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Kreis Görlitz: Bildet die Hochschule bald Lehrer aus?

Landrat Stephan Meyer soll in Dresden für eine regionale Lehrerausbildung werben. Doch die Skepsis im Kultusministerium ist groß.

Von Susanne Sodan
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Kultusminister Christian Piwarz traf sich gleich zu Jahresbeginn mit Elternräten aus dem Kreis Görlitz im Beruflichen Schulzentrum Görlitz.
Kultusminister Christian Piwarz traf sich gleich zu Jahresbeginn mit Elternräten aus dem Kreis Görlitz im Beruflichen Schulzentrum Görlitz. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Lehrer im ländlichen Raum gehören in Sachsen mit zu den bestbezahlten Berufsgruppen. Seit Jahren versucht der Freistaat mit Verbeamtung, mit Gehaltsprämien für Lehrer im ländlichen Raum zu werben. So richtig wirkt es nicht. Das wissen nicht zuletzt Eltern, deren Kinder regelmäßig Stundenausfall haben.

Der Kreistag will deshalb eine weitere Ausbildungsstätte für Lehrer in der Oberlausitz. Wer die Region schon in der Ausbildung kennenlerne, bleibe eher hier, so der Gedanke dahinter. Eine Ausbildungsstätte für Grundschullehrer gibt es in Löbau. Aber vor allem auch in den Oberschulen und Förderschulen fehlen zunehmend Lehrer. Deshalb soll Landrat Stephan Meyer sich beim Freistaat Sachsen für eine regionale Ausbildungsstätte für Ober- und Förderschullehrer einsetzen - sagt sogar ein Kreistagsbeschluss vom Dezember. Die Erfolgschancen gelten jedoch als gering. Warum das so ist, fasst die SZ zusammen.

Was spricht für eine regionale Lehrerausbildung?

Wenn viele andere Anreize nicht wirklich helfen, dann müsse man neue Möglichkeiten bei der Lehrersuche nutzen, sagt Landrat Stephan Meyer. Er plädiert dafür, regionale Ressourcen zu nutzen, etwa die Hochschule Zittau/Görlitz. In Kooperation mit ihr soll nach den Vorstellungen des Kreistages die Lehrerausbildungsstätte für Ober- und Förderschullehrer aufgebaut werden. Es geht um die Referendariatszeit. Er habe kurz vor Weihnachten mit den Referendaren der Schulen im Landkreis Görlitz gesprochen: Fast alle seien aus der Region, teils hätten sie ihr Referendariat an ihrer ehemaligen Schule begonnen. Er denke schon, so Meyer, dass der Lehrerberuf einer sei, um junge Menschen anzusprechen, die es nicht unbedingt in die Ferne zieht. Einmal mehr verwies Meyer auf Chemnitz. Seitdem es dort die Grundschulausbildung gibt, habe die Region weniger Probleme, Grundschullehrer zu finden.

Was spricht gegen eine Ausbildungsstätte im Kreis Görlitz?

Über die Chancen einer weiteren Ausbildungsstätte im Kreis Görlitz sprach Christian Piwarz bereits im September in Löbau mit Eltern und Lehrern. Er lehne nicht regionale Lehrerausbildungsstätten per se ab, wiederholte er nun auch in Görlitz, wolle aber auch auf mögliche Nachteile aufmerksam machen. Dann stünden beispielsweise weniger Lehrer in den Schulen zur Verfügung, weil sie für die Ausbildung der Referendare gebraucht würden.

