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Vor Gericht in Meißen: 15 Euro Diebesgut und ein Bier zu viel

Ein Mann aus Coswig hat versucht, mit Gewalt Alkohol zu stehlen. Eigentlich unnötig - er hatte genug Bargeld dabei.

Von Martin Skurt
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Symbolfoto: Weil er versucht hatte, Alkohol und Zigaretten zu stehlen, stand ein Mann aus Coswig kurz vor Weihnachten vor Gericht.
Symbolfoto: Weil er versucht hatte, Alkohol und Zigaretten zu stehlen, stand ein Mann aus Coswig kurz vor Weihnachten vor Gericht. © dpa-Zentralbild

Meißen. Ein Mann geht im September 2022 zum Bankautomat und hebt 15 Euro ab. Damit geht er zu einem Coswiger Supermarkt, um sich dafür Zigaretten, ein Sechserpack Bier und eine Flasche Schnaps zu besorgen. Für einige ist das der Inbegriff eines schönen und gemütlichen Abends. Doch nicht für den Coswiger. Denn der Mann stürmte raus, ohne zu bezahlen. Wohl deshalb: Der 37-Jährige war mit 1,9 Promille äußerst betrunken.

Erst steckte er sich eine Hugo-Flasche unter sein T-Shirt – betrunken, wie er gewesen sein muss, dachte er sicherlich, man sieht es nicht. Dann vergaß er wohl im Rausch, sein Bargeld herauszunehmen. Denn er versuchte vergeblich, den Einkauf mit seiner Bankkarte zu bezahlen, so Zeugenaussagen. Funktionierte nicht. Am Ende bemerkte die Frau an der Kasse die Hugo-Flasche und sprach den Mann darauf an. Genügend Geld für die Waren hätte er eigentlich dabei gehabt.

Mit zwölf Jahren schon Cannabis geraucht

Er war wohl damals nicht erfreut darüber und wollte mit der Flasche in der Hand davonrennen. Die Marktleiterin versuchte noch, ihn zu stoppen und hielt einen Arm fest. Doch der Coswiger habe sich losgerissen, soll die Frau so sehr zur Seite geschoben haben, dass sie gegen die Ladentür knallte. Sie war im Nachhinein aber nur geschockt und nicht verletzt, sagen sie und die Kassiererin aus. Nur ein Kunde, der hinter dem Mann in der Kassenschlange gestanden habe, konnte ihn schließlich überwältigen und riss ihn zu Boden. Nun sitzt der einst Betrunkene auf der Anklagebank am Amtsgericht Meißen. Der Straftatbestand: räuberischer Diebstahl.

"Ich bin mir sehr sicher, dass die Bierflaschen durch den Mann kaputtgegangen sind, der mich aufhielt", sagt der Angeklagte. Allerdings sagten Kassiererin und Marktleiterin etwas anderes aus. Die Flaschen wären beim Losreißen von der Chefin zu Boden gefallen und zersplittert. Am Ende ist das nur ein Nebenschauplatz im Gerichtssaal, denn insgesamt folgte die Richterin den Aussagen der Zeugen. Auch weil der Angeklagte sich mehrmals selbst belastete, in dem er sagte: Seine Erinnerungen seien löchrig aufgrund des jahrelangen Drogen- und Alkoholmissbrauchs.

Mit zwölf Jahren habe er angefangen, Cannabis zu rauchen. Seit er 17 gewesen war, nahm er Crystal. Er habe eine Ausbildung im Metallbau begonnen, die er nicht abschloss. Wenig später machte er mehrere Drogentherapien und schaffte den Absprung in Leipzig. Er beendete eine Maler- und Lackierer-Ausbildung in Leipzig und arbeitete zeitweise im Beruf. Er hatte sogar sechs Jahre eine feste Beziehung. Doch bei einem schweren Unfall brach er sich seinen Lenden- und Brustwirbel. Mitte der 2010er-Jahre ist er nach Coswig gezogen. Da habe er damit begonnen, zwölf Flaschen Bier nach der Arbeit zu trinken. Das führte dazu, dass er 2019 seinen Führerschein verlor. Er sei mit 1,9 Promille gegen eine Laterne in Weinböhla gefahren.

Ein rechtschaffener Lebenswandel

Seitdem ist er in einer Radebeuler Suchtberatung, begann eine Therapie, die er ohne Nachsorge-Therapie abschloss. "Einen Monat später habe ich wieder mit dem Alkohol angefangen", sagt er vor Gericht. 2020 habe er auch wieder Crystal genommen. Seit dem Vorfall im Supermarkt ist er clean. Er geht regelmäßig zur Suchberatung und möchte nun gern umschulen und sich aus seinem Umfeld zurückziehen. Schulden habe der Mann ebenso, die er von seinem Bürgergeld abstottert. Viele Baustellen, wie auch die Richterin bemerkt.

Am Ende wirkt der Mann vor dem Gericht eher harmlos und sanftmütig. Er ist gepflegt und sieht nicht aus wie ein typischer Alkoholiker. Die Richterin befindet, dass der Angeklagte auf einem guten Weg ist. Sie verurteilt ihn zu sieben Monaten mit einer Bewährungszeit von zwei Jahren. "Die Strafe soll bei Ihnen zu einem rechtschaffenen Lebenswandel führen. Wir hoffen, dass sich das bewahrheitet", sagt sie und gibt damit auch die Ansicht der Schöffen wieder. Durch die Absicht, demnächst eine weitere Therapie zu beginnen, erhält der Verurteilte eine positive Sozialprognose und deshalb auch eine geringe Strafe.

"Trotzdem müssen Sie sich bewusst sein, dass andere, die davon erfahren, wissen, wozu Sie fähig sind", sagt die Richterin. Denn Diebstahl mit Gewalt sei eine Grenze, die er nicht noch einmal überschreiten sollte. Deshalb soll er alle drei Monate dem Gericht mitteilen, wie erfolgreich seine Therapie ist.