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Meißens Kultkneipe macht dicht: Der letzte Tag im Loch

Wer mag, kann sich ein Stück vom "Loch" nach Hause holen. Große Teile des Interieurs werden am dritten Juliwochenende vertrödelt.

Von Ines Mallek-Klein
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Volles Haus war im Loch die Regel und nicht die Ausnahme. Bei den Einheimischen bewährt und bei Meißen-Besuchern beliebt, empfahl sich eine Tischreservierung.
Volles Haus war im Loch die Regel und nicht die Ausnahme. Bei den Einheimischen bewährt und bei Meißen-Besuchern beliebt, empfahl sich eine Tischreservierung. © Claudia Hübschmann

Meißen. Die Rosenblüten liegen auf dem Kopfsteinpflaster in der Meißner Elbstraße. Verstreut von einem Stammgast, der am Freitagmorgen von der Nachtschicht nach Hause ging und es sich nicht nehmen lassen wollte, Frank Große und seine Frau Christiane zu überraschen. Das Vorhaben ist geglückt. Beide haben Tränen in den Augen, als sie das Blütenmeer sehen. Es sind Tränen der Rührung, aber auch des Abschieds. Denn der letzte Tag im Juni ist zugleich auch der letzte Tag in der Geschichte der Kultkneipe "Zum Loch". Das Wirtshaus, das einzige echte in ganze Meißen - wie viele Gäste behaupten - macht dicht.

Und die Fangemeinde trauert. Es ist erst kurz nach zehn Uhr morgens, als erste Bekannte kleine Präsente vorbeibringen - zur Aufmunterung. Denn der Abschied fällt schwer, nicht nur den Gästen, auch den Wirtsleuten selbst. Frank Große, der nach einem Motorradunfall keine Dächer mehr decken konnte, hatte 1983 in der Elbstraße 27 seine Broilerbar eröffnet. Die Namen des Gasthauses haben seitdem gewechselt, nicht aber der Mann hinter dem Zapfhahn, aus dem auch heute noch das 0,5er Bier für drei Euro in das Glas fließt. Auf der Speisekarte findet sich gutbürgerliche Küche zu fairen Preisen, die Pellkartoffeln mit Quark und Leberwurst für aktuell 9,90 Euro. Bis zu 150 Portionen gingen an manchen Tagen über den Tisch. Mindestens so viel werden es am letzten Tag werden, ist Frank, genannt Franky, Große überzeugt.

Dann ist Schluss mit der Küche. Die vier Angestellten haben längst neue Jobs gefunden. Denn im "Löchlein", das im September in der Marktgasse 5 eröffnen wird, will man sich auf die Getränke konzentrieren. Zu Essen gibt es Kleinigkeiten, wie eine Bockwurst oder eine Fettbemme, sagt Christian Große. Auch das Würzfleisch, für das das Loch legendär ist, ist dann von der Karte gestrichen. "Wir werden insgesamt etwas kürzertreten", sagt Christiane Große, die offiziell die Inhaberin der Kultkneipe ist. Ihr Mann sei jetzt Rentner und man wolle endlich auch mehr Zeit für die Enkel haben. "Die leben in Berlin und wir haben sie zuletzt im Januar gesehen", so Christiane Große.

Inhaberin Christiane Große unter ihren Gästen.
Inhaberin Christiane Große unter ihren Gästen. © Claudia Hübschmann

Nach all den Jahren im Dienste der Gäste werde es Zeit, selbst Urlaub zu machen. Das Loch hatte 364 Tage im Jahr geöffnet, oft bis weit nach Mitternacht. Und morgens um 6 Uhr ging das Licht in der Küche wieder an. Die rollende Woche raubte Kräfte. Um die nun wieder aufzutanken, werden sich die Großes im Oktober auf nach Schweden machen, um dort liebe Freunde zu besuchen.

Doch zuvor heißt es noch, die Kultkneipe auszuräumen. "Die Dekoration ist über Jahrzehnte zusammengetragen, sie gehört meinem Mann", sagt Christiane Große. Lieblingsstücke werden ins Löchlein mit umziehen. Der Großteil soll vertrödelt werden, und zwar am dritten Juliwochenende. Wer will, kann sich ein Stück vom Loch mit nach Hause nehmen. Allerdings, räumt die Wirtin ein, seien viele der Stücke schon von Stammgästen reserviert worden.

Die kommen keineswegs nur aus der Region. Gerade spaziert eine Familie aus Berlin vorbei. "Das ist so schade", sagt die Frau. "Wir waren oft in Meißen und dann immer hier in dieser urigen Kneipe", ergänzt sie. Christiane Große ist gerührt und wischt sich eine Träne ab. Es wird nicht die letzte an diesem Tag sein, "denn", sagte sie, "so langsam wird einem bewusst, dass das heute hier wirklich zu Ende geht". Man kann schon erahnen, dass es keine Umsatzprobleme sind, die die Großes zum Aufgeben ihrer Kneipe zwingen.

Es gibt bauliche Gründe. Das Haus, in dem die Gastronomen nur eingemietet sind, ist stark sanierungsbedürftig. Die Hochwasser 2002, 2006 und 2013 haben ihre Spuren hinterlassen, die nie komplett und fachmännisch behoben wurden. Noch dramatischer aber ist, dass die Eichenbohlenkonstruktion, auf der das Haus einst errichtet wurde, instabil wird. Grund ist der sinkende Grundwasserspiegel als Folge von Klimawandel und fehlenden Regenfällen. Man müsste, um das Haus zu retten, richtig viel Geld investieren. Ob die Eigentümer, die nicht in der Region Zuhause sind, das tun werden? Das ist den Großes mittlerweile egal. Sie haben ihre Entscheidung getroffen und sagen "auf Wiedersehen im Löchlein".