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Digitale Dorfsirene: Die Feuerwehr in den sozialen Medien

Etliche Feuerwehren im Landkreis Meißen sind auf Facebook, Instagram und anderen Plattformen aktiv. Sächsische.de hat in Coswig, Glaubitz und Nossen nachgefragt, was sich die Kameraden davon versprechen.

Von Jakob Hammerschmidt
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Ein spektakuläres Foto von einem Müllbrand an der Industriestraße in Coswig, entstanden im Jahr 2019. Die Feuerwehr präsentiert sich unter anderem mit solchen Aufnahmen in den sozialen Medien.
Ein spektakuläres Foto von einem Müllbrand an der Industriestraße in Coswig, entstanden im Jahr 2019. Die Feuerwehr präsentiert sich unter anderem mit solchen Aufnahmen in den sozialen Medien. © FFW Coswig

Coswig/Glaubitz. Die zerstörte Front eines Autos ist in bläuliches Licht getaucht, ansonsten ist es dunkel auf der Kreuzung in Coswig. Zwei Feuerwehrleute beräumen die Unfallstelle. "Gegen 21 Uhr kam es zu einem Verkehrsunfall mit zwei beteiligten Fahrzeugen", heißt es in dem Post vom 4. Februar 2024. Die Community reagiert: Neun Daumen nach oben, drei schockierte Gesichter, ein Herz und ein Leiterwagen-Emoji.

Die Freiwillige Feuerwehr Coswig betreibt seit November 2023 einen Whatsapp-Kanal, in dem die etwa 550 Abonnentinnen und Abonnenten "kurz und kompakt die wichtigsten Infos" erhalten, wie es in der Beschreibung steht. Betrieben wird der Kanal vom Gerätewart und Hobbyfotograf Martin Haust sowie von Michael Schober, dem stellvertretenden Wehrleiter der Freiwilligen Feuerwehr Coswig. Seit mehr als sechs Jahren kümmern sich die beiden um die Öffentlichkeitsarbeit der Wehr.

"Zuerst kam Facebook und unsere Homepage", zählt Schober auf. Es folgten Instagram, TikTok, und schließlich Whatsapp, nachdem der Dienst die neue Kanal-Funktion zur Verfügung gestellt hatte. Weitere Kanäle seien vorerst nicht geplant, stattdessen sei die Neugestaltung der Webseite eine Priorität. Michael Schober ist hörbar begeistert von dem Projekt. Insbesondere das Einsatzarchiv solle überholt werden, erklärt er.

Auf dem Whatsapp-Kanal postet die Coswiger Wehr Fotos von Einsätzen mit Kurzbeschreibungen derselben. "Stichwort: Brand Elektroverteiler" liest man da, oder "Stichwort: Hilfeleistung". Aber auch Posts zur Jahreshauptversammlung oder zum Frauentag werden geteilt. Es gehe um Verständnis bei der Bevölkerung, erklärt Michael Schober das Vorgehen. Die Feuerwehr komme nicht nur, wenn es brennt. Man wolle auch die Kameradschaft zeigen und Einblicke in die Ausbildung geben.

Vom Friseur zum Einsatz

Martin Reichstädter, Gemeindewehrleiter in Glaubitz, erklärt die Präsenz der Feuerwehr Glaubitz in den sozialen Medien ähnlich. Die Bevölkerung solle die Zuständigkeiten kennen, sagt er. Und natürlich gehe es auch um die Neugierde der Menschen. "Wenn im Dorf die Sirene geht, wollen die Leute wissen, was los ist", meint Reichstädter. Michael Schober aus Coswig geht sogar noch einen Schritt weiter: Man wolle mit zeitnahen Meldungen bewusst Spekulationen unterbinden.

Ein weiterer wichtiger Grund für die Präsenz auf Facebook und Co. sei es, bei der Bevölkerung ein Bewusstsein für die Leistung der Freiwilligen zu erzeugen. Die Kameradinnen und Kameraden kämen von der Arbeit oder vom Friseur zu den Einsätzen - oder aus dem Bett, wenn es mal etwas später wird. Die Protokollierung in den sozialen Medien baue Wertschätzung auf, meint Schober, und fügt an, dass man sich in Coswig darüber nicht beschweren könne.

Spaß bei der Arbeit: Zu Weihnachten präsentierten sich die Coswiger Kameraden als Schlittenhirsche ...
Spaß bei der Arbeit: Zu Weihnachten präsentierten sich die Coswiger Kameraden als Schlittenhirsche ... © FFW Coswig
... und zu Halloween als gruselige Retter.
... und zu Halloween als gruselige Retter. © FFW Coswig

Grillvideos und Drohnenclips

Natürlich darf auch der Spaß bei der Arbeit nicht fehlen. Auf TikTok postet die Freiwillige Feuerwehr Coswig Videos vom Fahrsicherheitstraining oder beim Grillen. Die aktuelle Lage sei trist und angespannt, meint Schober, das wolle man mit lustigen Clips auflockern.

