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Ist die Heydaer BMW-Bande noch größer?

Ein Kriminalbeamter spricht vor Gericht über die Ermittlungen beim Autoservice Heyda. Die haben für die Beteiligten Überraschendes ergeben.

Von Cathrin Reichelt
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Anfang Mai erfolgte im Autoservice Heyda eine Razzia mit sieben Festnahmen. Sechs der Tatverdächtigen sitzen seitdem in Untersuchungshaft. In dem Gebäude wurden unzählige Teile von zerlegten BMW gefunden. Bei der Sichtung und dem Abtransport haben die
Anfang Mai erfolgte im Autoservice Heyda eine Razzia mit sieben Festnahmen. Sechs der Tatverdächtigen sitzen seitdem in Untersuchungshaft. In dem Gebäude wurden unzählige Teile von zerlegten BMW gefunden. Bei der Sichtung und dem Abtransport haben die © Foto/Archiv: Dietmar Thomas

Region Döbeln. Seit sieben Monaten sitzen sechs Männer aus Belarus, Litauen und der Ukraine in Untersuchungshaft. Sie sind Anfang Mai bei einer Razzia im Autoservice Heyda festgenommen worden (Sächsische.de berichtete).

Sie sollen BMW im Gesamtwert von 10,41 Millionen Euro gestohlen haben. 20 von vermutlich 40 Taten sind vor dem Landgericht Chemnitz angeklagt. Dort hat jetzt der ermittelnde Kriminalhauptkommissar als Zeuge ausgesagt. Er ist im Bereich der Polizeidirektion Chemnitz für die Bearbeitung von Kfz-Delikten zuständig.

Der Ursprung, der letztendlich zur Razzia in Heyda geführt hat, liege im Jahr 2020. Damals seien zwei Personen festgenommen worden, die versucht hatten, in Chemnitz-Rabenstein einen BMW X3 zu stehlen. In dem Fahrzeug seien Quittungen aus dem Raum Döbeln gefunden worden.

Im Januar erste Hinweise auf Heyda

„Damals konnten wir die noch nicht zuordnen. Gleichzeitig haben wir uns gefragt, was mit dem Fahrzeug passiert wäre, wenn wir die Beiden nicht erwischt hätten“, sagt der Ermittler. Es habe nahe gelegen, dass der BMW zerlegt werden sollte. Deshalb sei es die Aufgabe gewesen, in Sachsen eine Halle zu finden, in der dies möglich ist. Im vergangenen Jahr hätten diesbezügliche Ermittlungen jedoch nicht zum Ziel geführt.

Ende Januar 2021 seien dann drei Kilometer von Heyda entfernt Personen festgenommen worden, die in Karlsruhe einen BMW X5 gestohlen hatten. „Bei einem der Beschuldigten sind Asservate gefunden worden, die wir dem Objekt in Heyda zuordnen konnten. Das war ein weiterer Baustein“, so der Kriminalhauptkommissar.

Die Ermittlungen vor Ort hätten sich jedoch schwierig gestaltet, weil das Objekt in dörflicher Umgebung ungünstig gelegen sei. Wegen der dörflichen Lage hätten es die Ermittler auch vermieden, mit den Anwohnern zu sprechen.

Mittlerweile habe es auch Kontakt zur Polizei in Bayern gegeben. Denn dort waren im Dezember 2020 zwei BMW gestohlen worden. Diese hätten zwar geortet werden können, seien aber im Bereich Heyda plötzlich vom Radar verschwunden.

Fahrzeuge mit Scanner geöffnet

Ein weiterer gestohlener BMW wurde auf einem Pendlerparkplatz im Raum Leipzig entdeckt. In diesem habe sich ein Funkstrecken-Scanner befunden. Damit könne ein Fahrzeug auch geöffnet werden, wenn sich der Schlüssel im Haus befindet. „Für das Öffnen benötigt man mindestens zwei Personen. Einer greift das Signal des Schlüssels am Haus ab und sendet es an einen zweiten Scanner weiter, mit dem das Fahrzeug geöffnet wird“, erklärt der Ermittler.

Nach dem BMW-Fund in Leipzig seien die Beamten jedes Mal informiert worden, wenn ein Fahrzeug mit eingeschaltetem Scanner im Raum Döbeln unterwegs war. „Bald waren wir überzeugt, dass wir das richtige Objekt hatten“, sagt der Kriminalbeamte. Ab dem frühen Morgen des 6. Mai ist dann die Durchsuchung beim Autoservice Heyda erfolgt.

Er sei erst später dazugekommen und doppelt überrascht gewesen – von dem, was die Beamten in dem Objekt vorgefunden haben und von der Anzahl der Personen, die festgenommen wurden. Drei Männer hätten sich in der Halle befunden, von denen einer zu fliehen versuchte.

Vor dem Landgericht Chemnitz sind sechs Männer aus Belarus, Litauen und der Ukraine angeklagt. Sie sitzen in vier verschiedenen Justizvollzugsanstalten in Untersuchungsgaft.
Vor dem Landgericht Chemnitz sind sechs Männer aus Belarus, Litauen und der Ukraine angeklagt. Sie sitzen in vier verschiedenen Justizvollzugsanstalten in Untersuchungsgaft. © haertelpress

Volvo mit Kennzeichenwechselanlage

Außerdem sei am Tag der Durchsuchung im Umfeld von Heyda ein weißer Volvo angehalten und kontrolliert worden. Der Grund sei gewesen, dass dem Volvo der Audi eines weiteren deutschen Beschuldigten folgte und beide Fahrzeuge in Richtung Heyda unterwegs waren.

