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Nebelschütz bekommt ein internationales Kulturcafé

In Nebelschütz etabliert sich ein Café für Groß und Klein mit internationalen Freizeitgeboten. Partner sind unter anderem das Staatsschauspiel Dresden und Menschen aus dem Benin.

Von Torsten Hilscher
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Die Macherinnen des neuen "Kulturcafés" in Nebelschütz: Marlies Richter (r.) und Charlotte Zschornak.
Die Macherinnen des neuen "Kulturcafés" in Nebelschütz: Marlies Richter (r.) und Charlotte Zschornak. © Matthias Schumann

Nebelschütz. Der erste große Party im neuesten Café in der Region Kamenz ist ganz dem Grusel gewidmet: "Wir laden für den 4. November zu einem großen Halloween-Fest ein", sagt Marlies Richter. Beginn ist 15 Uhr. "Wir", das ist ihr afrikanischer Verein "Sowutu", mit dem sie im Gebäude der Gemeindeverwaltung Nebelschütz das "Kulturcafé" betreibt.

Afrika und Nebelschütz und Halloween? Wie passt denn das zusammen? Es passt. Aber der Reihe nach. Am 11. Dezember 2019 schlossen die Gemeinde Nebelschütz und die im Benin gelegene Stadt Ouidah eine Städtepartnerschaft. Der Austausch von Schülergruppen wurde vereinbart, ebenso der gegenseitige Besuch von Entscheidern aus Wirtschaft und Politik.

Ein Partner ist das Gymnasium Bischofswerda

Der Verein "Sowutu" wiederum wurde Anfang August 2021 gegründet. "Sowutu" heißt in der Sprache des Benin "Zukunft gestalten". Auch er hat sich dem Miteinander und gegenseitigen Kennenlernen verschrieben, auch er bringt die Menschen aus der Oberlausitz und dem Benin zusammen. Weitere Partner sind das Staatschauspiel Dresden und das Gymnasium Bischofwerda, ebenso der Bonner Verein "Engagement global".

Doch es blieb nicht nur bei Vereinsgründungen oder langen Absichtserklärungen. Noch bevor Corona alles lahmlegte, machten sich Lausitzer auf in den Benin nach Afrika. Sie lernten das Leben vor Ort kennen, allen voran das schwere, durch Europa verursachte koloniale Erbe. Denn Ouidah war mit seinem Hafen einst die Hochburg des Sklavenhandels. Von hier aus wurden Hunderttausende Afrikaner meist in die Neue Welt ins junge Amerika verschifft; nicht alle überlebten die Torturen der wochenlangen Überfahrten.

"Feuer aus Mangrovenholz, das hat uns nicht gefallen"

Zugleich lernten Marlies Richter und ihre Begleiter aus Deutschland das Leben der Menschen heute dort kennen. Zum Beispiel die Salzgewinnung aus Meerwasser. "Das Sieden nehmen Frauen mit großen Stahlschüsseln vor. Beheizt wird die Feuerstelle mit Mangrovenholz", so Richter, um eine Formulierung nachzuschicken, die nicht nur sehr deutsch klingt, sondern auch als kulturell übergriffig empfunden werden könnte: "Das hat uns gar nicht gefallen." Folgt man weiter ihren Ausführungen, legte sie den Salzsiederinnen nahe, doch lieber Abfälle wie die Überreste von Fischen zum Feuermachen zu nehmen, Biomüll also.

Die Bevormundung hat die noch junge partnerschaftliche Verbindung offensichtlich überstanden. Denn bereits im September 2022 trafen sich erneut Delegationen beider Länder, diesmal in Deutschland, darunter die Macher aus Nebelschütz. Die "5. Partnerschaftskonferenz zwischen deutschen und afrikanischen Kommunen" fand in Dresden statt. Anschließend besuchten die Gäste aus dem Benin drei Tage lang Nebelschütz und Umgebung.

Kooperation mit dem Staatsschauspiel Dresden

Kaum mehr als ein Jahr später, am 21. Oktober 2023, wurde nun gemeinsam das "Kulturcafé Nebelschütz" aus der Taufe gehoben. Als Gast trat unter anderen ein Trommler aus dem Benin auf. Projektleiterin ist Charlotte Zschornak, die auch die Zusammenarbeit mit dem Staatsschauspiel Dresden koordiniert. Hat doch das neue Lausitzer Café noch einen anderen patenschaftlichen Hintergrund: Es entstand als Teil der sogenannten X-Dörfer-Kampagne. Damit soll Kultur aufs Land geholt werden.

Nicht irgendwas. Marlies Richter wünscht sich für ihr "Kulturcafé" anspruchsvolle Veranstaltungen. Die Betonung liegt auf "internationalen Angeboten". Damit Leute, die allein oder älter sind, "hinterm Ofen" hervorgeholt werden, gerade in Zeiten spärlich getakteter Busverbindungen zur Kultur in den Mittelzentren oder Metropolen.

Zurück zur Halloween-Party am 4. November: Alle Gäste, egal ob Groß oder Klein, können eigene Geschichten mitbringen. Einzige Bedingung: Sie müssen gruselig sein! Schließlich wird das Gruselfest von einem Schreib- und Lesewettbewerb begleitet, für den ebenfalls gleich am Sonnabend die Auswertung erfolgt. Doch damit soll's das noch lange nicht gewesen sein. Die "Kulturcafé"-Macher planen ein Buchkompendium aus den Geschichten.

Damit es weitergeht im "Kulturcafé", werden laut Zschornak und Richter noch Ideen und Wünsche gesucht. Ein erster Plan ist zum Beispiel, dass die Kamenzer Kinder-Uni aus der dortigen Lessing-Stadtbibliothek nach Nebelschütz kommt. Fest steht, dass das "Kulturcafé" an jedem 1. und 3. Sonnabend in Nebelschütz öffnet. Zunächst bis Juni 2024. Dann wird man sehen - ob das Angebot angenommen wurde, aber auch wie das Projekt X-Dörfer weiterlebt. So oder so weiterbestehen soll die Partnerschaft zu den Menschen in der afrikanischen Gemeinde Ouidah mit einer Kultur, die so anders ist.