Wer an einem Donnerstag in der "Alten Freundschaft" einkehrt, sieht einen älteren Herrn nach dem anderen eintreten und in einem Hinterzimmer des weitläufigen Restaurants in der Görlitzer Südstadt verschwinden.

Kurz vor 18 Uhr sitzen dann zwei Dutzend Männer an Tischen wie Schüler in einem Klassenraum, nur dass die meisten zwischen 70 und 80 Jahre alt und die Wände mit Rettungsringen, Schiffsmodellen und Seemannsknoten dekoriert sind. Wenn Eberhard Hahn am Dirigentenpult dann die Hände hebt und die Akkordeonspieler den ersten Takt spielen, steht die Gruppe auf, verwandelt sich in eine Crew von Seeleuten, lässt das Alter verfliegen und singt aus voller Kehle "Heut' geht es an Bord", "Wir lieben die Stürme" oder "Blaue Jungs von der Waterkant".

Starke Chorgemeinschaft zieht neue Sänger an

Über 75 Titel hat der Görlitzer Shanty-Chor im Repertoire. Einige Sänger waren früher tatsächlich Seeleute, Offizier bei der Handelsmarine zum Beispiel, Schiffsarzt oder Maschinenassistent. Die meisten aber sind über den Segelverein der ISG Hagenwerder mit dem Wasser verbunden und lieben den Berzdorfer See.

"Mich hat das maritime Flair, das der Chor verbreitet, sofort angezogen", sagt Christian Scholz, der seit einer Weile mitsingt. Bernd Engelmann erlebte den Chor vor vier Jahren und stieg ein, weil ihm der starke Zusammenhalt gefiel. Vor allem aber, sagen mehrere Sänger, mache es große Freude, für andere zu singen.

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2005 wurde der Männerchor gegründet. Anfangs mit sieben Sängern, die zuvor dem Bäcker- und Fleischerchor angehörten, und drei Akkordeonspielerinnen, die sich aus der Erwachsenenakkordeongruppe der Musikschule Fröhlich von Andreas Wendler kennen. Hinzu kamen Manfred Dahms vom Segelverein und seine Frau Rita als Akkordeonspielerin sowie der Schlüsseldienstinhaber Hans-Joachim Pläschke, ebenfalls mit Akkordeon.

Neuer musikalischer Leiter gesucht

"Damals hatte die Flutung des Sees ja schon begonnen", sagt Eberhard Hahn, der seit 2007 dabei ist. Der Chor wuchs weiter bis auf über 30 Mitglieder, dazu zählt auch die frühere Leiterin des Palasttheaters Angelika Würfel als Moderatorin. Musikalischer Leiter war mehrere Jahre der frühere Musiklehrer Klaus Peglau. "Aber er hat uns leider verlassen", sagt Hahn, der den Chor seitdem kommissarisch leitet und das gut einstudierte Repertoire mit seinen Mitsängern lebendig hält.

Auch in der Corona-Zeit hat Hahn den Chor zusammengehalten und davor bewahrt, dass die Sänger ihrer Wege gingen. So waren sie gut vorbereitet, als sie 2020 am ersten Seekonzert der Europa-Chor-Akademie mitwirkten und auch beim zweiten 2021 im Vorprogramm auftraten. Damit knüpften sie an frühere Höhepunkte an, etwa beim "Kuttersingen" in Warnemünde, im Verkehrsmuseum Dresden oder beim Shanty-Festival Travemünde, wo sie Publikumsliebling wurden und man ganz erstaunt war, dass auch fern der Küste leidenschaftlich Shantys gesungen werden.

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"Aber wir möchten nicht auf der Stelle treten", sagt Eberhard Hahn, "sondern suchen einen Chorleiter, der etwas von Stimmbildung versteht und Neues mit uns einstudiert."

Über mangelnden Zulauf an Sängern kann sich der Chor aber nicht beschweren. Allein im vergangenen halben Jahr hatte er vier Neuzugänge, die nun bei den 30 bis 40 jährlichen Auftritten kräftig mitsingen.

Das nächste Mal ist der Chor am 26. März um 17 Uhr am Segelstützpunkt an der Blauen Lagune zu erleben – zum Abschied vom 2023 verstorbenen "Segelmanni" Manfred Dahms.

Kontakt für interessierte Sänger und Chorleiter: www.isg-hagenwerder.de/shanty-chor