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Löbaus Armeegebiet wird abgerissen

Panzerhallen, Werkstätten, Lehrkabinette, Zugangsstraßen - vieles davon verfällt seit Jahrzehnten. Nun wird hier aber aufgeräumt - auch dank der neuen B178.

Von Anja Beutler
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Hier wird abgerissen: Ingenieur Uwe Röllich (Mitte) zeigt Torsten Schulze (zweiter von rechts) und Andreas Peschel (zweiter von links) von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben eine Karte des Armeegeländes.
Hier wird abgerissen: Ingenieur Uwe Röllich (Mitte) zeigt Torsten Schulze (zweiter von rechts) und Andreas Peschel (zweiter von links) von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben eine Karte des Armeegeländes. © Matthias Weber/photoweber.de

Der Blick vom Dach der alten Lehrwerkstatt geht zum Löbauer Berg. Ein schönes Fleckchen Erde - so lange man in die Ferne schaut und nicht in die direkte Umgebung. Denn hier lebt noch ein Stück Löbauer Vergangenheit: Lehrwerkstätten und Hallen des ehemaligen Löbauer Armeestandortes bröseln vor sich hin, leer und ohne Scheiben gähnen die Fenster, manche sind mit Brettern verschlossen, auf den Dächern wuchern kleine Wälder. Aber nicht mehr lange: Spätestens Anfang nächsten Jahres wird sich hier vieles grundlegend ändern und all jene NVA-Soldaten, die hier ihren Dienst tun mussten, werden nichts mehr wiedererkennen.

Der Ausblick ist herrlich - und wird bald unverstellt zum Löbauer Berg hinübergehen können.
Der Ausblick ist herrlich - und wird bald unverstellt zum Löbauer Berg hinübergehen können. © Uwe Röllich

Noch aber stehen Lehrkabinette, Panzerwaschanlage und Werkstätten für die Fahrzeuge, das Öllager, die Schießbahnen und -türme. Eigentümerin ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Sie sichert und bewirtschaftet das Gelände seit Jahren und wird es nun renaturieren. "Bausubstanz und Flächen, die noch weiter zu nutzen waren und Interessenten gefunden haben, sind veräußert. Was jetzt noch übrig ist, sind gewissermaßen die Reste", umschreibt es Torsten Schulze, Leiter für Liegenschaften, Verkauf und Erneuerbare Energien bei der Bundesanstalt. Auch die Stadt Löbau habe schon vor Längerem bestätigt, dass sie für diese Gebiete keine Entwicklungsmöglichkeiten sehe, fügt er hinzu.

Was der Bau der B178 damit zu tun hat

Torsten Schulze beugt sich über einen großen Plan und geht mit Planer Uwe Röllich die einzelnen Baufelder durch, die ab Frühjahr 2022 von den Armee-Resten befreit werden sollen. 24 Hektar ist das Grundstück der ehemaligen Offiziershochschule insgesamt groß. 4,5 Hektar bebaute Fläche sind nun für das Rückbauprojekt im Visier. Dazu gehören die im Wald nahezu eingewachsenen Sturmbahnen ebenso wie all die Hallen, die sich unweit des Berufsschulzentrums befinden.

Die rot umrandeten Flächen sind die Baufelder, in denen die Reste der Offiziershochschule Löbau über und unter der Erde getilgt werden sollen. Im Wald von Feld drei befinden sich beispielsweise die Sturmbahnen.
Die rot umrandeten Flächen sind die Baufelder, in denen die Reste der Offiziershochschule Löbau über und unter der Erde getilgt werden sollen. Im Wald von Feld drei befinden sich beispielsweise die Sturmbahnen. © Karte: Bundesanstalt für Immobilienaufgaben

"Für dieses Vorhaben haben wir einen Partner gewonnen, das Landesamt für Straßenbau und Verkehr", sagt Planer Röllich. Mit ihm teile man sich Aufgaben und Kosten, die im unteren einstelligen Millionenbereich liegen. Während die Bundesanstalt den oberirdischen Abbruch der Gebäude finanziert, bezahlt das Landesamt die sogenannte Tiefenenttrümmerung. Aber nicht einfach so: Das Landesamt kommt damit einer Ausgleichs- und Ersatzforderung für den nun anstehenden Neubau der B178 zwischen Niederoderwitz und Oberseifersdorf nach. Da man dort Natur mit Straße versiegele, gleiche man an anderer Stelle - in Löbau - dies wieder aus.

