, die künftig auch über die Forschungstätigkeit von Senckenberg berichten soll.

"Am Anfang hatte ich noch mit dem Geruch der toten Tiere zu kämpfen", sagt Jette Malies. Meist seien es Fundtiere nach Verkehrsunfällen, die zu Senckenberg gebracht und präpariert werden. "Aber nach einer Weile wird man geruchsblind und stört sich nicht mehr daran."

Beide Freiwillige fühlen sich durch ihr Jahr bei Senckenberg enorm bereichert, auch wenn sie beruflich nicht direkt daran anknüpfen werden. Geht Judith Waschelitz in eine Tierarztpraxis, möchte Jette Malies Konservierung und Restaurierung von Kunstwerken studieren. "Aber das Jahr hat mir geholfen, mich darauf vorzubereiten, und ich bin sehr dankbar für diese Zeit."

www.freiwillig-jetzt.de; Infos FÖJ Senckenberg Görlitz: https://museumgoerlitz.senckenberg.de/de/bildungsangebote/foej/