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Warum Klinikmitarbeiter von Plakaten lächeln

Im Kamenzer Krankenhauses herrscht Personalmangel. Dagegen unternimmt das Team jetzt etwas - mit einer ungewöhnlichen Aktion.

Von Reiner Hanke
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Personalmangel macht erfinderisch: Das Kamenzer Krankenhaus hat jetzt eine Plakataktion gestartet. Dabei zeigen Mitarbeiter Gesicht. Stationsärztin Vera Kashirova und Dr. Rüdiger Soukup, Chefarzt der Inneren Medizin, zeigen die Probedrucke.
Personalmangel macht erfinderisch: Das Kamenzer Krankenhaus hat jetzt eine Plakataktion gestartet. Dabei zeigen Mitarbeiter Gesicht. Stationsärztin Vera Kashirova und Dr. Rüdiger Soukup, Chefarzt der Inneren Medizin, zeigen die Probedrucke. © René Plaul

Kamenz. Diese Plakate in der Region Kamenz sind nicht zu übersehen. Knalliges Rot ist die dominierende Farbe. Die freundlichen Gesichter auf den Postern läuten aber nicht den nächsten Wahlkampf ein. Am Stethoskop zum Beispiel ist es deutlich zu sehen, es ist medizinisches Personal. Die Frauen und Männer auf den Postern machen auf die Personalnot in den Kliniken aufmerksam. Hier konkret für das Malteser Krankenhaus St. Johannes in Kamenz.

Für die Aktion wurde keine Model-Agentur gebucht. Nur bei der Gestaltung hätten sich die Malteser Hilfe von Fachleuten geholt, so Krankenhaussprecherin Stephanie Hänsch. Die Akteure aber sind die echten Ärzte, Arztinnen, Pfleger, Krankenschwestern. So ist auch der Chefarzt der Inneren Medizin in Kamenz, Dr. Rüdiger Soukup, zu sehen.

Auch Auszubildende sind dringend gesucht

"Wir haben das gesamte Spektrum abgebildet", erklärt Stephanie Hänsch. Das wird auch gebraucht. Antje Möbius ist Pflegedienstleiterin im Kamenzer Krankenhaus St. Johannes: „Wir suchen insbesondere Pflegekräfte für die Innere Medizin und Geriatrie, aber auch in der Chirurgie.“ Im Grunde gebe es in allen Bereichen Bedarf. Alter und Berufserfahrung spielten dabei keine Rolle. Personal mit frischen Ideen sei gefragt. Auch Azubis sind dringend gesucht.

Außerdem ist das Krankenhaus zugleich Ausbildungsstätte für Ärzte, erklärt Chefarzt Dr. Soukup. Er nennt die Vorteile eines Hauses der Grundversorgung gegenüber Spezialkliniken. Es sei die große Vielfalt der Krankheitsbilder die behandelt werde, die einem Arzt auch in der Praxis begegnen – von der Blutung bis zum Schlaganfall.

Die Idee für die Aktion sei spontan aus dem Krankenhaus selbst gekommen. Warum nicht mal mit Plakaten am Straßenrand werben, fragte man sich. Zeitgleich läuft die Aktion auch im Görlitzer Malteser Krankenhaus St. Carolus. In beiden Kliniken sind derzeit insgesamt über 20 Stellen zu besetzen.

Geriatrie startet zum zweiten Mal

Ein Hintergrund für die Aktion sei insbesondere auch der Personalbedarf für die neue Geriatrie gewesen, der Abteilung für Altersmedizin. Die war eigentlich schon vor einem Jahr gestartet; dann aber wegen der Corona-Pandemie mit steigenden Infektionszahlen im Frühjahr mit dem ersten Lockdown in eine Zwangspause gegangen. Teile des Personal sind inzwischen in anderen Bereichen eingesetzt.

Es wäre unmöglich gewesen, bei steigenden Corona-Patientenzahlen, gerade alte Menschen auf die neue Station zu holen. Auch bei höchsten hygienischen Standards bleibe ein Restrisiko. Das sei im isolierten häuslichen Umfeld letztlich geringer, sagen die Mediziner.

Mehr Schreibarbeit in der Pflege

Ende Februar komme nun der Neustart. „In Sachsen gibt es noch viel Nachholbedarf in der Geriatrie“, schätzt Klinik-Geschäftsführer Sven Heise ein. „So haben wir viele Anfragen.“ Die Geriatrie komme in der Regel nach einer Operation ins Spiel, nach einem Oberschenkelhalsbruch zum Beispiel. Mit der OP ist es bei einem älteren Menschen nicht getan. Gerade der brauche ein Rundum-Paket in der Nachsorge. Das ist personalintensiv - von Ärzten über Physio- und Ergotherapeuten bis zur Pflege und dem Sozialdienst. Auf bis zu 26 Betten ist die Station ausgelegt.

Die Malteser-Kliniken rechnen auch noch mit steigendem Personalbedarf, weil zusätzliche Aufgaben in der Pflege erwartet werden. So steige der Aufwand für die Dokumentation der Pflegemaßnahmen weiter, schätzt Geschäftsführer Sven Heise ein. Das brauche Zeit, die nicht mehr für den Patienten zu Verfügung stehe, also wieder mehr Personal. „Komm in unser Team“, heißt deshalb der Slogan.

Team rückt in der Pandemie noch enger zusammen

Stationsärztin Vera Kashirova ist vor einem reichlichen Jahr mit ihrem Ehemann nach Kamenz gekommen und hat es nicht bereut: „Das Team ist einfach perfekt", sagt sie. Und es sei hier ruhiger als in der Großstadt, was sie zu schätzen wisse.

Die Kamenzer Klinik ist eine relativ klein. Von fast schon familiärer Atmosphäre sprechen Mitarbeiter und von respektvollem Umgang. In dieser Zeit der Pandemie sei das Team noch enger zusammengerückt, um die große Zahl der Patienten versorgen zu können. Das sei für ihn eine gute Erfahrung gewesen, sagt Chefarzt Dr. Soukup.

Für die Plakataktion sind sechs Motive entstanden und insgesamt 600 Poster. 300 davon werden in diesen Tagen an Straßen in und um Kamenz die Blicke auf sich ziehen, um vor allem Menschen aus der Region anzusprechen. Für die Patienten hier ist die Klinik ja auch da.

Die Krankenhäuser brauchten über das eigene Engagement hinaus natürlich auch „eine sichere finanzielle Absicherung und eine klare Perspektive, denn damit einher geht die Möglichkeit genügend Fachpersonal einzustellen“, wendet sich Sven Heise an die große Politik. Um zum Beispiel den Pflegeberuf als sicheren Job attraktiv zu machen. Damit das Personal in der Zukunft nicht mehr mit Plakataktionen gesucht werden muss.

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