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"Wir Sorben müssen selbstbewusster werden"

Beim Autozulieferer TDDK in Straßgräbchen gibt es jetzt eine Beauftragte für sorbische Angelegenheiten. Caroline Miersch sagt, wie es dazu kam und wie sie mit Skeptikern umgeht.

Von Reiner Hanke
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Caroline Miersch kümmert sich jetzt als offizielle Ansprechpartnerin im TDDK Kompressorenwerk in Straßgräbchen um Sorgen, Probleme und Hinweise aller sorbischen Mitarbeiter.
Caroline Miersch kümmert sich jetzt als offizielle Ansprechpartnerin im TDDK Kompressorenwerk in Straßgräbchen um Sorgen, Probleme und Hinweise aller sorbischen Mitarbeiter. © Matthias Schumann

Bernsdorf. Das Werk der TD Deutsche Klimakompressoren GmbH (TDDK) im Bernsdorfer Ortsteil Straßgräbchen ist international aufgestellt. Der Autozulieferer für Klimaanlagen mit seinen Muttergesellschaften Toyota Industries und Denso kommt aus Japan. Also wird im Werk neben Deutsch auch Japanisch gesprochen und natürlich Englisch, um Sprachbarrieren zu überwinden. Und wie sieht es mit Sorbisch aus? Immerhin liegt Straßgräbchen in der zweisprachigen Region. Und so hat TDDK-Geschäftsführer Yoichi Terao jetzt eine Beauftragte für sorbische Angelegenheiten berufen. Das dürfte in der Region ein Novum sein.

Anfangs habe man sich auf die Verschmelzung der japanischen und deutschen Kultur im Arbeitsalltag konzentriert, sagt Vize-Geschäftsführer Ronald Juhnke. Er selbst spricht perfekt Japanisch und ist Ansprechpartner für die japanischen Kollegen. Doch jetzt rücke auch die sorbische Sprache und Tradition der Oberlausitz stärker in den Fokus. Etwa 40 Mitarbeitende vom Produktionsarbeiter bis zum Ingenieur sprechen laut Juhnke Sorbisch. Aber noch sehr viele mehr hätten sorbische Wurzeln.

Für sie ist seit Neustem Caroline Miersch aus Neschwitz Ansprechpartnerin. Die 44-Jährige ist bei TDDK in der Verwaltung tätig. Sie kümmert sich um die Abrechnung von Dienstreisen, die Werkssicherheit, um die Sauberkeit im Haus, darum, dass die Kantine läuft. Und jetzt auch noch ums Sorbische.

Frau Miersch, wie kam es dazu?

Das war eigentlich ein bisschen kurios. Unser Vizepräsident Ronald Juhnke stand in der Nähe, als ich am Telefon etwas auf Sorbisch geklärt habe. Es hat ihn inspiriert, das Thema genauer zu hinterfragen, und für mich ist es eine Herzenssache. Weil es meine Muttersprache ist und wir Sorben sie an unsere Kinder weitergeben möchten.

Wo sehen Sie denn im Zusammenleben und -arbeiten im Unternehmen Ihre Aufgaben?

Wir haben hier japanische, polnische und tschechische Kollegen, für die es ganz normal ist, ihre Muttersprachen zu pflegen. Das sollte natürlich für die sorbischen Beschäftigten genauso möglich sein. Einfach wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, miteinander zu schwatzen.

Ich selbst bin mit der sorbischen Sprache aufgewachsen. Das Deutsche kam erst später beim Spiel mit anderen Kindern dazu. Diese Zweisprachigkeit ist doch etwas Besonderes. Man ist auch offener für andere Sprachen. Es ist ein Goldschatz. Und die Sorben müssen einfach selbstbewusster werden. Als Unternehmen in der Oberlausitz mit mehr als 950 Beschäftigten wollen wir die sorbischsprachigen Kollegen ermuntern, ihre Sprachtraditionen zu leben.

Warum ist das nötig?

Dabei spielt wohl die Sorge mit, deutsche Kolleginnen und Kollegen könnten es falsch auffassen, vielleicht denken, dass hinter ihrem Rücken getuschelt wird. Aber es ist einfach nur selbstverständlich, seine Muttersprache zu verwenden. Für uns ist das Deutsche die Zweitsprache.

Dann haben Sie als Beauftragte sicher mit ganz anderen Themen zu tun, als es bei den japanischen Mitarbeitern der Fall ist…

Es sind ganz andere Dinge, es gibt aber auch Parallelen. Bei den Japanern geht es mehr um Visa-Fragen, die Wohnungssuche, eine Kita für die Kinder. Aber eines fällt auf: Es fällt ihnen leichter, jemanden in der Muttersprache anzusprechen. Es können ja auch sehr persönliche Probleme sein, die Kolleginnen und Kollegen auf dem Herzen haben. Emotionale und vertrauliche Dinge lassen sich in der Muttersprache besser erklären. Da geht es den sorbischen Beschäftigten nicht anders, dafür bin ich da. Aber es gibt noch mehr.

Was denn?

Wir wollen auch eine Außenwirkung erreichen, gerade in Zeiten, in denen es schwer ist, Fachleute zu finden. Wir wollen den jungen Leuten aus der sorbischen Region sagen, dass hier ihre Muttersprache gepflegt wird, dass sie willkommen sind. So bieten wir auch Führungen in sorbischer Sprache an. Wir wollen sorbische Sprachräume schaffen.

Können Sie das näher erklären?

Mich bewegt die Frage, wie man das Sorbische und die Wirtschaft zusammenbringen kann. Es gibt in der Wirtschaft viele Begriffe ohne sorbische Entsprechung. Daran wollen wir bei einem Symposium arbeiten. Eine Sprache muss sich entwickeln, Neues aufnehmen, die digitale Welt widerspiegeln.

Wir können eine neue Sprachkultur in Technik und Produktion einbringen, damit Sorbisch eine Zukunft hat. Warum gibt es noch kein sorbisches Wort für Kältemittel? Wo sich doch alles ums Klima im Auto dreht. Wir müssen auch am Tag mehr Sorbisch sprechen, damit sich die Sprachtradition nicht verliert.

Wie wird die Initiative bei den deutschen Kollegen aufgenommen?

Ein Teil freut sich darüber, findet das gut, andere können eher schwer damit umgehen. Das verletzt mich auch manchmal. Aber ich bin ein sehr offener Mensch und möchte die Skeptiker gewinnen. Ich wünsche mir, dass das Mitarbeiter-Sommerfest dazu beiträgt. Diesmal dreht es sich um die sorbische Tradition.