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Felgenreiniger und andere Stimulanzien - Orgie in Radebeul gerät außer Kontrolle

Im Prozess gegen einen Mann, der zwei Frauen K.-o.-Tropfen verabreicht haben soll, kommen vorm Dresdner Landgericht delikate Dinge zur Sprache.

Von Alexander Schneider
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Der Angeklagte Ralf T., zwischen seinen Verteidigern Michel Stephan und Jessika Gruno, hat sich im Gerichtssaal vermummt. "Seine" Robe liegt hinter ihm auf der Fensterbank des Landgerichts Dresden.
Der Angeklagte Ralf T., zwischen seinen Verteidigern Michel Stephan und Jessika Gruno, hat sich im Gerichtssaal vermummt. "Seine" Robe liegt hinter ihm auf der Fensterbank des Landgerichts Dresden. © SZ/Alexander Schneider

Dresden. Unkonventionell war der erste Auftritt des Angeklagten in seinem Prozess am Landgericht Dresden. Ralf T. erschien in Anwalts-Tarnung – mit Koffer und schwarzer Robe unter dem Arm. Im Gerichtssaal setzte er sich in den Zuschauerbereich. Ehe man sich’s versah, hatte er sich mit Corona-Maske, Sonnenbrille und Skimütze verhüllt. So nahm er dann auf der Anklagebank Platz – und hatte Fotografen und Fernsehteams ein Schnippchen geschlagen.

Unkonventionell ist auch der Vorwurf gegen den 53-jährigen Unternehmer aus Radebeul. T. soll zwei Frauen Felgenreiniger verabreicht haben. Die Flüssigkeit verstoffwechselt der Körper in Gamma-Hydroxybuttersäure, besser bekannt als "K.-o.-Tropfen". In geringer Dosis wirkt die Partydroge euphorisierend und, auch sexuell, enthemmend; mehr davon jedoch macht Opfer willenlos bis hin zum Gedächtnisverlust, es kann zu Bewusstlosigkeit und Tod führen. In der Nacht zum 20. August 2022 habe sich der Angeklagte an zwei Frauen, darunter seine Verlobte und heutige Ehefrau (48), vergangen. Der Vorwurf: schwere Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzung in jeweils zwei Fällen.

Weder Felgenreiniger gesichert noch Blutprobe genommen

Unkonventionell war möglicherweise auch der Anlass des Treffens, manche sprechen von einer Orgie. Ein Ehepaar in den 30er-Jahren, das vor der Tat mit dem Angeklagten, seiner Verlobten und einem lesbischen Paar in einem Radebeuler Ristorante war, berichtete von früheren gemeinsamen erotischen Erlebnissen mit dem 53-Jährigen. Man habe vereinbart, gegenüber den Frauen nicht darüber zu sprechen. Das Ehepaar war dann aber nicht mit zur Party in T.s Dreiseithof gefolgt.

Unkonventionell dürften neben dem Einsatz des Felgenreinigers auch die anderen Drogen gewesen sein. Zumindest T.s Verlobte, die am nächsten Morgen bewusstlos in eine Klinik eingeliefert wurde, stand auch unter Kokain-Einfluss. Die 48-Jährige schweigt seitdem, will ihren Mann nicht belasten. Die behandelnde Ärztin berichtete jedoch, Ralf T. habe, immerhin, auf intensive Nachfrage der Ärzte den Felgenreiniger gebeichtet und in die Klinik gebracht. Am Gift-Notruf-Telefon erfuhren die verdutzten Retter, dass diese Chemikalie tatsächlich häufiger eingesetzt werde.

Unkonventionell muss man sich wohl auch die Polizeiarbeit am Tatort vorstellen. Die jungen Kripo-Beamten hatten offenbar erhebliche Probleme, Beweise zu sichern. Der Felgenreiniger war nicht in den Tassen gesichert worden, zahlreiche Behältnisse mit Drogen-Resten – Kokain, Amphetamin, Ecstasy –, Pilze und Pflanzenteile wurden nicht gesichert, nur 37 Gramm Marihuana. Außerdem muss T. mehrfach die "Spusi" aktiv behindert haben. So verschwand sein Handy, das später unter einem Zeitungsstapel auftauchte, er habe auch ein Klipptütchen mit drei kristallinen Krümeln ins Klo gespült – gegen den Widerstand der Polizei. Das könnte auch die vielen leeren Behältnisse erklären. Warum von ihm keine Blutprobe genommen wurde, ist auch so eine Frage. Unkonventionell?

Auch T. selbst soll in der Nacht auffällig gewesen sein, habe "laut schreiend am Boden gelegen", was ein Video zeige, so eine Rechtsmedizinerin. T. selbst schweigt. Kommende Woche soll der Prozess enden. Die Kammer gab den rechtlichen Hinweis, es könnte auch eine Verurteilung wegen "besonders schwerer Vergewaltigung" infrage kommen. Mindeststrafe: fünf Jahre. Zumindest das jedenfalls wäre in diesem Verfahren nicht unkonventionell.