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Klassentreffen nach 70 Jahren: Alte Kamenzer suchen Zeitdokumente

1954 eingeschult, 1964 entlassen - ehemalige Kamenzer Schüler organisieren für 2024 ein großes Klassentreffen. Was geplant ist und was dafür noch gebraucht wird.

Von Torsten Hilscher
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Peter Fähndrich (l.), Eva-Maria Hürrig und Peter Nakonz vor ihrer alten Kamenzer Schule. Sie organisieren für 2024 ein Klassentreffen - 70 Jahre nach der Einschulung.
Peter Fähndrich (l.), Eva-Maria Hürrig und Peter Nakonz vor ihrer alten Kamenzer Schule. Sie organisieren für 2024 ein Klassentreffen - 70 Jahre nach der Einschulung. © Matthias Schumann

Kamenz. "Weißt du noch?!" Eva-Maria Hürrig, Peter Nakonz sowie Peter Fähndrich sind über alte Fotos gebeugt. Die Schwarz-Weiß-Bilder zeigen sie inmitten ihrer Klassenkameraden und -kameradinnen der 1. Oberschule in Kamenz: einmal vor fast 70 Jahren bei der Einschulung, einmal vor fast 60 Jahren in der 10. Klasse.

Die beiden Jubiläen sollen vom 7. bis zum 9. Juni 2024 gefeiert werden. Noch ist das Orga-Trio mit der Suche nach einer geeigneten Lokalität befasst, auch die Übernachtungsmöglichkeiten braucht es. Ist doch die alte Klasse inzwischen in alle Winde verstreut. Hürrig (geborene Adolf) zum Beispiel lebt in Königsbrück. Die beiden Männer, "Peter der Große" und "Peter der Kleine", haben sich vor Jahrzehnten in Dresden niedergelassen. Sie alle sind Jahrgang 1946, 1947 oder 1948. 36 von einst 40 1964er-Absolventen leben noch, zwei waren bereits in der 8. Klasse abgegangen.

Bei früheren Treffen ließen es Ehemalige richtig krachen

So viel steht für "die drei tollen Tage" im kommenden Jahr bereits fest: Es wird einen Empfang bei Oberbürgermeister Roland Dantz (parteilos) im Rathaus geben. Danach geht es ins Museum der Westlausitz, später ins Kloster nach Panschwitz-Kuckau. Bei früheren Klassentreffen waren die Ehemaligen wahlweise in den damals noch existierenden "Stern" am Markt, gegenüber in den "Hirsch" oder auch in den Pub "eingeritten". Fotos davon - nun in Farbe - belegen, dass die so brav wirkenden Schüler von einst es gut krachen lassen können.

Daher gab es für 2024 auch Pläne zum Besuch bei der Firma Jägermeister in Bernbruch. Hintergrund: Der frühere Firmenchef Günter Mast (1927-2011) persönlich hatte Nakonz' Tochter eine Ausbildung im Hotel Weißer Hirsch ermöglicht, das in den frühen 1990ern von der Firma erworben worden war. "Doch in den Zeiten von Corona hat Jägermeister sein Besuchskonzept geändert, es wird also nichts mit der Visite", sagt Nakonz.

Ein jeder hat bewegende Lebensgeschichten

Neben all der Feierei gibt es bewegende Geschichten zu erzählen. Eva-Maria Hürrig zum Beispiel hat einen Fundus von Geschichten aus ihrer Zeit als Säuglings- und Kinderkrankenschwester. "Mein Traumberuf", wie sie noch heute sagt.

Fähndrich wiederum machte mit der Schule weiter. Nach dem Abitur und einer Lehre zum Betonbauer studierte er an der TU Dresden. Das Diplom in der Tasche, ging er als Bauingenieur zur Nationalen Volksarmee der DDR (NVA), später übernahm ihn die Bundeswehr. Eine seiner letzten Stationen war hier das Kreiswehrersatzamt in Dresden.

Auch sein Namensvetter landete im Wortsinn bei der NVA: Nach einer Lehre als Schweißer im Kombinat Schwarze Pumpe wurde Nakonz Flieger. Er durchlief die klassische Kampfpiloten-Ausbildung in Kamenz und flog mehrere MiG-Typen, darunter auch die legendäre MiG-21. Ein Thema übrigens, mit dem er später trefflich mit Jägermeister-Chef Mast fachsimpeln konnte - der war im Zweiten Weltkrieg einen der ersten serienmäßigen Düsenjäger der Welt geflogen. Nach seiner fliegerischen Laufbahn war Nakonz bis 1989 in Bautzen als Fluglehrer tätig.

Das Schicksal des ehemaligen Fliegerpiloten

Wende und Auflösung der NVA überstand er weniger gut als sein Klassenkamerad, mit dem er einst eine Schulbank drückte. Statt Übernahme in die Bundeswehr folgten Jahre auf dem Bau. Dann eine Zeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am ehemaligen Armee-Museum, dem heutigen Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden. Dann die Diagnose Krebs, wahrscheinlich "Fliegerkrebs". Ausgelöst von starken Strahlungen, denen die Piloten ausgesetzt waren. Im Gegensatz zu anderen Militärfliegern der damaligen Zeit schaffte es Nakonz, auch dank einer neuartigen Therapie am Universitätsklinikum Dresden.

Schwer gezeichnet, aber mit eiserner Disziplin hat sich der ehemalige Flieger ins Leben zurück gekämpft. Denn er will die beiden so wichtigen Klassenjubiläen unbedingt erleben. Gemeinsam mit seinen ehemaligen Mitschülern durchstreifte er jüngst das Kamenzer Stadtarchiv nach alten Dokumenten. Neben einer Dokumentation über die gesamte Klasse von damals suchten sie vor allem nach Bildern der Lehrer.

Die Jungsklasse von 1954.
Die Jungsklasse von 1954. © Repro: Matthias Schumann

"Doch da haben wir leider gar nicht so viel gefunden", berichtet Nakonz. "Daher würden wir uns freuen, wenn die Kamenzer in ihren privaten Alben nachschauen." Bekannt ist unter anderen ein Lehrer, der wegen einer Kriegsverletzung den Nasenstummel mit einer Prothese kaschiert hielt. Gefragt seien auch die ehemaligen und noch praktizierenden Kamenzer Fotografenfamilien. Aus ihren Ateliers heraus waren die meisten privaten Bilder der Forstfest-Umzüge gekommen, bei denen den einzelnen Klassen bekanntermaßen die Lehrer voran gingen.

Ebenfalls gesucht werden noch Mitschüler. Denn DIE eine Klasse gab es zunächst gar nicht. Bei der Einschulung 1954 waren Mädchen und Jungen noch getrennt, gingen jeweils in die Grundschule A und B. Erst fünf Jahre später erfolgte die Zusammenlegung zu einer gemischten Klasse, zu der drei Jahre später auch Kinder aus den umliegenden Gemeinden stießen.