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Warum drängt das Theater nicht auf Öffnung?

Laut einer Studie ist das Ansteckungsrisiko in Opernhäusern und Museen geringer als beim Friseur. Die Chefs der Görlitzer Häuser bleiben zurückhaltend, der Zoo prescht vor.

Von Ines Eifler
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Voll besetzte Theater sind zur Zeit kaum noch vorstellbar. Laut einer Studie ist die Ansteckungsgefahr hier geringer als angenommen.
Voll besetzte Theater sind zur Zeit kaum noch vorstellbar. Laut einer Studie ist die Ansteckungsgefahr hier geringer als angenommen. © Pawel Sosnowski/Archiv

Die Ergebnisse einer Berliner Studie könnten Theater und Museen jetzt hoffen lassen – oder zweifeln. Kann die Wiedereröffnung schneller kommen als gedacht? War die monatelange Schließung, die das Ansteckungsrisiko für die Bevölkerung verringern sollte, im Nachhinein übertrieben? Die Leitungen des Gerhart-Hauptmann-Theaters und der Görlitzer Museen sehen das nicht so.

Studie: Ansteckungsrisiko in Theatern und Museen gering

Aus der Studie der Wissenschaftler Martin Kriegel und Anne Hartmann vom Hermann-Rietschel-Institut an der TU Berlin zur Ausbreitung von Aerosolen geht hervor, dass Theater-, Opern- und Museumsbesuche mit Maske bei 30-prozentiger Auslastung der Häuser eine wesentlich geringere Ansteckungsgefahr bergen als etwa der Besuch beim Friseur, was ab nächsten Montag aber möglich ist.

Grafik aus der Studie von Martin Kriegel und Anne Hartmann (Hermann-Rietschel-Institut an der TU Berlin) "Covid-19-Ansteckung über Aerosolpartikel. Vergleichende Bewertung von Innenräumen hinsichtlich des situationsbedingten R-Wertes".
Grafik aus der Studie von Martin Kriegel und Anne Hartmann (Hermann-Rietschel-Institut an der TU Berlin) "Covid-19-Ansteckung über Aerosolpartikel. Vergleichende Bewertung von Innenräumen hinsichtlich des situationsbedingten R-Wertes". © Martin Kriegel, Anne Hartmann

Die Autoren haben verglichen, wie viele weitere Menschen sich in verschiedenen Situationen anstecken können, wenn eine mit dem Coronavirus infizierte Person mit im Raum ist. Im Supermarkt zum Beispiel liege dieser Wert bei 1, was heißt, dass ein Infizierter eine weitere Person anstecken kann. In Theatern und Museen liege der Wert bei 0,5. In einem zur Hälfte belegten Mehrpersonenbüro ohne Maske liege er bei 8, und beim Friseur bei 0,6.

Theater stellt Lockdown nicht infrage

Die Leiter der großen Görlitzer Kulturstätten lassen sich jedoch von diesen Ergebnissen und damit der Frage, wie gerecht der Lockdown für welche Einrichtung ist, nicht weiter beeindrucken. Generalintendant Klaus Arauner sagt dazu: "Ob, wann und in welchem Umfang der Produktions- und Spielbetrieb des Theaters während der Pandemie stattfinden kann, ist aus einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive heraus zu entscheiden."

Es seien immer Notwendigkeiten verschiedener Bereiche des öffentlichen Lebens abzuwägen. Beim Betrieb des Theaters in diesen Zeiten sei "das oberste Ziel die Gewährleistung der Sicherheit für Zuschauer und Mitarbeiter".

Das Gerhart-Hauptmann-Theater hatte sich im Sommer auf einen an die Pandemie angepassten Spielbetrieb eingestellt und für große Abstände gesorgt.
Das Gerhart-Hauptmann-Theater hatte sich im Sommer auf einen an die Pandemie angepassten Spielbetrieb eingestellt und für große Abstände gesorgt. © André Schulze/Archiv

Bürgermeister Michael Wieler sagt für die Stadt Görlitz, Gesellschafterin des Theaters, schon allein der pandemiebedingte Arbeitsschutz, der die Theatermitarbeiter vor möglichen Infektionen bewahren soll, lasse eine frühere – möglicherweise sofortige – Wiederaufnahme des Proben- und Spielbetriebs nicht zu. Das Theater benötige vor der Wiedereröffnung eine Anlaufphase. "Die Aufnahme des Spielbetriebes ist nicht von heute auf morgen möglich."

