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Dienstälteste Bürgermeisterin im Kreis Bautzen hört auf

Margit Boden aus Haselbachtal war 34 Jahre im Amt. Jetzt gibt sie es auf – und kann doch nicht ganz loslassen.

Von Heike Garten
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Der Bischheimer Park ist einer der Lieblingsplätze von Margit Boden, die 34 Jahre Bürgermeisterin war. Ihn wird sie wohl auch in ihrem Ruhestand das ein oder andere Mal aufsuchen.
Der Bischheimer Park ist einer der Lieblingsplätze von Margit Boden, die 34 Jahre Bürgermeisterin war. Ihn wird sie wohl auch in ihrem Ruhestand das ein oder andere Mal aufsuchen. © Matthias Schumann

Haselbachtal. Sie ist nicht auf den Mund gefallen und hält mir ihrer Meinung nicht hinter den Berg. Margit Boden ist für klare Worte und Offenheit. So kennen sie viele Menschen im Haselbachtal und der Region um Kamenz und Pulsnitz. Die 63-Jährige ist eine der dienstältesten Bürgermeisterinnen. Seit 34 Jahren hat sie dieses Amt inne und lenkt damit die Geschicke von Haselbachtal. Im Landkreis Bautzen gibt es nur noch einen Bürgermeister, der länger im Amt ist: Franz Brußk aus Räckelwitz seit 1986. Auch er hört in diesem Jahr auf.

Zur Wahl im März trat Margit Boden nicht mehr an, ab 1. Mai ist nun Tobias Liebschner Bürgermeister der knapp 4.000 Einwohner zählenden Gemeinde. „Ich will ja nicht im Amtssessel auf den Friedhof getragen werden“, begründet Margit Boden den Schritt ironisch.

Seit 1988 – also noch zu DDR-Zeiten – ist Margit Boden Bürgermeisterin. Zuvor arbeitete sie im Wärmegerätewerk und bei Bandtex. „Das hat mir nicht gefallen. Ich wollte organisieren und gestalten“, sagt sie. Bereits zu diesem Zeitpunkt war sie Gemeinderätin in Reichenbach, und als ein Nachfolger für den Bürgermeisterposten gesucht wurde, hat man sie gefragt.

Zuerst hatte sie dieses Amt für Reichenbach inne, nach dem Zusammenschluss auch für Reichenau und später, als Bischheim, Häslich, Gersdorf und Möhrsdorf sich mit den beiden anderen vereinten, für die Gemeinde Haselbachtal.

Plötzlich 800.000 D-Mark in der Hand

In den 34 Jahren ihrer Amtszeit haben viele Veränderungen die Gemeinde geprägt. „Die Wende war eine einschneidende Sache und eine verrückte Zeit“, blickt Margit Boden zurück. Es gab so viele Möglichkeiten, Neues zu gestalten. „Und auch der Bürokratismus war nicht so stark ausgeprägt wie heute“, sagt die Bürgermeisterin.

Sie kann sich zum Beispiel noch erinnern, wie sie für eine Baumaßnahme plötzlich einen Scheck über 800.000 DM in der Hand hielt und dieses Geld dann ausgeben konnte – ohne große Beantragungsverfahren oder Nachweise. „Am Anfang konnte man noch viel bewegen“, sagt sie. Für einen Förderantrag genügte ein Blatt Papier.

Bis zum Schluss war Margit Boden mit Engagement und Elan bei der Sache. „Mein Anspruch war es, überall mit hinzugehen, sei es zu Vereinen, Geburtstagen und den unzähligen Beratungen. Es gab Wochen, da hatte ich jeden Abend einen Termin und am Wochenende auch“, sagt sie. Es hat sie nie gestört, in der Öffentlichkeit zu stehen, auch wenn man manchmal beschimpft worden sei.

Als Mitglied des Heimatvereines Haselbachtal war Margit Boden 2006 beim Königsbrücker Landeserntedankfest dabei - in einer Aufmachung von Bauern aus früherer Zeit.
Als Mitglied des Heimatvereines Haselbachtal war Margit Boden 2006 beim Königsbrücker Landeserntedankfest dabei - in einer Aufmachung von Bauern aus früherer Zeit. © Archivfoto: Matthias Schumann

Trotz allem - oder vielleicht gerade deshalb - kann sich ihre Bilanz in den 34 Jahre Bürgermeistertätigkeit sehen lassen. Unzählige Straßen und Brücken wurden gebaut, ebenso Trink- und Abwasserleitungen, Wohngebiete erschlossen. Die drei Kitas sind saniert, ein Pflegeheim wurde gebaut, das Freibad ist Anziehungspunkt nicht nur für Haselbachtaler.

Und doch gibt es einen Punkt, den sie als wohl negativsten in ihrer Karriere ansieht: die Schließung der Mittelschule. „Die Schulpolitik war damals schlimm“, sagt Margit Boden, die selbst parteilos ist. Die Gemeinde wollte eine einzügige Mittelschule, doch das durfte sie nicht. Aus ihrer Sicht würde heute niemand mehr die Schule schließen. Der damalige stellvertretende Landrat Steffen Domschke (CDU) habe später einmal gesagt, dass Fehler gemacht worden seien.

"Corona hat vieles kaputt gemacht"

Und dann kam noch Corona, zwei Jahre, die vieles kaputtgemacht haben, sagt sie selbst. Sie denkt dabei vor allem an die Vereine, an Firmen, an die Zusammengehörigkeit in der Gemeinde. Doch die Leute seien ihr trotz vieler Probleme, die es zu lösen gab, immer mit Freundlichkeit begegnet, das mache den Abschied leichter.

Kommunalpolitik gehört für die Noch-Bürgermeisterin bald zur Vergangenheit. Sie freut sich auf ihren Ruhestand, auf die Zeit mit ihrem Mann, den Kindern und den sieben Enkeln im Alter von acht bis 20 Jahren. „Ich werde entspannt in den Tag gehen, alles ein bisschen lockerer sehen, den Pool auf dem eigenen Grundstück in Reichenbach nutzen“, blickt Margit Boden auf die kommende Zeit.

Als Standesbeamtin wird sie weiterhin Paare trauen

So ganz loslassen kann sie trotzdem nicht. Die studierte Betriebswirtin und Verwaltungsfachangestellte ist in ihrer Gemeinde gleichzeitig Standesbeamtin. In dieser Funktion will sie aktiv bleiben, Paare trauen. Und dann ist ja auch noch die Mitgliedschaft im Heimatverein, wo sie weiter dabei bleibt.

Ihrem Nachfolger hat sie alles geordnet übergeben. Und Margit Boden weiß, dass Tobias Liebschner vieles anders machen wird. Aber so sei der Lauf der Dinge.

Am Sonntag will sie sich in der Festscheune in Reichenbach von Wegbegleitern verabschieden, noch einmal mit vielen Leuten quatschen, die zu ihrem Amt als Bürgermeisterin dazu gehörten. Vielleicht wird ja sogar die eine oder andere Träne fließen. Ein Abschied ist immer eine schwierige Angelegenheit.