Im Barockhaus der Görlitzer Sammlungen auf der Neißstraße sind gerade expressionistische Druckgrafiken von Willy Schmidt zu sehen, vor allem aus den 1920er- und frühen 1930er-Jahren.
Für Robert B. Heimann, Sohn des bekannten Görlitzer Fotografen Herbert Heimann, war der 1895 geborene Görlitzer Künstler einfach nur "Onkel Willy".
Fotograf und Künstler waren beste Freunde
Sein Vater und Willy Schmidt waren als junge Männer in der Theodor-Körner-Straße 10 Nachbarn gewesen und blieben enge Freunde bis zum Tod des Künstlers. Aus den Jahren des Ersten Weltkriegs existieren Fotos der beiden als junge Soldaten, die zufällig gemeinsam Fronturlaub hatten.
Auf Bildern von Familienfesten der Heimanns ist Willy Schmidt zu sehen. "Und auch später ging Onkel Willy bei uns zu Hause ein und aus", erinnert sich der heute 85-jährige Robert B. Heimann. Als er selbst 1938 geboren wurde, lebte und arbeitete Willy Schmidt schon seit einigen Jahren im Seitenflügel der heutigen Dr.-Friedrichs-Straße 10.
Drucke aus künstlerisch bewegter Görlitzer Zeit
Da waren die Holz- und Linolschnitte aus einer künstlerisch bewegten Görlitzer Zeit, die das Museum bis September zeigt, schon lange gedruckt: das Selbstporträt des jungen Künstlers, die vielen Darstellungen liebender Paare, die sich umarmen, küssen, miteinander tanzen oder ins Café gehen, die mystischen Christus-Szenen, die Bilder verhärmter, von Krieg und Wirtschaftskrise geprägter Menschen oder auch die Ansichten einer italienischen Gasse, eines Minaretts in Sarajevo und von der Görlitzer Altstadt mit Rathausturm und Peterskirche.
Lithografie war das Handwerk, das Willy Schmidt, aufgewachsen als Sohn einer alleinerziehenden Spinnerin in der Hotherstraße, in einer Görlitzer Druckerei gelernt hatte. Nach dem Ersten Weltkrieg studierte er ab 1919 an der Breslauer Akademie bei Otto Mueller und in München Kunst, was er jedoch wegen prekärer wirtschaftlicher Verhältnisse abbrechen musste.
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In den 1920er-Jahren war Görlitz ein bedeutender Schauplatz der Kunst des Expressionismus, der sich Willy Schmidt besonders widmete. Sein vielfältiges Werk aus dieser Zeit umfasst Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken, Plastiken und textile Kunstwerke.
Im Atelier roch es nach Weihrauch und Terpentin
Als Robert B. Heimann Kind war, war die spätere Dr.-Friedrichs-Straße nach dem SA-Sturmführer Horst Wessel benannt und Willy Schmidt gehörte zu den verfemten Künstlern, deren Werke in der NS-Zeit als "entartet" galten. Auch die zweite deutsche Diktatur konnte mit seiner expressionistischen Kunst wenig anfangen, sodass er sich über viele Jahre in die "innere Emigration" zurückzog und als Zeichenlehrer arbeitete.
Er sei ein ausgeglichener, aber in sich gekehrter Mensch gewesen, erinnert sich Robert B. Heimann. Willy Schmidt habe erst spät, mit 53 Jahren, geheiratet – die verwitwete Tochter Isolde des Kunsttöpfers Walter Rhaue. Und er habe sich viel mit Mystik beschäftigt, ohne religiös gebunden zu sein.
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"Ich erinnere mich noch genau an die Atmosphäre in seinem Atelier", sagt Heimann. Meist sei der Raum in schummeriges Licht getaucht gewesen, weil lange Samtvorhänge die Fenster verhüllten und Kerzen brannten. "Mir stieg wahlweise der Duft von Weihrauch oder der beißende Geruch von Terpentin in die Nase." Mystische Gegenstände, eine Buddha-Figur, technische Zeichnungen von Eisenbahnwaggons, Staffeleien, Pinsel in großer Zahl, expressionistische Gemälde und Holzschnitte – all dies hätten ihn als Jugendlichen ungemein fasziniert.
Experimente faszinierten den späteren Chemiker
Den späteren Mineralogen und Materialwissenschaftler interessierten schon früh chemische Vorgänge. So beobachtete er in den 1950er-Jahren fasziniert, wie Willy Schmidt aus Silberdraht, Kupferplatten und farbigen Glaspulverpasten kleine Emaille-Schmuckstücke herstellte. Als er 1957 im gleichen Verfahren das bis heute existierende Tabernakel mit Kruzifix für die Kapelle des Görlitzer Krankenhauses St. Carolus schuf, hatte Robert B. Heimann Görlitz bereits verlassen und war schon fast auf dem Sprung in Richtung Westen, wo er eine wissenschaftliche Laufbahn einschlug, die ihn bis nach Kanada führte.
Die Jahre, in denen er immer wieder Zeit im Atelier bei Willy Schmidt verbracht hatte, waren für den Künstler bereits die letzten. 1959 starb Willy Schmidt an einem Hirntumor, keine 64 Jahre alt. Bis heute bedauert Robert B. Heimann, dass er – ein Jahr zuvor aus der DDR geflüchtet – seinem "Onkel Willy" auf dem Friedhof von Kunnerwitz nicht die letzte Ehre erweisen konnte.