Landrat Bernd Lange (CDU) sagt für den Landkreis Görlitz, ebenfalls Gesellschafter des Theaters, über die Schließung kultureller Einrichtungen entscheide der Freistaat Sachsen. "Ich teile jedoch die Auffassung, dass man die Schließung von Museen und Theatern nicht allein an einer 7-Tage-Inzidenz festmachen darf, sondern sich deutlicher mit der aktuellen Infektionslage vor Ort auseinander setzen muss."

Museen hoffen auf baldige Lockerung

Für die Museen ist es nicht Neues, vom geringen Ansteckungsrisiko in Ausstellungsräumen zu erfahren. "Das Ergebnis der Studie überrascht mich nicht", sagt Jasper von Richthofen, Direktor des Kulturhistorischen Museums. Und auch Markus Bauer sagt für das Schlesische Museum: "Ich bin überzeugt, dass das Infektionsrisiko bei einem Besuch bei uns extrem niedrig ist. Wir haben ja ein strenges Hygienereglement installiert."

Dennoch sei es zur Einschränkung der Mobilität richtig gewesen, Museen in den allgemeinen Lockdown einzubeziehen. Es gehe bei den aktuellen Museumsschließungen ja nicht so sehr um das Ansteckungsrisiko im Inneren. So sagt auch Jasper von Richthofen: "Unsere Besucher kommen mit der Straßenbahn, trinken vielleicht gemeinsam Kaffee, halten einen Schwatz vor dem Museum." Diese Bewegung der Menschen sollte vermieden werden, um das Ansteckungsrisiko zu senken.

Der Historiker Jan Bergmann-Ahlswede (li.) und Museumsdirektor Jasper von Richthofen möchten die Neißeausstellung gern noch einmal zeigen und hoffen deshalb auf eine mögliche Öffnung des Kaisertrutzes vor Ostern.
Der Historiker Jan Bergmann-Ahlswede (li.) und Museumsdirektor Jasper von Richthofen möchten die Neißeausstellung gern noch einmal zeigen und hoffen deshalb auf eine mögliche Öffnung des Kaisertrutzes vor Ostern. © Nikolai Schmidt/Archiv

Beide hoffen, dass Museen aber zu den ersten Einrichtungen gehören, die bei einer Lockerung des Lockdowns Berücksichtigung finden. "Die Verantwortlichen sollten anerkennen, dass es sich bei Museen um Bildungs-, nicht um Freizeiteinrichtungen handelt", sagt Markus Bauer. Genauso hofft auch Jasper von Richthofen auf eine Öffnung der Museen zusammen mit dem Einzelhandel.

Willy Xylander, Direktor des Senckenberg Museums, sagt, die Aerosol-Studie könne hilfreich für die Entwicklung von "Lockerungsstrategien" sein. Da die Erarbeitung solcher Forschungsergebnisse seine Zeit dauere, konnte die Politik bisher nur auf Basis von Erfahrungen und Expertenwissen agieren. Das sei richtig und verantwortungsvoll gewesen, "auch wenn es für die Kultureinrichtungen und viele andere schlimm war."

Der Biologe warnt jedoch auch: "Angesichts infektiöserer Mutanten sehe ich grundsätzlich ein steigendes Risiko – völlig unabhängig von den in der Studie verglichenen Aktivitätskategorien. Das sollte man bei der Diskussion um Wiedereröffnungen nicht außer Acht lassen."

Tierpark will Familien entlasten

Noch mehr als die öffentlich getragenen Institutionen wie Museen und Theater leidet der Görlitzer Tierpark, der einen jährlichen freiwilligen Zuschuss der Stadt erhält und sich zu einem großen Teil aus Eintrittsgeldern finanziert, unter der Schließung und den fehlenden Einnahmen. Verbände, die Zoos und Tierparks vertreten, setzen sich nun unter dem Motto "Zoos sind sichere Ausflugsziele" dafür ein, dass Zoos und Tierparks ab März wieder öffnen können, auch mit Blick auf die Belastung, denen Familien im Lockdown ausgesetzt sind.

Kinder am Gehege wie bei früheren Tierparkfesten: Das könnte Familien im Lockdown entlasten.
Kinder am Gehege wie bei früheren Tierparkfesten: Das könnte Familien im Lockdown entlasten. © Naturschutz-Tierpark Görlitz

"Angesichts sinkender Infektionszahlen und dem steigenden sozialen Druck in vielen Familien könnten die Zoos Ausgleich bieten", sagt der Görlitzer Tierparkdirektor Sven Hammer. Zur Geringhaltung des Ansteckungsrisikos könne die Besucherkapazität begrenzt und zuerst nur die Außenbereiche geöffnet werden. "Wir sind auf alle Szenarien und Anpassungen an das Infektionsgeschehens vorbereitet."

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