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28-Jähriger wird neuer SPD-Chef in Görlitz

Verwaltungsfachwirt Falko Metjen senkt als jüngster Sozialdemokrat auf der Liste für den Stadtrat den Altersdurchschnitt. Das ist ungewöhnlich: Was treibt den jungen Mann an?

Von Marc Hörcher
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SPD-Ortsvorsitzender Falko Metjen auf dem Elisabethplatz in Görlitz. Das gemeinsame Ortsbüro von SPD und der Gewerkschaft Verdi befindet sich ganz in der Nähe.
SPD-Ortsvorsitzender Falko Metjen auf dem Elisabethplatz in Görlitz. Das gemeinsame Ortsbüro von SPD und der Gewerkschaft Verdi befindet sich ganz in der Nähe. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Nur meckern ist nicht sein Ding, sagt Falko Metjen. Der 28-jährige Görlitzer engagiert sich deswegen seit Jahren ehrenamtlich im Stadtgeschehen - als Mitglied des Bürgerrats Innenstadt West etwa. Vor einigen Jahren war er Mit-Organisator eines deutsch-polnischen Kinderfests an der Neiße. Vergangenes Jahr setzte er sich für ein vielfältiges, buntes Görlitz ein, indem er bei der Organisation des Görlitzer „Christopher Street Day“ (CSD) half. Der CSD ist ein weltweiter Fest-, Gedenk- und Demonstrationstag von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und Intersexuellen. Veranstalter war ein Bündnis aus verschiedenen Vereinen und Parteien, Metjen übernahm den Organisations-Teil des SPD-Ortsverbands.

Dort ist Falko Metjen seit sieben Jahren aktiv. Nun ist er zum Co-Vorsitzenden aufgestiegen. Er löst damit Lukas Nitsche ab und bildet gemeinsam mit der 39-jährigen Erzieherin Nicole Scheibe die paritätische Doppelspitze. Und nicht nur das, Metjen kandidiert auch für den Stadtrat. Unter den zwölf Namen auf der Liste seiner Partei ist er der Jüngste. Auch sonst senkt er den Altersdurchschnitt bei einer Partei, die bei der letzten Bundestagswahl bei den über 60-Jährigen überdurchschnittlich gut abschnitt. Dabei ist sein Weg durchaus konsequent - und die SPD passe gut zu ihm und seinem Profil, findet Metjen.

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Er stammt aus einer Handwerker-Familie und beschreibt sich selbst als sehr bodenständig. In Görlitz hat er die Scultetus-Oberschule besucht. „Da war ich selbst Profiteur von sozialdemokratischer Bildungspolitik“, sagt er. Nach seinem Abschluss an der Oberschule ging er zur Ausbildung ins Landratsamt, heute ist er Verwaltungswirt im Umweltamt und zudem Personalrat.

Politisch interessiert gewesen sei er schon immer, SPD-Mitglied wurde er 2017. Ganz unvoreingenommen habe er sich damals in verschiedene Parteiprogramme eingelesen - von FDP über Bündnisgrüne bis SPD. Den letzten Anschub für die Sozialdemokraten gab dann sein Nachbar. „Der war schon in der SPD und hat mich darauf angesprochen“, sagt Metjen. Parallel begann er auch sein Engagement bei der Gewerkschaft Verdi. Da sich viele Themen überschneiden, für ihn ein weiterer logischer Schritt. In Sachsen treten sowohl die Kanzlerpartei als auch die Gewerkschaften für das Anliegen ein, dass Arbeitnehmer den Anspruch auf fünf Tage Bildungsurlaub bekommen.

Engagiert bei Kochaktion und Wünsche-Verein

Ein solcher Bildungsurlaub lässt sich für ehrenamtliches Engagement nutzen. Metjen selbst käme das auch persönlich zupass. Denn über viele Jahre hinweg engagiert er sich ehrenamtlich, beispielsweise beim Görlitzer Verein „Wünsche von Herzen“. Der erfüllt Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die gesundheitlich eingeschränkt oder in finanzieller Not sind, Herzenswünsche. Das kann die Fußballausstattung für ein junges Mädchen sein, um im Verein zu kicken oder die Haushaltshilfe für eine Familie nach einem Schicksalsschlag. Vor allem in der Adventszeit hört man viel vom Wünsche-Verein, auf dem Schlesischen Christkindelmarkt kochte die Gruppe zuletzt wieder im Zuge der Aktion „17 Tage! 17 Essen!“. Und auch Metjen schwang auf dem Weihnachtsmarkt den Kochlöffel. Es gab leckeren Bauerntopf, insgesamt nahmen er und seine Mitstreiter damit 910 Euro für den Förderverein der Friedrich-Ludwig-Jahn-Schule ein, der sich für die Förderung und Bildung geistig und mehrfach behinderter Kinder stark macht. Metjen lebt gern in Görlitz, schätzt an dieser Stadt die kurzen Wege und die Familienfreundlichkeit. Ein Familienleben strebt er selbst an, möchte noch dieses Jahr heiraten. Im Interview macht er den Eindruck, ein ruhiger, nüchtern-sachlich argumentierender Mensch zu sein. Und genauso sieht er sich auch selbst. Er will kein Polemiker sein, sondern für faktenorientierten Wahlkampf stehen.

Polemische Meinungen erleben er und seine Parteigenossen immer mal wieder, etwa wenn Bürger schimpfen, dass „Europa das ganze Geld abzieht“. Als jemand, der beruflich Einblick in die Verwaltung hat, kann Metjen dann aufklären: „Wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, sieht für welche Projekte EU-Fördergelder eingesetzt werden“, vom Bau der neuen Straßenbahnen bis hin zum Brautwiesenpark. Er selbst beschreibt sich als durchsetzungsstark und ausdauernd. Vielleicht ja auch, weil er durch sein Training beim Görlitzer Karateverein Übung darin hat, sich auszupowern. Die japanische Kampfsportart Bujinkan ist sein Ding - ein guter Ausgleich zum Büroalltag und eine gute Möglichkeit, neue Leute kennenzulernen, seine „Bubble“ zu erweitern, wie er sagt.

Leicht dürfte es Metjen nicht haben mit seiner Stadtrats-Kandidatur. Die Zustimmung für die Sozialdemokraten in der Neißestadt ist in den vergangenen Jahren stetig geschrumpft, auch in anderen Teilen Ostdeutschlands kämpft die Partei auf lokaler Ebene um Zustimmung und gegen den schleichenden Bedeutungsverlust. In Görlitz ging es von zwölf Sitzen im Jahr 1990 stetig bergab auf nur noch einen 2019. Seit Stadtrat Mike Thomas vor rund einem Jahr seiner Partei den Rücken kehrte und zum Wählerverein Bürger für Görlitz wechselte, bildet die SPD in der Neißestadt mit der FDP quasi die außerparlamentarische Opposition.