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Oberland-Astwerfer muss nicht mehr vors Landgericht

Ein Tscheche ist angeklagt, über Jahre Autofahrer im Bereich Ebersbach-Neugersdorf gefährdet zu haben. Doch die Beweise sprechen in fast allen Fällen dagegen.

Von Thomas Christmann
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Mit diesen Fotos suchte die Polizeidirektion Görlitz im September 2019 nach dem Mann, der immer wieder Autofahrer im Oberland gefährdet haben soll.
Mit diesen Fotos suchte die Polizeidirektion Görlitz im September 2019 nach dem Mann, der immer wieder Autofahrer im Oberland gefährdet haben soll. © Polizei

Das Landgericht Görlitz wird kein Verfahren gegen einen Tschechen eröffnen, der Autofahrer im Oberland gefährdet haben soll. Das teilt es nun auf SZ-Anfrage mit.

Dabei sah die Staatsanwaltschaft ausreichende Beweise dafür, dass der Mann zwischen dem 30. November 2014 und dem 24. November 2019 in 52 Fällen vornehmlich Äste oder Baumstämme auf Straßen legte. Sie reichte im Januar 2021 Anklage wegen des Verdachts des schweren, vorsätzlichen Eingriffs in den Straßenverkehr ein. Nach ihrer Aussage hat er in nahe liegenden Wäldern auf Autos gewartet und oftmals Fahrern mit einer Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet, um sie zu blenden und nicht erkannt zu werden. Anschließend flüchtete er laut Anklage mit einem Fahrrad. Für seine Taten soll der Tscheche vor allem im Bereich Ebersbach-Neugersdorf unterwegs gewesen sein, aber auch Taten im Wassergrund zwischen Sohland und Taubenheim verübt haben. Die Polizei kam ihm auf die Spur, als er eine Zivilstreife behindern wollte.

Doch die Strafkammer des Landgerichts hat in 51 der 52 Fälle keinen hinreichenden Verdacht festgestellt. Der Grund: Es fehlen objektive Beweismittel, die den Angeschuldigten überführen könnten. Biologische Spuren fanden die Ermittler nur in etwa einem Viertel der Fälle, doch in keinem Zellmaterial von ihm. Ein Vergleich der gesicherten Fingerabdrücke mit denen des Mannes ergab keine Übereinstimmung. Und die von betroffenen Fahrern mitgeteilten Beschreibungen waren mangels Genauigkeit nicht geeignet, den Angeschuldigten als Täter zu identifizieren. Die Kammer veranlasste sogar, eine Vielzahl von Aufnahmen der Wildüberwachungskameras mit Lichtbildern des Tschechen per Gutachten zu vergleichen. Das Ergebnis: Die Bildqualität war so schlecht, dass keine individuellen und ausreichenden anatomischen Merkmale zu erkennen und auszuwerten waren.

"Die Verdachtsmomente gegen den Angeschuldigten konnten auch durch die umfassenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Polizei nicht erhärtet werden", teilt die Strafkammer in ihrem Beschluss vom 13. Juni mit. Die Medien schrieben über die Vorfälle, was "nicht selten zu Nachahmungstaten führt". Und dass nach dem Ergreifen des Angeschuldigten keine weiteren Fälle mehr zu verzeichnen waren, sieht die Strafkammer womöglich auch in der Berichterstattung darüber begründet. So hätte der Täter erkannt, dass die Ermittler einen hohen Aufwand zur Ergreifung betrieben. Deshalb schreckte er vor weiteren Vergehen zurück - aus Angst, entdeckt zu werden.

So bleibt nur die Tat vom 24. November 2019 übrig, bei der die Strafkammer aufgrund des Aufgriffs durch die Polizei einen hinreichenden Verdacht sieht. Dort kommt noch eine Verurteilung wegen versuchten schweren vorsätzlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte infrage. Die erwartete Freiheitsstrafe liegt jedoch weit unterhalb von vier Jahren, weshalb das Landgericht die Sache beim Schöffengericht in Zittau eröffnet hat. Der Angeschuldigte selbst ist bisher weder in Deutschland noch Tschechien vorbestraft. Er bestreitet auch, die Taten begangen zu haben.