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Extremwetter in Sachsen: Wir müssen mit der Dürre und der Flut leben

Deutschland hat nicht zu wenig Wasser, es ist nur unfair verteilt. Der Klimawandel zwingt zum Umdenken. Was wir bisher gegen die Trockenheit tun, reicht nicht. Ein Kommentar von Stephan Schön.

Von Stephan Schön
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© SZ/Uwe Soeder

Endlich Regen. Viel Regen. Dringend braucht der Boden Wasser nach der Hochsommerhitze im Juni. Mit den heftigen Gewittern folgt ein Extremereignis dem anderen. Sachsen ist in einer Zeit angekommen, in der es eigentlich erst 2050 sein sollte. Zumindest den Berechnungen der Klimaforscher zufolge. Der Klimawandel hat Sachsen erreicht. Nicht diese eine Hitzewelle, nicht dieses eine Gewitter ist dafür der Beweis. Es sind die vielen Ereignisse, die nun mit Regelmäßigkeit und oft immer heftiger geschehen.

Global ist die Temperatur seit 1881 um 1,7 Grad gestiegen, in Sachsen noch etwas mehr. Ein Plus von 2,2 Grad war es 2022. In Sachsen waren die letzten fünf Jahre auch die fünf wärmsten seit Messbeginn. Der deutlichste Temperaturanstieg entfällt dabei auf den Sommer. Starkniederschläge durch das zusätzliche Wasser in der Luft nehmen zu. Sachsen hat dies mehrfach durch große Fluten seit 2000 erfahren müssen. Doch noch eine ganz andere, so nicht vorhergesehene Folge des Klimawandels hat sich festgesetzt: die Dürre.

Flut, Hitze und Dürre sind die drei Gleichen, mit denen wir jetzt im Klimawandel leben müssen. Leben lernen müssen, und das sehr unterschiedlich. Die Flut kommt plötzlich, und ebenso schnell verschwindet sie wieder. Durch den mehrere Milliarden Euro teuren Flutschutz geschieht dies meist ohne Schäden. Die Hitzewelle kündigt sich ganz klar an und dauert dann eben eine Weile. Krankenhäuser sind vorbereitet. Die Dürre im Boden aber hat sich schleichend entwickelt, unbemerkt. Sie ist gekommen, um zu bleiben. Und das großflächig. Seit zehn Jahren weicht die Trockenheit nicht mehr aus dem Boden.

Es fehlt der Regen von einem ganzen Jahr

Weder das nasse Jahr 2021 konnte das ändern, noch der supernasse Frühling in diesem Jahr. Und die paar Tropfen von Freitagmorgen, vergessen wir’s. Inzwischen fehlt in Sachsen seit 2013 addiert fast ein ganzer Jahresniederschlag. 520 Liter auf jedem einzelnen Quadratmeter. Dagegen sind die 30 Liter Wasser in einem Gewitter wie letztens gar nichts. Zumal das meiste davon sowieso auf dem knochenharten, trockenen Boden gleich wieder abfließt.

Die Schwarze Elster bei Kamenz hatte wochenlang Niedrigwasser. Binnen Minuten flutete sich der Pegel beim Gewitter bis zur Hochwasseralarmstufe Eins hoch. Nur, um am Morgen danach schon wieder im Niedrigwasser zu verschwinden. Das Wasser, so wie es kam, war es wieder weg. Dem Boden hat es nur in den obersten zehn Zentimetern etwas gebracht, wenn überhaupt. Die tieferen Schichten haben nichts abbekommen. Schon gar nicht das Grundwasser. So bleibt es derzeit an 74 Prozent aller Grundwasser-Messstellen in Sachsen unter dem normalen Pegel. 27 Zentimeter zu niedrig im Durchschnitt.

Deutschland insgesamt hat nicht zu wenig Wasser, es ist nur unfair verteilt. Gigantische Wasserleitungen könnten einen Ausgleich von Süd nach Nord bringen. Und Rohre aus der Elbe sollen Wasser zur Spree leiten, um damit die Wasserversorgung von Berlin zu sichern. Wasserentsalzungsanlagen an der Küste wären denkbar, so wie in den Mittelmeerländern. Sachsen für sich ist noch relativ gut dran. Mit seinem Talsperrenverbundsystem sichert sich das Land jetzt und auch künftig das Trinkwasser.

Doch anders als Flutschutz lässt sich Dürreschutz eben nicht aufbauen. Die Dürre ist in Sachsen das größte neben den anderen beiden großen Klimaproblemen Flut und Hitze. Nur wurde bislang dagegen am wenigsten getan. Dabei gäbe es Möglichkeiten, außer den Verboten zur Wasserentnahme aus Seen, Flüssen und Grundwasser, so wie jetzt eben wieder geschehen. Vorschläge dazu sind lange bekannt, wurden aber nie wirklich umgesetzt.

Das Wasser festhalten

Das Wasser, vor allem vom Starkregen, muss festgehalten werden. Nichts sollte davon verloren gehen. Zubetonierte und mit Asphalt versiegelte Innenstädte sind dafür völlig ungeeignet. Sickersteine, Sickermulden, Grünflächen, bewachsene Dächer wären nötig. Schwammstädte nennt man das, die viel Wasser aufsaugen. So wie es Dresden als vorsichtigen Pilotversuch jetzt beginnt. Aber immer noch viel zu zaghaft, angesichts der zugepflasterten Innenstadt.

In der Industrie ließe sich heute schon eine bessere Aufbereitung und Wasserwiederverwendung durchführen bis hin zur Kreislaufwirtschaft. Und in der Landwirtschaft könnte einfach mal Mulch zwischen den Pflanzen die Verdunstung hemmen. Es geht auch um die Bewässerung mit intelligenten, präzise gesteuerten Tröpfchen-Methoden, die aber teuer sind.

Andererseits wären ohne oder mit nur geringerer Bewässerung auch nur geringere Erträge möglich. Mit der Folge, Getreide, Obst und Gemüse vom heimischen Acker würden damit teurer. Fatal wäre dann, würden diese Produkte im Regal bleiben wegen günstigerer Importe. Dann stünde die einheimische Lebensmittelindustrie auf der Kippe.

Das alles aber reicht nicht. Wenn das Grundwasser weiter sinkt, muss sich der Umgang mit dem Wasser ganz grundsätzlich ändern. Nein, die Bekämpfung der Dürre ist keine rein staatliche Angelegenheit. Sie erreicht jeden Einzelnen. Muss es der große Pool sein? Oder der gepflegte englischen Rasen vor der eigenen Haustür im sandigen Trockengebiet?

Ein radikales Umdenken ist nötig, wo es an Wasser mangelt. Nur so lässt sich aus der Dürre herauskommen. Wasser muss wieder seinen Wert bekommen.

E-Mail an Stephan Schön