Die Glaubitzer Feuerwehr hat in puncto Technik sogar etwas voraus: Eine Drohne. "Im Landkreis haben zwei Wehren so ein Gerät: Im Süden ist das Bernsdorf, im Norden sind das wir", erklärt Gemeindewehrleiter Reichstädter. Der fliegende Helfer wird hauptsächlich für Einsätze verwendet, beispielsweise am 28. Februar für die Suche nach einer vermissten Person nahe Diesbar-Seußlitz. Die Glaubitzer Wehr nutzt die Drohne jedoch auch, um ihre Instagram-Videos mit edlen Kamerafahrten aufzupeppen. Das sieht gut aus, und macht außerdem Spaß, wie Reichstädter hinzufügt.

Auch die Suche nach neuen Mitgliedern und Nachwuchs dürfte von solchen lustigen und eindrucksvollen Kurzvideos profitieren. Marcus Weinert, der bei der Ortsfeuerwehr Nossen hauptverantwortlich für die Medienarbeit ist, zieht diesbezüglich eine positive Bilanz: Die Nachwuchsgewinnung durch die sozialen Medien habe sich bemerkbar gemacht, der Altersdurchschnitt unter den Kameraden sei gesunken.

Die Drohne der Feuerwehr Glaubitz. Sie wird sowohl bei Einsätzen als auch zum Filmen genutzt.
Die Drohne der Feuerwehr Glaubitz. Sie wird sowohl bei Einsätzen als auch zum Filmen genutzt. © Feuerwehr Glaubitz

Positive Resonanz erzeugen

Nicht alle Einsätze der Wehren lassen sich jedoch spannend in Szene setzen. Am 11. November 2023 leisteten die Glaubitzer Unterstützung bei einem Unfall auf der A4 nahe dem Dreieck Nossen. Ein Lkw war auf einen Gefahrguttransport aufgefahren. Der Fahrer des aufgefahrenen Lkw verstarb noch vor Ort. 233 Nutzern gefällt der Beitrag auf Instagram.

Wie geht man mit solchen tragischen Sachverhalten um? "Wir achten natürlich auf Wortwahl und Bildmaterial", erklärt Martin Reichstädter von der Glaubitzer Wehr. Und auch Michael Schober hat für Posts der Coswiger Feuerwehr klare Regeln. "Keine Fotos von Betroffenen", zählt er auf, "Werbung und Kennzeichen werden verpixelt." Für die Beschreibungen verwende man einheitliche Textbausteine, die auch bei Amtshilfen zum Einsatz kämen. "Fotos von Toten, das schickt sich einfach nicht", stellt er klar.

Für die Nossener Feuerwehr, die häufig mit Autobahnunfällen zu tun hat, ist die Aufarbeitung schwerer Verkehrsunfälle in den sozialen Medien eine Gratwanderung. Auch hier gilt: Keine Fotos von aktiven Rettungsprozessen, keine Personen in Fahrzeugen werden gezeigt, aus Respekt vor den Angehörigen. Doch Marcus Weinert stellt auch klar: Manche Dinge müssen gezeigt werden. Man wolle bei der Bevölkerung ein Bewusstsein für die Schwere dieser Unfälle und die freiwillige Arbeit der Kameraden herstellen. "Wir haben kein Jahr ohne einen Toten", wird Weinert deutlich.

Michael Schober von der Feuerwehr in Coswig weiß natürlich, dass derartige Inhalte Reichweite schaffen. Es sei ihm jedoch wichtiger, auf anderem Wege positive Resonanz zu erzeugen. Was er damit beispielsweise meint, ist ein Einsatz vom 5. Februar 2024, den die Coswiger Feuerwehr auch über Whatsapp geteilt hat. Der Eintrag ist mit den Stichworten Hilfeleistung, Tragehilfe für Rettungsdienst und Kind kommt versehen. "Dieses Stichwort lesen wir extrem selten. Am Einsatzort eingetroffen, begrüßten wir nach dem Rettungsdienst das Kind, denn es war bereits auf die Welt gekommen. Wir unterstützten beim Tragen der Mutter durch das enge Treppenhaus." Neun Herzen, acht Daumen nach oben, und zwei Emojis mit Herzaugen.

Die Wehren in den sozialen Medien:

Coswig: Facebook - Instagram - Whatsapp - Webseite

Glaubitz: Facebook - Instagram

Nossen: Facebook - Instagram