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Was aus dem Görlitzer "DDR-ICE" geworden ist

Ende vorigen Jahres sollte der Kult-Zug Vindobona wieder auf den Schienen stehen. Das klappte nicht. Aufgegeben haben die Eisenbahnfans, die ihn sanieren, aber nicht.

Von Susanne Sodan
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Zunächst stand der Vindobona in Dresden, jetzt ist der größte Teil des Zuges in Halberstadt.
Zunächst stand der Vindobona in Dresden, jetzt ist der größte Teil des Zuges in Halberstadt. © Sven Ellger

Die Modellbahn-Ausstellung in Löbau am Wochenende ließ sich Mario Lieb nicht entgehen. Aus Leipzig reiste er an. Dort arbeitete er für die Deutsche Bahn. Vor allem aber: Mit anderen Eisenbahnfans gründete er vor vier Jahren die SVT Görlitz GmbH, ein gemeinnütziges Unternehmen. Das Ziel: die Rettung des Vindobona, auch bekannt als der DDR-ICE. Bis Ende vorigen Jahres sollte die Restaurierung der sechs erhaltenen Wagen geschafft sein, der Kult-Zug gar wieder auf den Schienen stehen. Doch es klappte nicht.

Ein bisschen traurig darüber sei er, sagt Mario Lieb. „1963 wurde der Vindobona auf der Messe Leipzig vorgestellt.“ Entstanden war das Modell im damaligen Waggonbau Görlitz. „Es wäre toll gewesen, ihn genau 60 Jahre später wieder auf die Schiene zu bringen. Aus heutiger Sicht müssen wir sagen: Es war leider ein unrealistisches Ziel.“ Zu viele Überraschungen tauchten auf.

Zum Beispiel war bei der Stahlsanierung der sechs Fahrzeuge an mehr Flächen mehr zu tun als gedacht. „Jetzt haben wir festgestellt, dass die Kunststoffschürze unter der ‚Nase’ des Triebwagens wohl komplett erneuert werden muss.“ Die Kühlanlage kostet um die 80.000 Euro mehr als vorgesehen. „Das dritte Getriebe und der dritte Motor sind verschlissener, als wir dachten.“ All das bedeute auch Mehrkosten. Einst fuhr der Vindobona auf der Strecke Berlin-Prag-Wien. Seine letzte Fahrt nach Prag absolvierte er im April 2003. In Berlin kümmerte sich zunächst eine Freizeitgruppe um den Zug. Später ging es für den „DDR-ICE“ ins bayerische Lichtenfels ins Depot des DB-Museums. Für die Öffentlichkeit war er vor einigen Jahren noch mal bei einer Sonderausstellung in Nürnberg zu sehen. Das DB-Museum, erklärt Mario Lieb, ist weiterhin der Eigentümer.

So weit sind die Arbeiten

2019 mietete die SVT Görlitz GmbH quasi den Zug und brachte den Kultzug nach Dresden in eine Werkhalle. Im Mai 2022 ging es dann für die ersten beiden Fahrzeuge, ziemlich spektakulär, nach Halberstadt für die Stahlaufarbeitung: Rost herunterschleifen, grundieren, lackieren. Mit Tempo 70 rollten die Wagen die 250 Kilometer nach Sachsen Anhalt zur Verkehrs Industrie Systeme GmbH (VIS). In Halberstadt steht heute der größte Teil des Vindobonas. Nahezu fertig ist der Sitzwagen der ersten und zweiten Klasse und der Speisewagen. Sie sind auch schon lackiert. Die Bremskomponenten liegen in den letzten Zügen. Das Maschinendrehgestelle, die Laufwerke eines Schienenfahrzeuges, sind fertig. „Heißt, die Räder können wieder unter das Gehäuse“, erklärt Lieb. Der erste Maschinenwagen steht gerade in der Lackierung.

So sieht der Mittelwagen frisch lackiert aus. Die Fenster wurden aufgearbeitet, wenn nötig, ersetzt.
So sieht der Mittelwagen frisch lackiert aus. Die Fenster wurden aufgearbeitet, wenn nötig, ersetzt. © Mario Lieb

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Ein Reisebüro in Prohlis, das spezialisiert ist auf Fahrten mit besonderen Zügen, hat den Vindobona sogar schon in sein Angebot aufgenommen. „Aber der Kartenkauf ist noch unter Vorbehalt“, sagt Mario Lieb. Er will den Mund lieber nicht zu voll nehmen. Ein Teilbetrieb mit bis zu vier Wagen ist für dieses Jahr geplant, bestätigt er. „Aber beim Gesellschaftswagen zum Beispiel sind wir noch nicht weit.“ Mit dem ist eher erst im dritten Quartal zu rechnen.

So also sehen Maschinendrehgestelle aus. Um die kümmerte man sich in Neustrelitz.
So also sehen Maschinendrehgestelle aus. Um die kümmerte man sich in Neustrelitz. © Mario Lieb

Nach wie vor ist das Engagement groß. „Um die 50 Leute arbeiten gerade aktiv an der Restaurierung“, erzählt Lieb. So viel wie möglich soll im Originalzustand bleiben. Und so viel sie können, machen die Eisenbahnfreunde alleine. Zum Beispiel zwei Polsterer für den Innenausbau sind unter ihnen. Die ehrenamtlichen Helfer kommen aus ganz Deutschland: Dresden, Chemnitz oder auch München. Zwei ehemalige Waggonbauer aus Görlitz sind dabei, einer von ihnen ist ein ehemaliger Bahn-Elektriker. Aber alles ließ und lässt sich nicht alleine machen, „es ist viel Spezialwissen gefragt“.

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In Halberstadt standen und stehen die meisten Arbeiten an. Aber an dem Vindobona arbeiten noch viel mehr Firmen und Hände. Um die Maschinendrehgestelle kümmerte sich das Ostmecklenburgische Bahnwerk in Neustrelitz. Für die Motoren hilft ein Pirnaer Unternehmen, um die Strömungsgetriebe kümmert man sich in Chemnitz, um die Wärmetauscher in Leisnig. Der Reisemobil-Hersteller Capron in Neustadt schickt immer wieder Azubis, die bei der Innenausstattung helfen. Mario Lieb ist am Donnerstag wieder in Halberstadt, zur nächsten Planungsbesprechung. Drängeln will er keinesfalls. Ob der Personalprobleme, mit denen viele Firmen zu kämpfen haben, ist er froh, dass sich die Unternehmen überhaupt bereit erklärt haben, mitzumachen bei der Sanierung des Vindobonas.

Finanzfrage bleibt schwierig

Geholfen hat auch der Freistaat noch einmal. Dieser hatte die Sanierung bereits mit 300.000 Euro aus dem PMO-Vermögen unterstützt - das ehemalige DDR-Parteivermögen, das nach der politischen Wende in den ostdeutschen Bundesländern aufgeteilt wurde. Vom Bund gab es Fördermittel in Höhe von knapp vier Millionen Euro. „Jetzt haben wir vom Freistaat noch einmal 400.000 Euro Fördermittel erhalten.“ Es handele sich um eine 50-Prozent-Förderung. Heißt, die Eisenbahnfans müssen selbst auch 400.000 Euro aufbringen. Insgesamt geht es für sie um ungefähr 1,6 Millionen Euro an Eigenmitteln. Und so bleibt auch die Herausforderung, Spenden zu sammeln, noch für dieses Jahr.