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Wohin mit dem Stadtarchiv Kamenz?

Im Rathaus platzt das Kamenzer Stadtarchiv aus allen Nähten. Für eine neue Unterbringung prüft die Stadt jetzt verschiedene Möglichkeiten.

Von Torsten Hilscher
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Braucht dringend mehr Platz für seine Bestände: der Kamenz Stadtarchivar Thomas Binder.
Braucht dringend mehr Platz für seine Bestände: der Kamenz Stadtarchivar Thomas Binder. © Matthias Schumann

Kamenz. Thomas Binder, der Stadtarchivar von Kamenz, hat in diesen Tagen mehr als gut zu tun: Der Nachlass der alteingesessenen Fotografenfamilie Steinborn ist zu verschlagworten, die erste Kamenzer Zeitung ("Kamenzer Wochenschrift") von 1822 bis 1875 muss erschlossen werden - und dann steht auch noch das Stadtjubiläum "800 Jahre Kamenz" bevor. Doch eine Generalaufgabe hält Binder über das Tagesgeschäft hinaus auf Trab: Wohin bloß mit all den Dokumenten, die zum Stadtgeschehen aus der Verwaltung, der Presse, von Vereinen und Kirchen so anfallen?

"Das Problem ist lange bekannt", räumt denn auch Oberbürgermeister Roland Dantz (parteilos) ein. "Es gab bereits vor vielen Jahren in Etappen Untersuchungen, unter anderen durch Architekt Peter Kulka. Durch diese Untersuchungen haben wir erste Vorstellungen bekommen, aber im Ergebnis der Finanzkrise war das in keiner Weise darstellbar." Später dann hätten der Anbau am Lessing-Gymnasium samt moderner Stadtbibliothek, aktuell das geplante Kombibad oder auch die nun unmittelbar bevorstehende Sanierung des Lessing-Museums Vorrang gehabt.

Kamenz untersucht mehrere Möglichkeiten fürs Archiv

Doch nun drängt die Zeit, das Archiv platzt aus allen Nähten. An seinem jetzigen Standort in einer Erdgeschoss-Ecke des Rathauses ist es nicht erweiterbar. Zumal Binder und Dantz zufolge die Verwaltungsregistratur mit dem Archiv wieder zusammengelegt werden soll. "Doch allein die Registratur braucht wohl den jetzigen Platz des Archivs", so Dantz, der als gelernter Bauingenieur räumliche Bedarfe auch aus diesem Blickwinkel einzuschätzen vermag, wie er betont.

Die Stadt will darum mehrere Möglichkeiten untersuchen. Darunter die Anmietung externer Standorte. Bereits jetzt sind Bestände ausgelagert, darunter in einer angekauften Immobilie am Bönischplatz oder im Keller der Stadtinformation. Auch einen Neubau will Dantz nach Auswertung der Untersuchungen nicht ausschließen.

Denkbar ist seinen Angaben zufolge eine stadteigene Fläche ebenfalls am Bönischplatz, auf dem sich jetzt ein Parkplatz befindet. Ins Auge könnten jedoch auch Flächen städtischer Töchter gefasst werden. Selbst diese verwegene Vision gibt es: Sollte einmal das Museum der Westlausitz ausziehen, dann wäre das Ponickauhaus, wo es sitzt, denkbar. Zumindest einen Namen hat der OB bereits: "Stadtarchiv 2030". Momentan ist das allerdings eher eine Marschrichtung.

Könnte das Archiv ins Feuerhaus ziehen?

Archivar Binder hätte natürlich gegen einen Neubau mit allen Schikanen wenig einzuwenden, mag aber die Altstadt nicht aus dem Auge verlieren. Dort wiederum solle am besten der Bestand genutzt werden. Ihm und Dantz zufolge könnte das zum Beispiel das sogenannte Feuerhaus sein. Das Gebäude in einer Seitengasse des Marktes ist nicht nur eines der ältesten Wohnhäuser der Stadt, es hat gleich mehrere Vorteile: "Es ist ein historisches Einzeldenkmal, es steht leer. Darüber hinaus könnten wir das Nachbargebäude kriegen, um es mit einzubeziehen", sagt Dantz.

Zieht das Kamenzer Stadtarchiv in dieses Gebäude in einer Seitengasse des Marktes, das Feuerhaus genannt wird? Die Stadt prüft diese und weitere Möglichkeiten.
Zieht das Kamenzer Stadtarchiv in dieses Gebäude in einer Seitengasse des Marktes, das Feuerhaus genannt wird? Die Stadt prüft diese und weitere Möglichkeiten. © Matthias Schumann

Allerdings müssten für das sehr marode Feuerhaus an die 2,5 Millionen Euro in die Hand genommen werden, wenn nicht gar mehr. Darüber hinaus gebe es dort keine Anbaumöglichkeiten. Da aber dieser Komplex ebenfalls irgendwann einmal mit Archivgut befüllt sein wird, müssten auch andere leer stehende Immobilien ins Auge gefasst werden. Binder und Dantz denken zum Beispiel ans ehemalige Gebäude des Amtsgerichts. Doch weil der Eigentümer die umliegenden Flächen bereits für Eigenheimbauten vorbereitet hat, gäbe es auch hier keine Erweiterungsmöglichkeiten für ein Archiv.

Älteste Urkunde im Stadtarchiv stammt von 1323

Es sind solche Momente, in denen Dantz mit der bisherigen Gepflogenheit hadert, leer stehende Immobilien nicht anzukaufen, und sei es nur auf Vorrat. Denn die nun dringend notwendige Anmietung zusätzlicher Flächen könne nur "ein Zwischenschritt" sein.

Die Geschichte des Stadtarchivs selbst ist schon ein Buch wert: Obwohl Kamenz 2025 seine 800-jährige Ersterwähnung feiert, kommt die Funktion des Stadtarchivars erst auf die Bestandsdauer von kaum 60 Jahren. So existiert die jetzige fest besetzte Stelle seit 1990. Vorher gab es einen hauptamtlich bestellten Archivar nur zwischen 1900 und 1925. Alle anderen, meist Lehrer, wirkten neben- oder ehrenamtlich.

Die Jahrhunderte davor gab es "nur" eine Art Ablage, wenn auch sicher und professionell geführt, wie die Bestände zeigen. So waren die schriftlichen Schätze einst in der Silberkammer des Rates, also im Tresor der Stadt, untergebracht. Die älteste aufbewahrte Urkunde ist übrigens - nicht zu verwechseln mit der Ersterwähnung, die anderswo liegt - eine aus dem Jahr 1323.

Sie ist noch bis zum 28. Januar 2024 in den Räumen der Stadtinformation am Schulplatz zu sehen. Unter dem Titel "700 Jahre Schriftlichkeit im Stadtarchiv Kamenz" zeigt Binder dort neben diesem Oldie Kostbarkeiten aus besagten sieben Jahrhunderten, darunter ein Dokument zu Bauernprotesten aus den Jahren 1747 bis 1749.