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Die "Goldene Kamenzer" geht nach Dresden

Die Teilnehmer aus dem Ruhrpott, Berlin und Sachsen geben beim 5. Poetry Slam alles und beweisen viel Komik. Am Ende entscheidet das Publikum mit Applaus.

Von Ina Förster
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Die Poetry Slamer Samson aus Berlin, Olli Schumann aus Dresden und Jan Schmidt aus Bochum (v.l.) folgten der Einladung von Moderatorin und Texterin Kaddi Cutz (r.) nach Kamenz. Die "Goldene Kamenzer" ging diesmal an die gebürtige Kasachin Olli Schumann.
Die Poetry Slamer Samson aus Berlin, Olli Schumann aus Dresden und Jan Schmidt aus Bochum (v.l.) folgten der Einladung von Moderatorin und Texterin Kaddi Cutz (r.) nach Kamenz. Die "Goldene Kamenzer" ging diesmal an die gebürtige Kasachin Olli Schumann. © Ina Förster

Kamenz. Die Entscheidung fiel diesmal schwer. Schwerer noch als sonst, meinen viele am Ende des Abends. Doch auch der fünfte Poetry Slam in Kamenz braucht einen Sieger. Oder eine Siegerin. Die angereisten Poeten aus dem Ruhrpott, Berlin und dem nahen Dresden wissen das. Es ist ihr Job. Ihre Leidenschaft. Und sie liefern sich wie immer ein hartes, aber faires Wortgefecht.

Die Kamenzer Stadtwerkstatt hatte eingeladen, die Tickets für den 5. Poetry Slam waren innerhalb eines Tages ausverkauft. Wo gibt's das noch heutzutage? Moderatorin Kaddi Cutz, die einige eigene Formate in Dresden und Wettbewerbe überregional fährt, weiß das zu schätzen. Ein bisschen scheint es mittlerweile wie Heimkommen. Oder zumindest wie ein angenehmes Zurück-Beamen in die grauen, gemütlichen Polsterstühle der Bibliothek. Schon ein paar Mal hat sie hier gesessen. Aber auch zuvor auf durchaus härteren Exemplaren.

Kaddi Cutz wie immer begeistert von Kamenz

Seit der ersten Ausgabe in der Stadtwerkstatt ist die schlagfertige, wortgewandte Dresdnerin mit am Start. Und das launige Publikum hier liefert wie immer ab: Applaus, Herzlichkeit, Nähe. Mit all dem hat die Moderatorin die Poetry Slamer auch diesmal aus ganz Deutschland gelockt. Dass das kleine Kamenz so ein Potenzial hat, hat sich herum gesprochen. Dass hier eine besondere Trophäe als Preis lockt, auch.

Die "Goldene Kamenzer", eine handgedrechselte Wurst auf Ständer, mutet für einen Außenstehenden vielleicht merkwürdig an. Wer sie mit nach Hause nehmen kann, trägt sie allerdings meistens stolz davon.

Drei Stücke aus eigener Feder

An diesem Abend ist das nicht anders. Vorweggenommen: Olli Schumann aus Dresden bekommt kurz vor 22 Uhr das seltene Machwerk in die Hände gedrückt. Dafür muss sie abliefern. Text um Text. Genau genommen drei Stück aus ihrer Feder. Ihre Mitkonkurrenten Jan Schmidt aus Bochum und der Poetry Slamer Samson aus Berlin tun es ihr gleich. Letzterer ist kurzfristig eingesprungen für einen Kollegen.

Die drei Protagonisten liefern sich ein urkomisches Wortgefecht, das an diesem Dienstagabend erfrischend daher kommt. "Herrlich, dass man mal abschalten kann, die Mischung hat es gemacht. Man will auch mal lachen, nicht immer nur über die angespannte, aktuelle Lage nachdenken müssen", sagt Astrid Zemlin. Zum wiederholten Mal ist die Kamenzerin zu Gast, hat schon einige Poeten erlebt. Auch die ruhigen, melancholischen Töne mag sie. Doch dieses Trio mit schwarzem Humor begeistert sie.

Josephine Förster und Liana Stötzer, zwei junge Kamenzerinnen, die sich trauen, eigene Texte vorzutragen, sind an diesem Abend für die leisen Zwischentöne zuständig. Sie laufen außer Wertung, ernten aber viel Applaus.

Liana Stötzer und Josephine Förster (v.l.), zwei junge Kamenzerinnen, die sich trauen, eigene Texte vorzutragen, sind an diesem Abend für die leisen Zwischentöne zuständig. Sie laufen außer Wertung, ernten aber viel Applaus. Die erfahrenen Poetry Slamer S
Liana Stötzer und Josephine Förster (v.l.), zwei junge Kamenzerinnen, die sich trauen, eigene Texte vorzutragen, sind an diesem Abend für die leisen Zwischentöne zuständig. Sie laufen außer Wertung, ernten aber viel Applaus. Die erfahrenen Poetry Slamer S © Ina Förster / Frei für DDV Media

Dabei wird hier natürlich nicht geblödelt, sondern kluge Comedy angeboten. Gesellschaftskritisch. Mit dem Finger in so mancher Wunde. Und jeder setzt dabei Stärken ein. Jan Schmidt aus Bochum liest mit Körpereinsatz. Mal liegt er am Boden, mal hüpft er. Fast kann man die unartigen Kinder aus dem Kindergarten gegenüber bildlich vor sich sehen, wie sie ihm täglich in den Alltag "hineinplärren".

Samson aus Berlin hat sein Buch "In diesem Buch kommt mein Mitbewohner Heiner vor" dabei. Köstlich anzuhören, wie die beiden durch ihr skurriles Leben taumeln. Jeder im Raum mag Kumpel Heiner, den Loser und Spezi, am Ende dieses Abends. Samson ist seit 2015 auf Berliner Bühnen zuhause und hat auch einen bürgerlichen Namen. Den interessiert hier aber niemanden.

Auswertung nach dem Auftritt. Zum wiederholten Mal fand der Poetry Slam in der neuen Lesung-Bibliothek Kamenz statt.
Auswertung nach dem Auftritt. Zum wiederholten Mal fand der Poetry Slam in der neuen Lesung-Bibliothek Kamenz statt. © Ina Förster / Frei für DDV Media

Und Olli Schumann, bei deren Ankündigung man mit einem jungen Mann gerechnet hat? Die kokettiert mit ihrer Herkunft aus Kasachstan, den Erinnerungen an den Neustart als Kind in Deutschland, mit ihrer Größe, mit der sie nicht einmal an den Philadelphia-Frischkäse im Supermarkt herankommt.

Und sie liefert eine zauberhafte Liebeserklärung an ihren Ehemann, welche wahrscheinlich die Hälfte der Frauen unterschreiben könnten. Die zierliche Zweifachmutter aus Dresden nimmt das Publikum ein mit ihrer trockenen Art und Selbstironie. Der Applaus für sie am Ende ist vielleicht etwas kräftiger als für ihre Kollegen. Die tragen es mit Fassung und freuen sich über die Geschenke der Stadtwerkstatt. Und den genialen Abend.

Im Frühjahr 2024 soll Poetry Slam Nummer 6 starten. "Warum auch nicht mal Open Air", meint Kaddi Cutz. Ideen hat sie viele, auch neue Formate im Kopf für Dresden. Und die "Goldene Kamenzer" ist ein Garant fürs Weitermachen.