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Verlagert Accumotive Arbeitsplätze aus Kamenz nach Polen?

Immer wieder gibt es Gerüchte, dass der Batterieproduzent von Mercedes Produktionsanlagen ins Ausland verlagert. Das sagt der Konzern dazu.

Von Reiner Hanke
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Bei der Mercedes-Benz-Tochter Accumotive in Kamenz werden etwa Batteriesysteme für Smart EQ Modelle gebaut. Immer wieder gibt es Gerüchte, dass Teile der Produktion nach Polen verlagert werden.
Bei der Mercedes-Benz-Tochter Accumotive in Kamenz werden etwa Batteriesysteme für Smart EQ Modelle gebaut. Immer wieder gibt es Gerüchte, dass Teile der Produktion nach Polen verlagert werden. © MediaPortal Daimler AG

Kamenz. Auf dem Gelände von Accumotive in Kamenz bewegen Bagger Berge von Erde, Arbeiter wirbeln herum. Sie pflastern Wege, pflanzen Bäume und gestalten Grünanlagen. Es sollen aber nicht nur rund um das Werk, sondern auch im Werk Veränderungen im Gang sein. Das besagen jedenfalls Gerüchte, die derzeit in Kamenz kursieren. Demnach soll die Produktion in Kamenz heruntergefahren worden sein, angeblich wurden Produktionslinien abgebaut und im polnischen Werk wieder aufgebaut.

Nicht zum ersten Mal ranken sich Fragen um die Zukunft des Kamenzer Standortes von Accumotive. Die hundertprozentige Tochter der Mercedes-Benz Group AG stellt Antriebsbatterien für die Elektroflotte des Autokonzerns her. Als einer der größten Arbeitgeber der Region steht das Unternehmen besonders im Fokus der Öffentlichkeit.

Derzeit investiert Accumotive in Kamenz in die Gestaltung der Außenanlagen.
Derzeit investiert Accumotive in Kamenz in die Gestaltung der Außenanlagen. © Matthias Schumann

Ein anonymer Brief an Sächsische.de gibt zusätzlich Zündstoff. Die Verfasser geben sich darin als ehemalige Zeitarbeiter zu erkennen. Sie beklagen den Umgang mit Zeitarbeitern und dass seit über einem Jahr durch das Unternehmen Mitarbeiter entlassen würden, ohne auf ihre Ausbildung, ihre Fachkenntnisse und ihren Arbeitseinsatz zu achten.

Mercedes weist Gerüchte zurück

Mercedes-Sprecherin Madeleine Herdlitschka versichert gegenüber Sächsische.de, der Standort Kamenz werde auch in Zukunft wichtiger Teil im Produktionsverbund von Mercedes Benz bleiben „und weiterhin für die Produktion modernster Antriebsbatterien stehen“. Kamenz sei immerhin das größte europäische Batteriewerk.

Herdlitschka widerspricht den Gerüchten ebenso energisch wie Thomas Brandstetter. Der Accumotive-Geschäftsführer betont: „Die Produktion von leistungsfähigen, hochwertigen Batteriesystemen ist unsere Kernkompetenz hier bei der Accumotive seit nunmehr zehn Jahren, und dafür soll der Standort auch in Zukunft stehen.“

Das Kamenzer Werk werde weiterentwickelt, heißt es aus Stuttgart. Das würden letztlich auch die laufenden Investitionen in die Außenanlagen und für die Infrastruktur belegen. So seien der große Parkplatz zur Nordstraße hin ausgebaut und der Schriftzug Accumotive montiert worden. Ladesäulen sollen am Parkplatz noch hinzukommen. Das alles sei wichtig für die Außendarstellung.

In Kamenz liege der Fokus auf der Produktion von Batteriesystemen für rein elektrische Fahrzeuge der Marke Mercedes-EQ. Die seien ein wichtiger Schritt für die Zukunftssicherung - und würden eben auch Veränderungen wie Umbauten und Modernisierungen der Anlagentechnik bedeuten.

Gewerkschafter spricht von Umstrukturierung

Uwe Garbe, Bevollmächtigter der Gewerkschaft IG Metall in Ostsachsen, schätzt ein, dass es mit der Kommunikation im Konzern und am Standort wohl nicht immer optimal läuft. Und das führe letztlich zu Gerüchten. Denn auch nach seinen Informationen stelle sich das Bild anders dar. Garbe spricht von einem Prozess der Umstrukturierung. Linien würden abgebaut, um Platz für neue zu schaffen. Es gehe um eine neue Generation von Batterien, die in Stuttgart im Testlauf seien.

In Details dieser Prozesse, Technologien und Produktionslinien gebe Mercedes keinen Einblick, heißt es zu solchen Aussagen. Aber die Sprecherin bestätigt, dass sich Kamenz auf die Produktion einer neuen Generation von Batterien vorbereite. Ob damit auch neue Arbeitsplätze entstehen, lässt die Konzernzentrale offen. Dass Linien ins polnische Werk verlagert worden seien, sei nicht bekannt.

Auch noch relativ neu: der große Schriftzug Accumotive zur Nordstraße in Kamenz.
Auch noch relativ neu: der große Schriftzug Accumotive zur Nordstraße in Kamenz. © Matthias Schumann

Ein gewisser Frust bei ehemaligen Zeitarbeitern sei verständlich, heißt es aus dem Konzern. Aber letztlich sei es Sinn der Zeitarbeit, flexibel auf Marktschwankungen reagieren zu können oder einen vorübergehenden Mehrbedarf an Personal sicherzustellen, zum Beispiel als Produktionslinien hochgefahren wurden.

In der Tat seien wohl Leiharbeiter abgemeldet worden, weiß Gewerkschaftschef Uwe Garbe. Es sei auch inzwischen mehr automatisiert worden und die Produktion nicht mehr so arbeitskräfteintensiv.

Derzeit keine Kurzarbeit mehr bei Accumotive

Der Betriebsrat sei seinerseits bestrebt, zumindest einen Teil der Leiharbeit in befristete Stellen umzuwandeln, so Garbe. Es sei wichtig, Ideen zu entwickeln, um eingearbeitete und hochqualifizierte Mitarbeiter zu halten.

Die Gewerkschaft drängt auch auf Konzepte, um die Kamenzer Arbeitsplätze noch zukunftssicherer zu machen, und schlägt vor, das Batterierecycling beziehungsweise die Ersatzteilproduktion noch stärker in den Fokus zu nehmen.

Unterdessen sind auch die weltweiten Lieferengpässe bei bestimmten Halbleiter-Komponenten noch nicht ausgestanden. Kurzarbeit spiele derzeit aber keine Rolle mehr, heißt es aus dem Konzern. Allerdings schaue man aufgrund der wechselhaften Weltlage bei den Lieferketten täglich nach der aktuellen Situation. Der Großteil der weltweiten Mercedes-Benz-Werke laufe aber nahezu uneingeschränkt, Kamenz inklusive.

Bis zum Ende des Jahrzehnts soll die Marke mit dem Stern bereit sein, vollelektrisch zu werden – überall dort, wo es die Marktbedingungen zulassen würden. Accumotive nehme dabei eine wichtige Rolle in der Elektrostrategie des Konzerns ein, heißt es aus der Stuttgarter Zentrale.