Weil die Vorbereitungen zum Abriss der alten Armee-Gebäude keine 0815-Geschichte sind und detaillierte Vorbereitung brauchen, ist Uwe Röllich dabei. Der Ingenieur ist ein versierter Abbruch-Kenner und sorgt sich bei dem Löbauer Projekt noch nicht einmal so sehr um mögliche Gefahrstoffe, die in oder unter den Gebäuden aus den 60er und 70er Jahren schlummern könnten. Das halte sich erfahrungsgemäß in Grenzen. "Die Kunst ist vielmehr, alles aufzunehmen, Abbruchmengen und Material möglichst genau zu schätzen und weder Straßenlaterne noch Fundamente zu vergessen", sagt er. Der Grund ist simpel: "Etwa 50 bis 60 Prozent der Abrisskosten sind Kosten für die Entsorgung, und dort steigen die Preise immer wieder. Daher muss man sehr genau arbeiten, damit bei der Ausschreibung nichts vergessen wird, das dann im Nachhinein extra bezahlt werden muss", beschreibt Röllich.

Diese Gebäude dienten der Ausbildung der Soldaten, sie sind marode. Durch Zäune sicherte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben das Gelände.
Diese Gebäude dienten der Ausbildung der Soldaten, sie sind marode. Durch Zäune sicherte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben das Gelände. © Matthias Weber/photoweber.de
Die Natur holt sich ihr Terrain zurück: Eine Halle des NVA-Komplexes, die wohl in den 60ern entstanden ist.
Die Natur holt sich ihr Terrain zurück: Eine Halle des NVA-Komplexes, die wohl in den 60ern entstanden ist. © Matthias Weber/photoweber.de
Klassische Zweckbauten für Schulungen auf dem Gelände der Offiziershochschule. Auf den Dächern wuchert ein kleiner Wald. Alles ist sehr marode.
Klassische Zweckbauten für Schulungen auf dem Gelände der Offiziershochschule. Auf den Dächern wuchert ein kleiner Wald. Alles ist sehr marode. © Matthias Weber/photoweber.de
Sozialistische Kunst an der Wand im Inneren des Gebäudes. In den Gebäuden finden sich kaum noch Hinterlassenschaften wie Möbel oder ähnliches.
Sozialistische Kunst an der Wand im Inneren des Gebäudes. In den Gebäuden finden sich kaum noch Hinterlassenschaften wie Möbel oder ähnliches. © Matthias Weber/photoweber.de
Hier ging es um Größeres: In den Hallen wurden offenbar auch Maschinen gewartet und Soldaten dafür ausgebildet.
Hier ging es um Größeres: In den Hallen wurden offenbar auch Maschinen gewartet und Soldaten dafür ausgebildet. © Matthias Weber/photoweber.de

Genau das ist aber der Knackpunkt: Denn obgleich beim Militär auch zu DDR-Zeiten eigentlich alles geregelt und protokolliert wurde, fehlen Bauunterlagen oder Zeichnungen gänzlich. So blieb Röllich und seinen Kollegen nur die Möglichkeit, per Augenschein, Begehungen und Erfahrungen alles zu protokollieren. Diese Vorbereitungen werden in einem halben Jahr komplett abgeschlossen sein, so dass Anfang nächsten Jahres das letzte Kapitel dieses Teils der Löbauer Offiziershochschule schlagen wird.

Umfangreiche Bauschutt-Transporte

Ganz unbemerkt werden diese Abbrucharbeiten nicht bleiben, betont Ingenieur Röllich. "Der Beton wird vor Ort gebrochen und abtransportiert", sagt er. Das heißt, dass einige Wochen lang viele Laster mit Bauschutt rund um Löbau unterwegs sein werden. Dennoch versuche man so schonend wie nur möglich vorzugehen, betont Torsten Schulze von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Das gelte auch für den Naturschutz: "Was an Grün und Bäumen hier auf dem Areal gewachsen ist, wird stehen gelassen, soweit es möglich ist", sagt er.

