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Das Wunder von Oberau: "Wasser marsch!" am Schlossgraben

Nach einem Fehlversuch läuft wieder Wasser in den Graben um ein Schloss, das heute hätte gar nicht mehr existieren dürfen.

Von Ines Mallek-Klein
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Bis der Wassergraben am Oberauer Schloss komplett gefüllt ist, wird es wohl zwei Wochen dauern.
Bis der Wassergraben am Oberauer Schloss komplett gefüllt ist, wird es wohl zwei Wochen dauern. © Claudia Hübschmann

Oberau. Die Sonne scheint nicht an diesem Dienstagvormittag. Trotzdem trifft man vor dem Wasserschloss in Oberau auf viele strahlende Gesichter. Es ist kurz nach elf Uhr, als Bürgermeister Thomas Claus an dem metallenen Rad dreht und die Schleuse sich langsam schließt. Jetzt wird das Wasser aus dem Niederauer Dorfbach in den Schlossgraben geleitet. Ein fast historischer Moment, denn der Wassergraben, der dem Schloss zu seinem Namen verhalf, lag weit mehr als zwei Jahrzehnte trocken. Nur einmal, während des Hochwassers 2013, diente er für einige Tage als Staubecken, um den Überlauf des Schwemmteiches in Niederau zu verhindern.

Der Dorfbach läuft plätschernd und schäumend in den Wassergraben. Noch schauen die Schilfspitzen heraus. Damit das so bleibt, werden sie kräftig wachsen müssen. Anfang Januar hatten der Förderverein und die Gemeinde schon einmal den Wassergraben geflutet. Es dauerte zweieinhalb Tage, dann hatte der durch Regen und Schneeschmelze gut gefüllte Dorfbach den Wasserring gefüllt. Aber, eine alte, vor Jahrzehnten verschlossene Schleuse, wurde zum Problem. Sie ließ das Wasser entweichen, das einige Dutzend Meter weiter abwärts plötzlich als Springbrunnen auf der Parkwiese wieder auftauchte. Damit, so Bürgermeister Claus, hatte man nicht gerechnet. Beim zweiten Füllversuch solle nun die Wasserzufuhr schrittweise erfolgen. Es werden wohl bis zu zwei Wochen dauern, bis der Schlossgraben endgültig vollgelaufen ist.

Umsiedler verhinderten Abriss des Schlosses

Dagmar Girke kennt ihn noch aus den 1970er-Jahren. Da führte der Zugang zum Schloss über eine Brücke mit Rundbögen, unter denen man beim Schlittschuhfahren mit ihren Kindern prima hindurch sausen konnte. Zwischenzeitlich war die Brücke so baufällig geworden, dass man einen Damm aufgeschüttet hat. Dagmar Girke hat zur Flutung des Schlossgrabens ihre Kamera mitgebracht, so einen Moment müsse man im Bild festhalten, sagt sie, voller Stolz, was aus dem ruinösen Schloss mittlerweile geworden ist.

Dank eines Fördervereins und seiner engagierten Mitglieder, denen Bürgermeister Thomas Claus ausdrücklich dankte. Er hat in den Archiven der Gemeinde gestöbert und ist auf ein Dokument der Landesverwaltung Sachsen gestoßen. Sie hatte verfügt, dass das Schloss heute eigentlich hätte gar nicht mehr existieren dürfen. Es sollte bis zum 30. August 1949 abgerissen werden. Dass das nicht geschah, lag an der großen Zahl von Umsiedlern, die in der Gemeinde Oberau Zuflucht gefunden hatten. Nicht wenige von ihnen waren im Schloss untergebracht.

Es war Dienstag kurz nach elf Uhr, als das erste Wasser aus dem Dorfbach in den Schlossgraben lief. Neben Mitgliedern des Fördervereins, Mitarbeitern des Bauhofs und Bürgermeister Thomas Claus waren auch einige Oberauer gekommen, um bei dem historischen M
Es war Dienstag kurz nach elf Uhr, als das erste Wasser aus dem Dorfbach in den Schlossgraben lief. Neben Mitgliedern des Fördervereins, Mitarbeitern des Bauhofs und Bürgermeister Thomas Claus waren auch einige Oberauer gekommen, um bei dem historischen M © Claudia Hübschmann

Das ist im Inneren noch stark sanierungsbedürftig. "Wir haben in den nächsten Wochen und Monaten damit zu tun, das Gebäude zu entrümpeln", sagt Jana Sang, die Vorsitzende des Fördervereins. Sie führt ein Herzensprojekt von Steffen Sang, dem langjährigen Bürgermeister von Niederau fort. Er war vor gut zwei Jahren nach schwerer Krankheit viel zu früh gestorben und wurde nur 59 Jahre alt. Das neue Dach für das Schloss hat er mit geplant. Seine Fertigstellung erlebte er nicht mehr.

Das Schloss, das einige Jahre dem Verein Offene Häuser im Rahmen eines Erbbaupachtvertrages gehörte, fand 2012 mit dem Förderverein Menschen, die sich dem Verfall entgegenstemmen und das Kleinod herausputzen. Einer von ihnen ist Ulrich Paul. Er leitete den Förderverein von 2014 bis 2018. Heute gehört er zu der Seniorenbrigade, die sich einmal im Monat trifft, um Schutt aus dem Schloss zu tragen, die provisorischen Fenster zu kontrollieren und Baufreiheit für die Fachfirmen zu schaffen.

Defekter Schieber wurde aufwändig repariert

Von ihnen werden noch einige am Schloss werkeln. Dort leben derzeit viele ungebetene Gäste. Der Holzwurm hat Teile der historischen Bausubstanz befallen. Ihm will der Förderverein im September den Garaus machen. Da ist die Begasung des Schlosses geplant. Dafür muss der Schlossteich erneut abgelassen werden. "Wir müssen wieder Gerüste stellen für die Planen, die das Schloss abdichten und das geht mit einem gefüllten Wassergraben nicht", sagt Jana Sang.

Der defekte Schieber wurde übrigens aufwendig repariert. "Wir haben das Material bezahlt, der Förderverein hat seine Arbeitsleistung eingebracht", so Bürgermeister Claus. Bretter, Sand und Steine zeugen jetzt noch von der Havariestelle, die schon bald im Wasser verschwunden sein wird. Auf diesem Teil des Grabens steht übrigens ein Entenhäuschen. Ein Tischler aus dem Ort hatte es vor 15 Jahren nach historischem Vorbild gebaut. 2023 wurde es von Fördervereinsmitgliedern mit einem Dach versehen und gestrichen. Nun laufen schon Wetten, wie lange es dauern wird, bis sich hier die erste Entenfamilie niederlässt.