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Schulbus-Ärger im Kreis Meißen: Junge irrte stundenlang durch den Wald

Ein Schüler pendelt zwischen Tauscha und Weinböhla mit dem Bus. Der Busfahrer hat schon öfter seinen Haltewunsch ignoriert. Das hätte am 8. Mai böse enden können.

Von Ines Mallek-Klein
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An der Bushaltestelle Meißner Berg in Radeburg muss Bastian* von der Linie 456 auf die  Linie 403 wechseln. Weil der Busfahrer  seinen Haltewunsch ignorierte, geriet der Gymnasiast Anfang Mai in eine gefährliche Situation.
An der Bushaltestelle Meißner Berg in Radeburg muss Bastian* von der Linie 456 auf die Linie 403 wechseln. Weil der Busfahrer seinen Haltewunsch ignorierte, geriet der Gymnasiast Anfang Mai in eine gefährliche Situation. © Norbert Millauer

Tauscha. Es ist ein Montagmorgen. Das Thermometer zeigt sechs Grad über null, als sich Bastian* auf den Weg zur Schule macht. Der Elfjährige lernt am Gymnasium in Weinböhla, lebt mit seinen Eltern aber in Tauscha. Der Schulweg ist lang und anspruchsvoll, einmal muss Bastian umsteigen. Und das ist das Problem, und zwar schon seit Beginn des laufenden Schuljahres.

An jenem Morgen des 8. Mai aber eskalierte die Situation. Der Busfahrer der Linie 456 ignorierte den Haltewunsch des Schülers am Meißner Berg in Radeburg – wieder einmal. Der hatte rechtzeitig auf den Knopf gedrückt, die rote Anzeige blinkte und Bastian hat versucht, zusätzlich auf sich aufmerksam zu machen. Doch der Busfahrer fuhr einfach weiter, hielt erst vor der Grundschule. Da der Bus ohnehin schon acht Minuten Verspätung hatte, brauchte Bastian gar nicht erst zu versuchen, zum Meißner Berg zurückzurennen. Sein Anschlussbus nach Weinböhla war weg. Er suchte nach dem Handy, wollte seine Mutter erreichen, die ihn in dieser misslichen Lage in den letzten Wochen schon zu oft geholfen hatte. Doch der Akku war leer, das Handy tot. Bastian wusste sich nicht anders zu helfen. Er machte sich zu Fuß auf den Rückweg nach Hause.

Halbherzige Entschuldigungen

Es ist 8.35 Uhr, als bei seinem Vater das Handy klingelt. Die Sekretärin der Schule fragt, wo Bastian denn bleibe, der Unterricht habe vor fünf Minuten begonnen. Die besorgten Eltern machten sich auf die Suche nach ihrem Sohn. Ein Patenkind, das in der Grundschule Radeburg lernt, erzählt, dass Bastian bis hierher mitgefahren sei. Doch danach verliert sich seine Spur. Der Elfjährige irrt derweil durch den Wald. Er hatte bewusste eine Strecke fernab der viel befahrenen Straße gewählt, sich dann aber hoffnungslos verirrt. Es ist immer noch eisig kalt und beim Überqueren eines Baches landet er bis zum Bauchnabel im Wasser. Er kriecht tropfnass auf der anderen Seite die Böschung nach oben.

Es ist mittlerweile nach 11 Uhr und die Eltern entscheiden sich – nachdem sie die Strecke nach Weinböhla abgefahren sind – bei der Polizei eine Vermisstenanzeige aufzugeben. So groß wie ihre Sorge ist aber auch ihre Wut, Wut auf den Busfahrer und die Verkehrsgesellschaft Meißen, die den Schulbus auf dieser Linie bedient. Seit September haben sich seine Tochter und auch er immer wieder an die VGM gewandt, das Problem angesprochen, erklärt der Opa von Bastian. "Wir haben das Gefühl, das interessiert dort niemanden", sagt er weiter. Immer wieder kamen ausweichende Erklärungen, halbherzige Entschuldigungen und das Versprechen, den betreffenden Busfahrer auf das Problem hinzuweisen.

Liegen die Verspätungen an der Baustelle?

Immerhin, bei der Verkehrsgesellschaft Meißen kennt man das Problem. "Der morgendliche Umstieg von der Linie 456 zur Linie 403 in Radeburg ist bei der VGM eingeplant", erklärt eine Sprecherin. "In wenigen Fällen kam es vor, dass die vom Subunternehmen eingesetzten Fahrpersonale den angezeigten Haltewunsch am Meißner Berg leider übersehen haben und bis zur Grundschule fuhren", räumt die VGM ein. Man könne in drei Minuten zum Meißner Berg laufen. Allerdings warte die Linie 403 dort nicht unbegrenzte Zeit, da sie am Weinböhlaer Laubenschlößchen den Anschluss zur Linie 411 für zahlreiche Gymnasiasten sicherstellen müsse.

Dass es zuletzt zu Problemen und auch größeren Verspätungen gekommen sei, liege an der Baustelle an der S100. Die Königsbrücker Straße wird zwischen der Brücke Große Röder und Zschornaer Straße ausgebaut. Doch dort, so hält der Opa von Bastian entgegen, fährt der Bus gar nicht lang. Die Baustelle könne also gar nicht der Grund für Verspätungen sein. Wie auch immer, die Bauarbeiten sollen an diesem Freitag planmäßig beendet sein. Dann, so das Versprechen der Meißner Verkehrsgesellschaft, werde alles wieder gut. Und man erklärt auch, dass man mit dem betreffenden Fahrer bereits gesprochen habe, ihn ausdrücklich gebeten habe, dem Haltewunsch nachzukommen.

Konsequenzen gefordert

Für die Eltern und Großeltern von Bastian ist das keine zufriedenstellende Auskunft. Sie haben sich in mehreren Schreiben auch an den Landrat Ralf Hänsel, an den Thiendorfer Bürgermeister Dirk Mocker und an die Geschäftsleitung der VGM gewandt. Bastians Eltern unterstellen dem Busfahrer nicht nur Vorsatz, sie sehen auch die Obhutspflicht gegenüber Schutzbefohlenen grob fahrlässig verletzt. Und sie haben deshalb am 15. Mai 2023 bei der Polizei in Dresden Strafanzeige gestellt, gegen das Busunternehmen VGM, das die Schulbuslinie im Auftrag des Landkreises bedient, und gegen den Fahrer. Sächsische.de liegen die Dokumente vor. Das Busunternehmen erklärte Mittwochmorgen, dass es keinen neuen Sachstand gäbe und man von der Anzeige keine Kenntnis habe.

Für Bastian ging seine Wanderung am 8. Mai kurz vor Mittag zu Ende. Er hatte im Wald völlig die Orientierung verloren und wurde unweit von Ebersbach von einer Frau angesprochen. Völlig durchfroren und durchnässt brachte sie ihn schließlich nach Hause nach Tauscha. Für die Familie ist die Geschichte damit nicht zu Ende. Sie fordert Konsequenzen für den Busfahrer. "Der Fahrer ... sollte aus dem Verkehr genommen werden", heißt es in dem Schreiben an die Verkehrsgesellschaft Meißen.

Wie es weiter geht und ob Bastian künftig seinen Anschlussbus am Meißner Berg bekommt – Saechsische.de bleibt dran.

  • Der richtige Name ist der Redaktion bekannt.