Auch in dieser großen Halle ging es wohl eher um technische Dinge. An der Wand der Stirnseite hängt noch eine Tafel, die aus der Zeit der Offiziershochschule stammt.
Auch in dieser großen Halle ging es wohl eher um technische Dinge. An der Wand der Stirnseite hängt noch eine Tafel, die aus der Zeit der Offiziershochschule stammt. © Matthias Weber/photoweber.de
Das sind die Reste einer Rampe, die für das Waschen von Panzern errichtet wurde.
Das sind die Reste einer Rampe, die für das Waschen von Panzern errichtet wurde. © Matthias Weber/photoweber.de

Eine Schneise zwischen den Sturmbahnen wird man im nun gewachsenen Wald aber freimachen müssen, um an die Teile heranzukommen. Es sind Elemente, die an Häusergiebel erinnern und überwunden werden mussten, Kriechtunnel und Hindernisstrecken - mittlerweile von der Natur buchstäblich umarmt. Danilo Baumgarten vom Verein Garnison Löbau, der Wissen und Tradition des Militärstandortes in der Stadt bewahrt, kennt die Bahnen noch aus seiner Jugend nach dem Ende des Löbauer Armeestandortes 1992. Sie liegen am äußersten Rand zu Georgewitz, wo er aufgewachsen ist.

Danilo Baumgarten mit den Plänen der Sturmbahnen auf dem Übungsgelände der ehemaligen Offiziershochschule der NVA in Löbau. Dort, wo einst Rekruten schwitzten, ist jetzt Wald.
Danilo Baumgarten mit den Plänen der Sturmbahnen auf dem Übungsgelände der ehemaligen Offiziershochschule der NVA in Löbau. Dort, wo einst Rekruten schwitzten, ist jetzt Wald. © Matthias Weber/photoweber.de
Diese Betonelemente gehören zu einem unterirdischen Gang, Teil der Sturmbahn, der überwunden werden musste.
Diese Betonelemente gehören zu einem unterirdischen Gang, Teil der Sturmbahn, der überwunden werden musste. © Matthias Weber/photoweber.de
All diese Bauteile sollen jetzt aus dem Wald entfernt werden, ohne dass allzu viel vom Baumbestand dabei gefällt werden muss.
All diese Bauteile sollen jetzt aus dem Wald entfernt werden, ohne dass allzu viel vom Baumbestand dabei gefällt werden muss. © Matthias Weber/photoweber.de
Die Reste der Kletterelemente sind noch vorhanden - wie die surrealen Teile eines Waldes.
Die Reste der Kletterelemente sind noch vorhanden - wie die surrealen Teile eines Waldes. © Matthias Weber/photoweber.de
Hier waren wohl mal Seile gespannt - inzwischen frisst kräftig der Rost an den Teilen der Sturmbahn.
Hier waren wohl mal Seile gespannt - inzwischen frisst kräftig der Rost an den Teilen der Sturmbahn. © Matthias Weber/photoweber.de
Die Gestelle, die von den Rekruten überwunden werden mussten, sind zum Teil selbst konzipiert - "von der Stange" waren sie offensichtlich nicht.
Die Gestelle, die von den Rekruten überwunden werden mussten, sind zum Teil selbst konzipiert - "von der Stange" waren sie offensichtlich nicht. © Matthias Weber/photoweber.de

Auch wenn er sonst keine Unterlagen zu den Gebäuden der Offiziershochschule kennt, zu den Sturmbahnen gibt es Papiere und die hat er gesichert: "Die Offiziershochschule hatte im Bereich Georgewitz insgesamt drei verschiedene Sturmbahnen", sagt er. Hinzu kamen auf dem Areal mehrere Sportgärten für Kraftsport, Leichtathletik und Turnen, mehrere Kreistrainingsanlagen mit Mehrzweckfeldern, eine Sporthalle, eine Schwimmhalle, eine 3.000-Meter-Laufstrecke und ein Stadion. Die Sturmbahnen waren zum Teil selbst entworfen. In einem Hefter, den er durch Zufall einst erhalten hat, sind die Elemente und deren Beschaffenheit verzeichnet, ebenso die Jahre, in denen sie entstanden sind und die Zeiten, in denen die Elemente zu bewältigen waren.

Dass hier alles bald grün und nicht mehr grau ist, kann sich Baumgarten noch nicht vorstellen. Andreas Peschel von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben aber schon: Er ist für den Naturschutz zuständig und wird dafür Sorge tragen, dass nach dem Tilgen aller Spuren der NVA- und Armeegeschichte auf den Flächen Gehölze gepflanzt, Geländemulden für kleine Gewässer angelegt und alles wieder natürlicher werden kann. Ein Stück Natur auch für Wanderer und Spaziergänger.

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