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Nachfolger dringend gesucht - diese Idee soll Unternehmen und Jobs retten

In der Region fehlen künftig Chefs, die bestehende Firmen weiterführen. Drei Oberlausitzer wollen dagegen etwas unternehmen. Mit einer Idee, die bisher einmalig ist in Ostsachsen.

Von Romy Altmann-Kuehr
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Sie haben die SachsenTransfer Genossenschaft gegründet (von links): Karl-Anton Erath, August Friedrich und Martin Posselt.
Sie haben die SachsenTransfer Genossenschaft gegründet (von links): Karl-Anton Erath, August Friedrich und Martin Posselt. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Der Dachdeckermeister aus dem Zittauer Gebirge denkt ans Aufhören, er hat das Rentenalter längst erreicht und könnte sich zur Ruhe setzen. Aber was wird dann aus seinem Lebenswerk?, fragt sich der Unternehmer. Und aus seinen Mitarbeitern? Zehn Leute hat er in seinem Handwerksbetrieb beschäftigt. Sein Sohn ist zwar ebenfalls Handwerker, aber aus der Oberlausitz weggezogen. Und einen eigenen Betrieb zu leiten mit dem hohen finanziellen Risiko, das traut er sich nicht zu. Es ist ein Beispiel von vielen, von dem August Friedrich da erzählt. Der Zittauer ist selbst Jungunternehmer, hat die Firma "Sachsen hilft" gegründet, die im Gesundheitssektor aktiv ist.

Auch Karl-Anton Erath hört solche Geschichten in seinem Job als Vorstand der Volksbank Löbau-Zittau häufig. "Wir haben hier eine Unternehmer-Generation, die jetzt allmählich ins Rentenalter kommt", stellt der Walddorfer fest. Viele hätten nach der Wende, also vor rund 30 Jahren, ihre Betriebe aufgebaut und wollten sich jetzt zur Ruhe setzen. Offizielle Zahlen belegen das Problem: Allein in den Landkreisen Görlitz und Bautzen suchen bis 2030 rund 1.400 Unternehmen einen Nachfolger, nannte kürzlich die IHK alarmierende Zahlen. In ganz Sachsen sind 33.000 Betriebe betroffen.

Mit den Jobs bleiben auch die jungen Leute

Oft scheitert es nicht daran, dass es keinen fachlich geeigneten Nachfolger gebe, weiß Erath. Häufig schrecken jüngere Leute aber vor der hohen Investition zurück, die so eine Firmenübernahme bedeuten würde. Und hier kommt eine Idee ins Spiel, die Erath schon seit ein paar Jahren "in der Schublade hat": Eine Genossenschaft, die das Unternehmen kauft und als Gesellschafter auftritt. Finanziert wird das - wie bei einer Genossenschaft üblich - durch die Mitglieder, die Anteile an der Genossenschaft kaufen. Ganz nach dem genossenschaftlichen Prinzip: Was einer nicht schafft, können viele.

Eine Idee, die auch August Friedrich begeisterte. Er sieht das ganze auch als Denkanstoß für die Menschen in der Region: "Man muss den Leuten bewusst machen, dass es dieses Problem der Unternehmensnachfolge gibt und dass dadurch viele Firmen schließen werden. Jeder kann mit der Genossenschaft aber selbst etwas tun, um Firmen zu erhalten." Mit den Betrieben bleiben die Arbeitsplätze und mit den Jobs junge Leute in der Region, die nicht abwandern müssen, sagt er. Ein Aspekt, der die Oberlausitz weiterhin lebenswert macht.

Mit neun Mitgliedern haben sie jetzt die Genossenschaft SachsenTransfer gegründet, die in Neugersdorf ansässig ist. Neben Erath ist Martin Posselt aus Herrnhut Vorstand der neuen Genossenschaft. Er arbeitet ebenfalls bei der Volksbank. Friedrich fungiert als Aufsichtsratsvorsitzender. Alle drei, sowie die weiteren Aufsichtsratsmitglieder, arbeiten für die Genossenschaft ehrenamtlich.

Und wie funktioniert nun das Prinzip der SachsenTransfer? Die Mitglieder erwerben Anteile. Diese Summe bildet das Eigenkapital der Genossenschaft. Steht ein Unternehmen zur Übernahme an, nimmt die Genossenschaft zusätzlich Fremdkapital in Anspruch, zum Beispiel durch einen Kredit. Auch der bisherige Eigentümer bleibt mit Anteilen im Boot. So kommt der Kaufpreis für das Unternehmen zusammen. Die Genossenschaft kauft den Betrieb, der neue Geschäftsführer führt das Tagesgeschäft und erhält sein Gehalt. Vom Gewinn erhalten die Genossenschaftsmitglieder eine Beteiligung. Die liegt bei maximal fünf Prozent auf das eingezahlte Kapital. Ein Geschäftsanteil kostet 500 Euro. Maximal kann ein Mitglied 50 Anteile erwerben.

Vorstand prüft Firmen gründlich

Für die Mitglieder bleibt dabei natürlich ein Restrisiko, sollte bei einer Firma kein Gewinn abfallen. "Das ist kein Sparbuch", sagt Karl-Anton Erath. Aber: die Vorstände prüfen die zur Debatte stehenden Unternehmen im Vorfeld gründlich. "Es geht ja um bestehende Unternehmen, sodass wir auf die bisherigen Bilanzen zurückgreifen können." Sobald die Genossenschaft in mehreren Firmen Gesellschafter ist, könnten sich Verluste auch ausgleichen, so Erath.

Außerdem gehe es vor allem darum, Mitglieder zu gewinnen, die den Grundgedanken der Genossenschaft mittragen. Nämlich: bestehende Unternehmen zu erhalten und damit die Wirtschaftsstruktur in der Region.

Die Genossenschaft bleibt bei den übernommenen Firmen Gesellschafter, solange das vom Geschäftsführer gewünscht ist. "Es ist nicht unser Ziel, eine Firma zu kaufen und dann gewinnbringend weiterzuverkaufen", betont Erath.

Generell spiele es dabei auch keine Rolle, wie groß ein Unternehmen ist oder in welcher Branche es arbeitet, sagen die Vorstände. Auch, ob schon ein potenzieller neuer Geschäftsführer vorhanden ist oder erst noch gesucht werden muss, ist kein Ausschlusskriterium. "Man muss miteinander ins Gespräch kommen und gemeinsam eine individuelle Lösung finden", sagt August Friedrich.

Die Genossenschaft ist über ihre neue Webseite erreichbar - sowohl für interessierte Mitglieder, als auch für Unternehmer, die eine Nachfolgeregelung suchen.