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Käbschütztaler Bürgermeister im Interview: "Eigentlich sind wir pleite"

Käbschütztal ist mit über einer Million in den Miesen, sagt Bürgermeister Frank Müller. Die Gemeinde stemmt trotzdem Investitionen. Zu einem hohen Preis.

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Frank Müller ist seit September 2022 Bürgermeister von Käbschütztal. Zuvor war der 57-jährige gebürtige Riesaer Leiter der Bauverwaltung in der Gemeinde.
Frank Müller ist seit September 2022 Bürgermeister von Käbschütztal. Zuvor war der 57-jährige gebürtige Riesaer Leiter der Bauverwaltung in der Gemeinde. © Claudia Hübschmann

Herr Müller, seit gut eineinhalb Jahren sind Sie nun Bürgermeister von Käbschütztal. Ihr Vorgänger hatte stets mit großen finanziellen Problemen zu kämpfen. Sie auch?

Problem ist wohl eher eine Untertreibung. Eigentlich sind wir pleite, jeder Privatmann müsste Insolvenz anmelden. Derzeit sind wir mit 1,1 Millionen Euro im Minus. Dieses Defizit wird sich in drei, vier Jahren auf drei Millionen erhöhen, wenn nichts passiert.

Was soll denn passieren?

Wir haben schon 2018 und danach immer wieder Anträge auf Bedarfszuweisungen beim Land Sachsen gestellt. Alle wurden abgelehnt, zuletzt im September vorigen Jahres. Ich habe Widerspruch eingelegt, am 31. Januar gibt es erneut ein Gespräch mit der Landesregierung. Schlüsselzuweisungen, also Zuschüsse des Landes, gibt es nach Einwohnerzahl. Da sind wir benachteiligt, weil wir flächenmäßig eine große Gemeinde sind, aber wenige Einwohner haben. Immerhin müssen wir unter anderem 53 Kilometer Straßen und 23 Brücken unterhalten.

Brückenzustand ist alarmierend

Sie waren zuvor Leiter der Bauverwaltung und beklagten zu Recht den ruinösen Zustand von Brücken und Durchlässen, mussten sogar einzelne Brücken für den Verkehr sperren lassen. Hat sich an der Situation grundlegend etwas geändert?

Schön wär's. Im Gegenteil, es ist noch schlimmer geworden. An der Brücke Görna hat sich nichts getan, in Leutewitz wurde eine Brücke eingeengt und die Tonnage begrenzt, eine weitere gesperrt, ebenso in Käbschütz. Für einen Brückenbau in Görna wären rund 360.000 Euro nötig. Dort müssen wir nach Alternativen suchen, eventuell ein Durchlass. Wir können insgesamt für alle Straßen und Brücken im Gemeindegebiet im Jahr nur 200.000 Euro verbauen.

Trotzdem hat die Gemeinde im vergangenen Jahr 410.000 Euro für Straßenbau- und -erhaltung ausgegeben. Wie geht das?

Durch Fördermittel, es waren insgesamt 220.000 Euro. Geld für den Eigenanteil nehmen wir aus unserem Budget für die Straßen, Kredite werden nicht genehmigt. Zusätzliche Leistungen müssen wir alle über den Kassenkredit finanzieren, vergleichbar mit einem Dispo. Die Zinsen sind entsprechend hoch. Wir zahlen für die Investitionen also einen hohen Preis. An dieser Stelle möchte ich allen Gemeinderäten danken. Sie haben die Vorschläge der Verwaltung mitgetragen und nach konstruktiver Beratung den Beschluss gefasst.

Fahrzeug passt nicht ins Feuerwehrhaus

Ein Problem in Käbschütztal waren und sind die Feuerwehrfahrzeuge, die teils sehr alt und in einem sehr schlechten Zustand sind. Gibt es das etwas Neues?

Ja, es gibt auch gute Nachrichten. Für die Feuerwehr Löthain haben wir ein Löschgruppenfahrzeug für 529.000 Euro bestellt, das in diesem Jahr geliefert werden soll. Davon gibt es 212.000 Euro Förderung. Den Eigenanteil von 317.000 Euro müssen wir ebenfalls über den Kassenkredit finanzieren. Auch in Großkagen bekommt die Feuerwehr in diesem Jahr ein neues Löschfahrzeug für 390.000 Euro, davon 201.000 Euro Förderung. Neben dem Eigenanteil gibt es hier ein weiteres Problem.

Welches denn?

Das Fahrzeug passt nicht ins Feuerwehrhaus.

Wie wollen Sie das Problem lösen?

Gute Frage. Zunächst wollen wir das Fahrzeug in einer anderen Feuerwehr unterstellen. Das Haus in Großkagen war 1995 das erste Feuerwehrhaus im damaligen Landkreis Meißen, es wurde dafür ein ehemaliger Stall umgebaut. Das Gebäude ist abgeschrieben und hat große statische Mängel. Entweder wir bauen in Großkagen ein neues Feuerwehrhaus oder an einem anderen Standort. Das entscheiden wir nach der Fortschreibung des Brandschutzbedarfsplanes, der im Februar fertig sein soll.