In dem Volvo saßen drei Männer, deren Handys alle auf Flugmodus gestellt waren. Die Männer im Volvo und in der Halle hätten sich von ihrem äußeren Erscheinungsbild sehr unterschieden.

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Der Volvo war bereits im April vom Zoll kontrolliert und dabei zwei der im Mai Festgenommenen festgestellt worden. Bei der späteren Begutachtung des Fahrzeugs sei eine Kennzeichenwechselanlage entdeckt worden.

„Sie war sehr professionell verlegt“, so der Ermittler. Auf Knopfdruck seien entweder ein Hannoveraner- oder ein polnisches Kennzeichen sichtbar gewesen. Letzteres habe zu dem Fahrzeug gehört. Das aus Hannover sei nie vergeben worden.

Schlafräume über der Werkstatt

Ursprünglich sei geplant gewesen, die Vernehmung der Tatverdächtigen im Polizeirevier Döbeln durchzuführen. Aufgrund der Zahl der Festgenommenen sei dies aber dann doch in Chemnitz erfolgt.

„Und was haben Sie in dem Objekt in Heyda vorgefunden?“, will der Vorsitzende Richter Kay-Uwe Sander wissen. Das Objekt habe eine L-Form und sei mehrere hundert Quadratmeter groß. Es gebe einen Imbiss und Werkstatträume. Der Eingang zum Autoservice sei mit schwarzer Folie abgeklebt gewesen.

Über der Halle hätten sich Schlafräume befunden. Gefunden worden seien unzählige Fahrzeugteile, die teilweise bereits in Paletten verpackt waren. In denen hätten sich jeweils ein Motor sowie vier Einzelteile, wie Steuerteile, Sitze, Türen oder Spiegel befunden.

„Die Situation vor Ort hat uns vor einige Herausforderungen gestellt“, sagt der Ermittler. Deshalb sei das Döbelner THW um Unterstützung gebeten worden. Dessen Helfer hätten gemeinsam mit den Beamten die Fahrzeugteile geborgen und zur Sichtung in die Asservatenstelle nach Chemnitz gebracht.

Neben dem Landeskriminalamt waren unter anderen auch Kriminaltechniker im Einsatz. Sie hätten zum Beispiel Hygieneartikel sichergestellt, um daran DNA-Spuren zu sichern.

Doppelschlag an einem Tag

Am Tag der Razzia sei den Beamten ein sogenannter Doppelschlag gelungen. In der Halle stand noch ein weißer BMW auf der Hebebühne und im Raum Döbeln sei ein blauer BMW ohne Fahrer gefunden worden. Dieser war in Paderborn gestohlen worden. Am Fahrzeug seien zwar Spuren gesichert worden, die aber noch keiner Person zugeordnet werden konnten. Die in der Halle gefundenen Fahrzeugteile hätten zu 99 Prozent gestohlenen BMW und zu einem Mercedes Sprinter gehört.

Das Zerlegen der Fahrzeuge sei das angestrebte Ziel gewesen. Denn der Verkauf von Einzelteilen sei heute gewinnbringender als der Verkauf kompletter Fahrzeuge. Wohin die Teile geschafft werden sollten, ist noch unklar. Es gebe aber eine Vermutung, nachdem kurz vor der Durchsuchung ein Trailer mit polnischem Kennzeichen auf dem Hof des Autoservices gesehen worden ist.

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Bargeld sei reichlich vorhanden gewesen. Ein Foto zeige einen Tisch im Autoservice, auf dem ein Berg Geldscheine liegt. Die seien wahrscheinlich kurz vor der Razzia an mehrere Tatverdächtige verteilt worden. Denn bei denen sind Beträge zwischen 1.700 und 1.800 Euro gefunden worden, insgesamt 17.000 Euro.

Die anderen Utensilien auf dem Tisch lagen noch in derselben Position wie auf dem Foto. Die Seriennummern der Scheine auf dem Tisch und der bei den Personen gefundenen Scheine seien zudem identisch gewesen.

Auch die Miete für die Halle sei ein- bis zweimal in bar gezahlt worden. Es habe sich aber herausgestellt, dass die beiden Mietverträge jeweils mit falschen Personalien abgeschlossen wurden. Die Halle sei wahrscheinlich schon im Jahr 2020 genutzt worden.

Festnahme in Berlin

Bei der Auswertung der Handys wurden private Fotos ausgelesen, auf denen mehrere der Angeklagten gemeinsam abgebildet sind. Auch eine Pressemeldung aus dem Raum Braunschweig, nach der eine Person festgenommen wurde, die dort einen BMW gestohlen hat, fand sich als Foto auf einem der Handys.

Zudem erfolgte in Berlin die Festnahme eines weiteren Mannes, der ebenfalls mit einem gestohlenen BMW unterwegs war. Möglicherweise gehören auch sie zur BMW-Bande.

Die Vernehmung des Ermittlers wird im kommenden Jahr fortgesetzt, in dem bisher noch sieben Verhandlungstage vorgesehen sind.