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Trübe Aussichten: Droht im Landkreis Meißen das große Kneipensterben?

In den vergangenen zwei Jahren hat das Elbland schon 100 Gaststätten verloren. Nun drohen weitere Schließungen mit Folgen für die Region und den Tourismus.

Von Ines Mallek-Klein
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Seit 18 Jahren ist Frank Arold der Chef des Meißner Hofs. Seit der Coronapandemie führt er die Geschäfte allein, bis Ende Oktober. Dann schließt das Meißner Traditionshaus - für immer.
Seit 18 Jahren ist Frank Arold der Chef des Meißner Hofs. Seit der Coronapandemie führt er die Geschäfte allein, bis Ende Oktober. Dann schließt das Meißner Traditionshaus - für immer. © Claudia Hübschmann

Meißen. Auf dem Herd köcheln die Rouladen. Sie gehören zu den Klassikern, die der Gast auf der Karte des Meißner Hofs findet. Das Haus liegt in zweiter Reihe, in einer Nebenstraße der Elbstraße, die zum Meißner Markt führt. Das ist ein Problem für den Gastronomen Frank Arold, der seit 18 Jahren das Gasthaus führt. Die Stammgäste finden ihn, aber mit Laufkundschaft sieht es nicht gut aus - erst recht, wenn die Sommertage kalt und verregnet sind. Aber Frank Arold will nicht klagen. Er richtet die Servietten und legt die Menükarten für das Mittagsgeschäft über Eck. Alles muss seine Ordnung haben, einem Plan folgen.

Den wünschen sich Gastronomen wie Frank Arold auch von der Bundesregierung. Die wird im September darüber beraten, ob die Mehrwertsteuersenkung von 19 auf sieben Prozent wieder zurückgenommen wird. Der Branchenverband Dehoga läuft Sturm und warnt vor einem großen Kneipensterben. Eine Umfrage unter gut 570 Gastronomiebetrieben in ganz Sachsen zeigt, dass knapp acht Prozent der Unternehmen zum Jahresende schließen werden, wenn der alte Steuersatz auf Speisen und Getränke zurückkommt. Etwa jeder Zweite gibt an, noch nicht genau zu wissen, wie sich das auf seine Geschäftstätigkeit auswirken wird.

"Es gibt eine Grenze"

Die Bundesregierung hatte im Sommer 2020, nach der Lockerung der Ausgangsbeschränkungen, beschlossen, den Restaurantbesuch attraktiver zu machen und die steuerliche Benachteiligung von Restaurants gegenüber Angeboten von Imbissen und Caterern aufzuheben. Die Steuer wurde abgesenkt. Eine Regelung, die zunächst nur bis Mitte 2021 gelten sollte, dann aber noch einmal bis Ende 2022 verlängert wurde. Dass dann eine nochmalige Fortschreibung erfolgte, hatte nichts mehr mit Corona zu tun. Die Ampel in Berlin wollte die Branche von inflationsbedingten Mehrausgaben und den gestiegenen Energiekosten entlasten. Doch nun, zum 31. Dezember 2023, droht die Rückkehr zu alten Verhältnissen.

"Für das Elbland bedeutet das, dass die Zukunft von rund 35 Restaurants und Kneipen ungewiss ist", sagt Axel Klein. Und der für Sachsen zuständige Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes ergänzt: "Das schmerzt besonders, denn die touristisch beliebte Region hat in den vergangenen zwei Jahren bereits 100 Gaststätten verloren". Aktuell gäbe es im Kreis Meißen nur noch 442 kleinere und größere Gaststätten. "Sie machen die Region attraktiv, nicht nur für touristische Gäste, sondern auch für die Menschen, die hier zu Hause sind", so Axel Klein. Immerhin, das Elbland als Weinanbaugebiet steht für kulinarische Genüsse und Vielfalt. Die Geschäftsaufgaben träfen aber eben oft nicht den Pizzalieferservice oder den Döner um die Ecke, sondern vielfach Traditionslokale, wie den Meißner Hof mit guter regionaler Küche.

"Die Zutaten sollen aus der Region stammen, nachhaltig erwirtschaftet werden und möglichst kurze Lieferwege habe", so Klein. Das sei aber zweifelsfrei mit höheren Kosten verbunden. Wie lange die Kunden bereit sind, diese mitzutragen, bleibe fraglich. Kaum ein Haus, das seine Preise in den zurückliegenden Monaten nicht nach oben angepasst hat. "Aber unseren Mitgliedern ist bewusst, es gibt eine Grenze", so Axel Klein. Er wolle nicht, dass der Restaurantbesuch künftig nur noch einer Minderheit vorbehalten bleibe.

Koch, Barmann und Kellner in einem

Genauso könnte es aber kommen, denn die angedachte Rückkehr der Mehrwertsteuer auf ihr altes Niveau bedeute nicht, dass jedes Essen, jedes Getränk nur zwölf Prozent teurer werde. Um die Preis- und Lohnsteigerungen nur annähernd zu berücksichtigen, kämen auf die heutigen Preise mindestens 20 Prozent obendrauf, so Axel Klein. Dass das nicht ohne Folgen für die Besucherzahlen bleibt, ist Sachsens oberstem Gastronomiechef wohl bewusst. Deshalb sucht sein Verband landesweit das Gespräch mit Politikern, allen voran denen der Regierungskoalition. Man will sie für das Thema sensibilisieren. Eine Entscheidung über den künftigen Mehrwertsteuersatz soll dann voraussichtlich im November fallen, nachdem die Zahlen der Steuerschätzung vorliegen.

Hinter der Gastronomie, auch im Elbland, liegen schwierige Monate und noch immer hat sie das Umsatzniveau von 2019 nicht wieder erreicht. "Da fehlen noch gut 14, 15 Prozent", so der Dehoga-Chef. Es gibt aber auch Erfreuliches zu berichten. Es entscheiden sich wieder mehr junge Menschen für einen Job in der Gastronomie. Die Zahl der 2023 abgeschlossenen Ausbildungsverträge lag deutlich über dem Vorjahresniveau. "Da zahlt sich aus, dass wir die Berufe mit Drei-Gänge-Menüs ganz praktisch in der Schule bewerben, aber auch, dass die Ausbildungsvergütung deutlich gestiegen ist", so Axel Klein. Das kann man von den Löhnen noch nicht sagen. In der Gehaltsstatistik liegen die Kellnerinnen und Kellner weit hinten, kurz vor den Floristen und Frisören.

Frank Arold stand die letzten Monate allein in seiner Gaststube, war Koch, Barmann und Kellner in einem. Dass er den Meißner Hof im Oktober ein letztes Mal abschließen wird, liege aber nicht am Verdienst und auch nicht an den ausbleibenden Gästen, sondern an seinem Alter und den Plänen des Hauseigentümers. Der möchte die Immobilie in der Altstadt sanieren und plant dort, wo heute der Tresen steht, Wohnzimmer mit Küche und Bad. Ob Frank Arold der Abschied schwerfallen wird? "Das fragen sie mich am besten nochmal, wenn es so weit ist", so Arold. Er wird dann sein verdientes Ruhestandsgeld beziehen, und Meißen hat, nach dem legendären Wirtshaus "Zum Loch", binnen weniger Wochen eine Kneipe weniger.