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Hier entsteht das allererste Haus aus Carbonbeton

So ein Haus gab es noch nie. In gut einem Jahr soll es in Dresden stehen. Das könnte die Baubranche revolutionieren.

Von Jana Mundus
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Bei Brückenbauten und vereinzelt auch als Teil von Häusern wurde Carbonbeton bisher schon genutzt. Nun soll das erste Gebäude entstehen, das komplett aus dem an der TU Dresden erdachten Baustoff besteht.
Bei Brückenbauten und vereinzelt auch als Teil von Häusern wurde Carbonbeton bisher schon genutzt. Nun soll das erste Gebäude entstehen, das komplett aus dem an der TU Dresden erdachten Baustoff besteht. © Foto/Visualisierung: TU Dresden

Die Rechnung ist einfach: Immer mehr Menschen auf der Welt brauchen immer mehr Häuser, in denen sie wohnen können. Die Folgen zeigen sich derzeit überall auf der Erde. Es wird gebaut, hauptsächlich mit Beton. Vor allem in Ländern wie China oder Indien steigt der Betonverbrauch deshalb von Jahr zu Jahr. Das ist jedoch ein Problem fürs Klima. Bei der Produktion des im Beton enthaltenen Zements wird mehr Kohlendioxid (CO2) in die Luft freigesetzt als durch den gesamten Flugverkehr weltweit. Die Lösung könnte ein an der TU Dresden entwickelter Baustoff sein: der Carbonbeton. Schon seit einigen Jahren wird in der Wissenschaftswelt und auch unter Bauexperten über seine Vorteile gesprochen. Nun soll das erste Haus komplett aus Carbonbeton entstehen – in Dresden.

Es folgt ein bautechnisches Happy End. Schon vor gut drei Jahren gab es einen ersten Anlauf für ein solches Gebäude. Der Architekt und ehemalige TU-Professor Gunter Henn, der auch die Gläserne Manufaktur entworfen hatte, plante ein modernes Haus für die Studenten. In den ellipsenförmigen, 50 Meter langen Pavillon sollte unter anderem der Studentenrat einziehen. Geplant war dies mitten auf dem TU-Campus hinter dem neuen Hörsaalzentrum an der Bergstraße. Doch das sächsische Finanzministerium stoppte damals die Pläne. Die Baufläche im Zentrum des Universitätsgeländes sollte effizienter genutzt werden als durch ein einstöckiges Haus. Das war 2016. Manfred Curbach, TU-Professor für Massivbau und einer der mit dem Zukunftspreis ausgezeichneten Carbonbeton-Pioniere, war damals trotzdem zuversichtlich. „Gute Projekte erleben häufig, dass sie nicht beim ersten Mal umgesetzt werden. Manchmal braucht man einen langen Atem, um Gutes zu verwirklichen.“ Er behielt recht.

Im März 2020 soll es losgehen. Dann beginnen auf der vorgesehenen Baufläche zwischen Fritz-Foerster-Platz, Zelleschem Weg und Einsteinstraße die Arbeiten für das Fundament. Bis Ende des gleichen Jahres wird der Zweigeschosser stehen. Henns ursprüngliche Pläne hat Architektin Marén Kupke vom Planungsbüro AIB aus Bautzen dafür in den vergangenen Monaten weiterentwickelt. „Das Haus ist ein riesiges Forschungsobjekt“, erklärt Curbach. Erstmals soll getestet werden, wie sich Carbonbeton beim Hausbau einsetzen lässt und ob alles so funktioniert, wie es sich die Wissenschaftler gedacht haben.

Eine Lücke im Gebäude? Ein verglaster Schlitz an der Decke soll den Veranstaltungssaal mit natürlichem Licht versehen.
Eine Lücke im Gebäude? Ein verglaster Schlitz an der Decke soll den Veranstaltungssaal mit natürlichem Licht versehen. © Foto/Visualisierung: TU Dresden

Durch den Einsatz des neuen Baustoffs könnten gut 50 Prozent weniger Beton verwendet werden als sonst üblich. Möglich macht das die Struktur des Materials. Sein Herzstück sind textile Carbonfasern, die durch ein spezielles Wirk- und Beschichtungsverfahren zu einem Gitter verarbeitet werden. Das ist der Kern der Betonplatte. Anders als Stahl rostet Carbon nicht. Er muss nicht durch dicke Schichten Beton geschützt werden, wie es etwa bei Stahlbeton der Fall ist. Ein halber Zentimeter auf beiden Seiten des Gitters reicht schon. Ergebnis: Nur die Hälfte des Betons wird für die Produktion benötigt. Das macht Carbonbeton auch deutlich leichter.

Das Haus wird aus zwei Teilen bestehen. „Den einen nennen wir die Box“, erklärt Curbach. Der ist würfelartig und entsteht komplett aus Carbonbeton-Serienelementen, die bereits vorher hergestellt werden. „Das wird auch auf der Baustelle für eine Zeitersparnis sorgen.“ Als Dach dienen zwei symmetrisch angeordnete geschwungene Flächen. Twist haben sie die Verantwortlichen getauft. Zwischen beiden Teilen bleibt oben ein Schlitz mit einer Glasfläche, durch den das Haus Tageslicht bekommt. Insgesamt 220 Quadratmeter bietet der fertige Neubau. Laborräume sind vorgesehen und ein Veranstaltungssaal befindet sich dort – auch für Vorträge zum Thema Carbonbeton.

Finanziert wird der Bau durch das Projekt Zwanzig20 des Bundesforschungsministeriums. Dem deutschlandweiten Konsortium „C³ – Carbon Concrete Composite“, das die TU Dresden leitet, stehen im Laufe von insgesamt sieben Jahren 45 Millionen Euro für seine Arbeiten zum Carbonbeton zur Verfügung. Von einem Teil des Geldes wird nun das Gebäude gebaut. Bis Ende November lief die Ausschreibung dafür. Mehrere Firmen haben Angebote eingereicht. Wie viele, das darf nicht genannt werden. „Das Interesse war jedenfalls groß“, sagt Manfred Curbach. Bis Mitte Februar wird nun entschieden, wer mit Carbon als Erster ein Haus bauen darf. Der Freistaat hat die Fläche erst einmal 15 Jahre zur Verfügung gestellt, berichtet Curbach und ist überzeugt: „Das Haus wird länger stehen.“