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Fahrrad-Affäre: Razzia bei Leipziger Polizei

Polizisten in Leipzig haben unerwartet Besuch von Dresdner Kollegen erhalten. Es hat eine Razzia im Zuge der Ermittlungen in der Fahrrad-Affäre gegeben.

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Am Dienstag hat die Dresdner Polizei eine Dienststelle und mehrere Leipziger Kollegen durchsucht. Es geht um die Fahrrad-Affäre, die im vergangenen Jahr Innenminister Wöller (CDU) in Verlegenheit gebracht hatte.
Am Dienstag hat die Dresdner Polizei eine Dienststelle und mehrere Leipziger Kollegen durchsucht. Es geht um die Fahrrad-Affäre, die im vergangenen Jahr Innenminister Wöller (CDU) in Verlegenheit gebracht hatte. © Norbert Millauer

Leipzig. In der „Fahrrad-Gate“-Affäre um illegal weiterverkaufte Räder bei der Leipziger Polizei haben beschuldigte Beamte jetzt selbst eine Razzia erlebt. Wie die Generalstaatsanwaltschaft Dresden gestern berichtete, wurden bereits Dienstagmorgen in einer Polizei-Außenstelle in der Weißenfelser Straße im Stadtteil Plagwitz Räumlichkeiten durchsucht.

Außerdem wurden an insgesamt sieben Orten in Leipzig und dem Leipziger Umland Wohnungen von drei Beschuldigten sowie Wohnungen und Geschäftsräume von bisher unverdächtigen Dritten durchsucht, die offenbar die kriminellen Hintergründe gar nicht kannten.

Nähere Angaben zu den Beschuldigten machte die Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft, Nicole Geisler, allerdings nicht. An dem Einsatz seien 25 Ermittler des Landeskriminalamts Sachsen sowie zwei Staatsanwälte der Generalstaatsanwaltschaft beteiligt gewesen. Sie vollstreckten Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Dresden. Bei den Durchsuchungen seien Unterlagen, Mobiltelefone und drei Fahrräder sichergestellt worden. Ziel sei es gewesen, weitere Beweismittel zu finden. Die Vorfälle um „Fahrrad-Gate“ hatten auch Innenminister Roland Wöller (CDU) in Erklärungsnot gebracht.

Drei Verfahren gegen 129 Beschuldigte

Im Mittelpunkt der Affäre steht nach bisheriger Kenntnis eine Leipziger Polizistin, die für die Verwaltung von Asservaten zuständig war. Sie steht im Verdacht, mindestens vier Jahre lang Fahrräder aus der Asservatenkammer unter anderem im Kollegenkreis weiterverkauft zu haben. Es ging dabei um gestohlene Fahrräder, die von der Polizei sichergestellt und verwahrt wurden.

Mittlerweile gibt es in der Affäre laut Behördensprecherin Geisler drei Ermittlungsverfahren gegen 129 Beschuldigte. Im Zentrum stehen dabei ehemalige Mitarbeiter der so genannten „ZentraB Fahrrad“, die mit der Asservatenabwicklung betraut waren und Verantwortliche eines angeblichen Gartenvereins, über den die Deals abgewickelt worden sein sollen.

Es geht um den Verdacht des Diebstahls und der Unterschlagung, Urkundenfälschung, Betrug, Vorteilsannahme und Bestechlichkeit. Das Hauptverfahren richtet sich mittlerweile gegen vier Beschuldigte, darunter zwei Polizeibeamte, so Staatsanwältin Geisler.

Ein weiteres Verfahren um die Käufer der Fahrräder richtete sich nach ihren Auskünften zunächst gegen 149 Personen. Aktuell würden davon noch Ermittlungen gegen 118 Beschuldigte geführt. Darunter sind 77, die während der Tatzeit zur sächsischen Polizei gehörten und zwei damalige Justiz-Angestellte. Die Vorwürfe: Verdacht der Mittäterschaft, Anstiftung oder Beihilfe zum Diebstahl oder zur Unterschlagung, Verdacht der Hehlerei, der Vorteilsgewährung oder Bestechung.

Affäre blieb ein Jahr verborgen

Bei 31 Beschuldigten habe sich kein hinreichender Tatverdacht ergeben, so Geisler. In einem dritten Verfahren gegen sechs Polizeiangehörige und einen Ex-Polizisten wird wegen Strafvereitelung im Amt ermittelt. Dabei gehe es um die Frage, ob die Beschuldigten zwischen 2014 und Sommer 2019 bereits Kenntnis von den Vorgängen hatten.

Im November hatte der eigens eingeschaltete Sonderermittler Klaus Fleischmann erklärt, die Affäre sei eher auf organisatorische Umstände und mangelhafte Aufsicht der Vorgesetzten zurückzuführen. Anhaltspunkte auf „strukturelle Korruption“ bei der Leipziger Polizei habe er nicht gefunden, so der frühere Generalstaatsanwalt. Die Affäre war allerdings ein Jahr lang verborgen geblieben.

Die Polizeidirektion Leipzig hatte zwar schon im Juli 2019 bei der Staatsanwaltschaft Leipzig Anzeige erstattet und das Landeskriminalamt Sachsen gebeten, die Ermittlungen zu übernehmen. Das Innenministerium wurde dann Ende Dezember 2019 über den Fall und den Stand der Ermittlungen informiert. Dennoch war die Affäre erst im Sommer vorigen Jahres durch Medienberichte bekannt geworden. Künftig soll nun der Umgang mit Asservaten in der Polizei sachsenweit einheitlich geregelt werden.