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Großenhainer Schmiede forscht mit KI für Welt-Patent

Das Unternehmen entwickelt mit dem Fraunhofer-Institut Chemnitz ein KI-basiertes Messsystem für glühenden Stahl. Das soll bis Jahresende viel Energie einsparen.

Von Kathrin Krüger
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Mitarbeiterin Julia Schmidt und Geschäftsführer Wolfgang Pradella stehen in der Großenhainer Gesenk- und Freiformschmiede am KI-Schaubild zum "Grünen Zwilling".
Mitarbeiterin Julia Schmidt und Geschäftsführer Wolfgang Pradella stehen in der Großenhainer Gesenk- und Freiformschmiede am KI-Schaubild zum "Grünen Zwilling". © Norbert Millauer

Großenhain. "Grüner digitaler Zwilling" nennt Geschäftsführer Wolfgang Pradella die künftige Messung heißer Schmiedeteile in der Gesenk- und Freiformschmiede mittels künstlicher Intelligenz. Nicht weniger als eine patentfähige Weltneuheit soll dabei herauskommen.

Denn bisher ist es laut Pradella noch nirgendwo gelungen, glühend heiße Schmiedeteile vor dem Erkalten mit ihrem 3-D-Modell zu vergleichen. Und damit Fehlproduktionen und Energieverschwendung zu vermeiden. "Die Frage ist nicht, was die Zukunft bringt. Die Frage ist, was wir aus der Zukunft machen", ist der Antrieb des Großenhainer Geschäftsführers. Finanziert wird das richtungsweisende Projekt "GreenHiTemp" mit dem Verein deutscher Ingenieure (VDI) zu 100 Prozent über Sachsens Wirtschaftsministerium.

"Die Algorithmen melden sofort Ungenauigkeiten"

In der Gesenk- und Freiformschmiede werden Schmiedestücke schon per Robotik bearbeitet.
In der Gesenk- und Freiformschmiede werden Schmiedestücke schon per Robotik bearbeitet. © Schmiede/Ronald Bonss

Über allem steht das Ziel der Schmiede, in diesem Jahr weitere sieben Prozent an Energieverbrauch einzusparen. "Das müssen wir machen, um auch künftig wettbewerbsfähig produzieren zu können", sagt Wolfgang Pradella. Zwei Prozent sollen zukünftig über den "digitalen Zwilling" erreicht werden. Gemeint sind damit die beiden Seiten der immer komplexer werdenden Schmiedeteile. Denn glühend heiß können sie nur von zwei Seiten ganz vermessen werden.

Das passiert bisher nach dem Erkalten mit konventionellen Mitteln. Wird im Nachgang ein Fehler festgestellt, müssen ganze Chargen von Fertigteilen verschrottet und neu produziert werden. Bis Jahresende soll es gelingen, auf einem extra konstruierten Messtisch Teile gleich nach der Warmumformung mittels Sensorik und Radar zu vermessen. Mit Laser gehe es nicht. "Die selbstlernenden Algorithmen rechnen dann die Überprüfung zum 3-D-Modell und melden sofort Ungenauigkeiten, die gleich noch im Schmiedeprozess korrigiert werden können", sagt Wolfgang Pradella. Die KI muss so schlau sein, um auch kleinste Unterschiede bei der Lage der Teile berücksichtigen zu können.

"Wir können jährlich eine halbe Million Euro einsparen"

Diese innovative Idee hatte der Firmenchef ursprünglich bei einer Besprechung zu einem weiteren Forschungsprojekt an das Fraunhofer-Institut herangetragen. Dort wurde es in Chemnitz wissenschaftlich aufgegriffen und wird nun finanziert über das Bundeswirtschaftsministerium. Mit der Schmiede als Praxispartner für einen ersten Prototyp. Der besteht aus dem schon genannten Messtisch zur Produktionsüberwachung, für den in der Großenhainer Schmiede schon ein Messraum vorbereitet wird. "Wir haben dort bereits Erschütterungsmessungen durchgeführt", sagt Wolfgang Pradella. In den Erprobungsschritten ermittelt die KI zwei Datensätze der Teile und bringt sie automatisch zusammen: als Soll-Ist-Geometrie, so Projektbetreuerin Julia Schmidt, die als Controllerin tätig ist.

Wenn es gelingt, zu Jahresende die ersten heißen Schmiedeteile in Großenhain vollautomatisch zu messen, gewinnt das Unternehmen einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. 80 Prozent der Ausschussquote könnten dabei gesenkt werden. "Wir können so jährlich 300.000 bis 500.000 Euro Kosten einsparen", so der Geschäftsführer. 1,5 Millionen Euro kostet das Forschungsprojekt insgesamt. "Wir hoffen damit einen positiven Beitrag zur Energiewende beitragen zu können", sagt Pradella.

Der Großenhainer Geschäftsführer wundert sich, dass sein Antrag vor drei Jahren noch abgelehnt wurde. Da habe man den Energieeinspareffekt noch nicht erkannt, sagt er mit einem gewissen Schmunzeln. Deutschland sei allerdings Technologieführer in der Massivumformung und weltweit zweitgrößter Produzent massiv umgeformter Bauteile. Geschmiedete Teile sind oft sicherheitsrelevante Bauteile, die eine 100-prozentige Qualitätskontrolle erfordern.

  • Die Schmiede beteiligt sich auch an der Berufsorientierung "Schau rein!" vom 13. bis 18. März. Das Buchen von Terminen ist bereits möglich.