Sind mit den beiden Fahrzeugen damit die Probleme gelöst?

Nein. Wir bekommen noch ein drittes Fahrzeug für Krögis. Dieses schafft aber der Freistaat Sachsen an, weil es für den Katastrophenschutz eingesetzt wird. Laut unserem gültigen Brandschutzbedarfsplan haben wir aber noch das Problem, dass wir einige Ortsteile nicht in der vorgeschriebenen Zeit erreichen.

Wieso das?

Wir müssten laut Brandschutzbedarfsplan eigentlich den vor Jahren geschlossenen Feuerwehrstandort Niederjahna wieder öffnen. Aber auch das entscheiden wir nach der Fortschreibung des Brandschutzbedarfsplanes.

Vor zwei Jahren wurde die energetische Sanierung der Sporthalle in Krögis abgeschlossen. Geplant war, in dem ehemaligen Heizungsraum einen Werkraum für Ganztagsschüler einzurichten. Was ist aus diesem Projekt geworden?

Wir haben jetzt den Bauantrag gestellt, damit wir die Fördermittel beantragen können. Das Projekt mit einem Volumen von etwa 600.000 Euro streben wir mit einer vollständigen Förderung an. Hier sehe ich die wenigsten Probleme, weil es sich bei der Schule um eine Pflichtaufgabe der Gemeinde handelt.

Kritiker meinen, die Gemeinde habe mit dem Verkauf von gemeindlichen Wohnungen in Krögis ihr Tafelsilber verscherbelt. Mieter fürchteten Luxussanierungen und steigende Mieten. Ist davon bisher etwas eingetroffen?

Mir ist davon nichts bekannt. Der Eigentümer hat Dach, Fassade und Balkone saniert. Da es sich nicht um Modernisierungen handelt, sind laut Eigentümer die Mieten nicht gestiegen. Nur bei Neuvermietungen solle dies der Fall sein. Ohne den Verkauf der Wohnungen wäre übrigens unser Defizit noch deutlich höher.

Kaum zu glauben, aber wahr, Käbschütztal besteht 30 Jahr´. Eine Liebesheirat war das damals sicher nicht. Hat sich die Gemeinde inzwischen zusammengerauft, auch angesichts der Tatsache, dass es keinen willigen Fusionspartner gibt?

Ich denke, die Gemeinde ist mittlerweile zusammengewachsen. Das kleine Jubiläum wollen wir vom 23. bis 25. August sozusagen im kleinen Kreis mit der Dorfgemeinschaft und der Partnergemeinde feiern. Wir haben in Käbschütztal eine sehr gute Verwaltung, viele aktive Vereine. Das Dorf hält zusammen, arbeitet und feiert zusammen. Deshalb bin ich optimistisch, dass es die Gemeinde Käbschütztal auch in weiteren 30 Jahren noch gibt.

"Wir brauchen unsere Bauern"

Die Gemeinde ist sehr von der Landwirtschaft geprägt. Haben Sie Verständnis für die Proteste der Bauern wegen der geplanten Kürzung und Streichung von Subventionen?

Ich habe sehr viel Verständnis dafür. Wir brauchen unsere Bauern, auch weil sie für die Gemeinde Arbeiten wie Grasmahd und Winterdienst übernehmen. Ein Landwirt im Nebenerwerb sagte mir, wenn die Subventionen für Agrardiesel und Steuern gestrichen werden, müsse er seinen Betrieb dicht machen. Da ist er keine Ausnahme. Vor allem die Kleinen trifft es am meisten.

In Krögis war die Errichtung eines Eigenheimstandortes auf dem Gelände der früheren Apfelplantage geplant. Was ist aus diesem Projekt geworden?

Das Projekt läuft, der Investor möchte das Gebiet gern in diesem Jahr erschließen und 2025 mit dem Bau von 14 Eigenheimen und einer Sozialeinrichtung beginnen.

Ein Aufregerthema ist die Grundsteuerreform. Halten Sie das Versprechen Ihres Vorgängers, dass die Gemeinde den Hebesatz senken wird, falls die neue Grundsteuer höhere finanzielle Belastungen für Eigentümer und Mieter bringt?

Wir möchten das gern tun, um unsere Bürger nicht noch höher zu belasten. Die Frage wird sein, welchen Spielraum uns der Freistaat Sachsen mit unserer Finanzlage lässt.

Ist Bürgermeister ein Job, wie Sie ihn erwartet hatten?

Ja, ich arbeite ja schon lange in der Verwaltung, wusste, was auf mich zukommt. Was ich nicht wusste, war, dass die neue Mitarbeiterin, die für mich im Bauverwaltungsamt eingestellt wurde, schon seit längerer Zeit ausgefallen ist. So übernehme ich einen Teil dieser Aufgaben auch noch mit. Ansonsten ist es für mich eine neue Erfahrung, dass ich als Bürgermeister quasi für alles die Verantwortung trage. Aber das habe ich ja gewollt.

Das Gespräch führte Jürgen Müller