Während des Referendariats sind angehende Lehrer vier Tage in der Woche an einer Schule, an einem Tag in der Ausbildungsstätte, bislang sind das in Sachsen die Unis Dresden oder Leipzig. Für Grundschul-Referendare gibt es außerdem die Lehrerausbildungsstätten Löbau und Annaberg-Buchholz. Doch anders als bei den Grundschulen gibt es an den Oberschulen viel mehr mögliche Fächerkombinationen, erklärt Piwarz. Nach der Zählung seines Ministeriums sind es 19. Für jede brauche es einen Lehrer vor Ort in der Ausbildungsstätte, der an dem Tag die Referendare unterrichtet. Und, rechnete Piwarz vor, bei der aktuellen Zahl von Oberschul-Referendaren und Fächerkombinationen komme man da leicht bei einer Eins-zu-eins-Beschulung raus. Ein Aufwand, der vielleicht nicht im Verhältnis steht zum Nutzen, den man sich verspricht.

Was Piwarz nicht ansprach, aber immer wieder eine Frage ist: Wie werden sich die Schülerzahlen entwickeln? Sachsenweit steigen die Zahlen. Der deutliche Zuwachs im aktuellen Schuljahr, vor allem in den Städten, ist auch auf viele ukrainische Kinder zurückzuführen. Auch im Kreis Görlitz kamen viele geflüchtete Familien an. Insgesamt ist die Kreis-Schülerzahl im Schuljahr 2022/23 laut Landesschulamt um rund 600 gestiegen auf 26.300. Ein Zuwachs, aber geringer als 2021/22. An den vier Oberschulen in der Stadt Görlitz war die Schülerzahl zuletzt etwas gesunken.

Einmal weg - immer weg?

Eine Sorge wird immer wieder vorgebracht: Junge Leute haben kaum noch das Bedürfnis, in die Oberlausitz zurückzukehren, wenn sie sich erst einmal für Studium oder Ausbildung in eine Stadt wie Leipzig oder Dresden verabschiedet haben. Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer sieht das anders. Es sei wichtig, dass junge Menschen ihren Horizont erweitern, "sie sollen gerne wiederkommen, aber sie müssen erst mal die Welt gesehen haben. Wenn die alle erstmal weg sind, kommt keiner zurück - das ist eigentlich ein furchtbares Bild."

Warum wollen so wenige Oberschullehrer werden?

Es ist ein jahrzehntealtes Thema: Sachsen hat gar nicht so extrem wenig Lehrer. Das Problem ist eher, dass die Bewerbungen und die offenen Stellen nicht gut zusammenpassen. Jemand, der aus einem Gymnasium kommt, noch nie eine Oberschule von innen gesehen hat, wolle meist nicht Oberschullehrer werden, schilderte Kretschmer. Da habe er schon die schlimmsten Vorurteile gehört. Ganz anders die Einschätzung derer, die beispielsweise eine Oberschule besuchten, danach am Beruflichen Gymnasium weitermachten und die sogenannte fachgebundene Hochschulreife haben, mit der sie ebenfalls Lehramt studieren können. Aus verschiedenen Gründen wählen immer mehr junge Menschen diesen Weg. Zum Glück, sagt Landrat Stephan Meyer, löse sich langsam auch die Denke auf, nur aus Abiturienten könne was werden. Und Kretschmer wiederum wolle gern helfen, Geld zu organisieren, um bei Ex-Oberschülern für den Lehrerberuf zu werben.

Ist die regionale Lehramtsausbildung damit vom Tisch?

Nicht ganz. Ein Teil des Lehramtsstudiums könnte an Hochschulen wie Zittau/Görlitz stattfinden. Mathematik und Physik könnten die künftigen Lehrer hier ohne Zweifel studieren. Doch Kultusminister Piwarz weist darauf hin, dass das Lehramtsstudium ein universitäres ist. Daran wolle er auch nichts ändern, schon allein wegen der Anerkennung der Abschlüsse in anderen Bundesländern. Möglich sei aber vielleicht ein zweigeteiltes Studium, in dem bestimmte fachliche Bereiche an den sächsischen Hochschulen gelehrt werden und der pädagogische Teil an der Uni verbleibt, ein Pilotprojekt gibt es in Zwickau. Für weitere Projekte sei im Landeshaushalt aber noch nichts eingeplant. Wenigstens stehen dort aber Gelder zur Verfügung, um mit den Planungen weiterzukommen.