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Warum Gartenland fünfmal teurer ist als das Schloss Moritzburg

Der Meißner Gutachterausschuss teilt Gründe für unterschiedliche Bewertungen mit. Ein Vorschlag von Grundsteuerrebellen wird vom Minister geprüft.

Von Ulf Mallek
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Schloss Moritzburg im Winter. Den Wert des Grundstücks gibt der Gutachterausschuss mit 65 Euro je Quadratmeter an.
Schloss Moritzburg im Winter. Den Wert des Grundstücks gibt der Gutachterausschuss mit 65 Euro je Quadratmeter an. © Norbert Millauer

Schloss Moritzburg sieht prächtig und sehr teuer aus, doch das Grundstück wird nur mit 65 Euro pro Quadratmeter bewertet. Gartenland des Eigentümers Torsten Küllig in der Nähe, vielleicht einen guten Kilometer vom Schloss entfernt, ist dagegen mit 309 Euro etwa fünfmal so teuer. Jetzt fragen sich Grundeigentümer, die sich in Moritzburg in der Initiative "Was ist der Grund für diese Steuer" zusammengefunden haben, weshalb eigentlich? Kann es sein, so fragt eine Pensionsbesitzerin aus Radebeul, die im Hochwassergebiet ebenfalls stark zur Kasse gebeten wird, dass öffentliche Eigentümer moderater bewertet werden als private? Bezahlen Privateigentümer generell einfach mehr als öffentliche?

Dieser Verdacht liegt wohl nahe, betrachtet man bestimmte Zahlen im Grundsteuerportal. Um Schloss Wackerbarth in Radebeul beispielsweise. Die Gutachter stufen es preiswert mit 115 Euro pro Quadratmeter ein, der Parkplatz ist dabei schon herausgerechnet. Das Rathaus von Radebeul wird sogar nur mit 68 Euro taxiert. Die Friedensburg liegt bei 158 Euro, die umliegenden Wohnhäuser aber zwischen 438 und 479 Euro. Wieso? Offenbar ist eine Antwort darauf schwierig. Das sächsische Finanzministerium sieht sich dazu außerstande. Es sei ihm weder möglich, noch stehe es ihm zu, "die durch dieses fachkundige und unabhängige Sachverständigengremium ermittelten Werte fachlich zu beurteilen".

Dieses Gartenland in zweiter Reihe der Schlossallee Moritzburg, gut einen Kilometer vom Schloss entfernt, soll 309 Euro je Quadratmeter wert sein. So steht es im Grundsteuerbescheid des privaten Eigentümers.
Dieses Gartenland in zweiter Reihe der Schlossallee Moritzburg, gut einen Kilometer vom Schloss entfernt, soll 309 Euro je Quadratmeter wert sein. So steht es im Grundsteuerbescheid des privaten Eigentümers. © Claudia Hübschmann

Der zuständige Gutachterausschuss des Landkreises Meißen ließ über das Landratsamt mitteilen, dass "die den öffentlichen Zwecken dienenden Immobilien am gewöhnlichen Geschäftsverkehr (das normale Grundstücksmarktgeschehen) nicht teilnehmen". Demzufolge bestehe hier auch keine Vergleichsmöglichkeit. Die gesetzliche Pflicht der Gutachterausschüsse bestehe in der flächendeckenden Ausweisung von Bodenrichtwerten. Diese Aufgabe habe der Gutachterausschuss erfüllt. Egal wie hoch oder tief diese Werte sind, fragt Eigentümer Küllig. "Ich kann mit meinem überteuert bewerteten Grundstück auch nicht am öffentlichen Geschäftsverkehr teilnehmen. Das Land kauft mir zu diesem Preis niemand ab."

Offener Brief wird geprüft

Allerdings, nicht überall treffen hohe Bewertungsunterschiede zwischen öffentlichen und privaten Grundstücken zu. So sieht es auf dem Meißner Burgberg sehr fair aus. Es gibt keinen Unterschied zwischen staatlicher Albrechtsburg, Dom und privatem Kornhaus. Das städtische Weingut Hoflößnitz ist ähnlich hoch bewertet wie die umliegenden Privathäuser. Weshalb Gartenland in Moritzburg fünfmal teurer ist als das Schloss, hat spezielle Gründe, die im sächsischen Grundsteuergesetz begründet liegen.

Der Gutachterausschuss erklärt dazu, er sei nicht daran schuld. Vielmehr berücksichtigt der für die jeweilige Bodenrichtwertzone ermittelte Richtwert keine Merkmale, die nur im Rahmen einer Einzelbegutachtung ermittelt werden können. Doch eine Einzelbegutachtung ist im Gesetz, damit es praktikabel bleibt, nicht vorgesehen. Deshalb sollen Küllig und seine Mitstreiter in der Interessengemeinschaft bald etwa das 10- bis 40-Fache der bisherigen Grundsteuer bezahlen.

Um das Problem und die Ungerechtigkeit aus der Welt zu schaffen, haben sie in einem offenen Brief an den Ministerpräsidenten vorgeschlagen, besonders krass falsch bewertete Grundstücke herauszufiltern und sie durch den Oberen Gutachterausschuss neu bewerten zu lassen. Bei dieser erneuten Prüfung sollten dann wertmindernde Faktoren unbedingt Berücksichtigung finden. Dies sei rechtskonform darstellbar, ohne das existierende Grundsteuerbewertungsgesetz zu ändern. Antwort haben die Moritzburger Grundsteuerrebellen noch nicht. Laut Auskunft aus dem Finanzministerium werden "die Ausführungen im offenen Brief derzeit geprüft".

Wirbel um zwei Steuer-Portale

Verwirrung herrschte bei einigen Grundeigentümern auch, weil es in Sachsen zwei offizielle Grundsteuerportale gibt: www.boris.sachsen.de und www.grundsteuer.sachsen.de. Die Eigentümer Ricarda und Klaus Hesse haben das erste Portal zum Ausfüllen ihrer Erklärung genutzt. Später bekamen sie mit, sie hätten besser das zweite verwenden sollen. "Wir haben unseren Fehler dem Finanzamt mitgeteilt und eine korrigierte Erklärung zur Festlegung des Grundsteuerwertes eingereicht", so die Hesses.

Eine Reaktion gab es nicht. Allerdings, die Werte der beiden Portale können voneinander abweichen, müssen es aber nicht. Zum Ausfüllen der Grundsteuererklärung ist tatsächlich das Portal Grundsteuer das richtige, weil es die Werte zum Stichtag 1.1.2022 abbildet. Das Boris-Portal wird dagegen laufend aktualisiert.

Ober-Grundsteuerrebell Torsten Küllig gibt noch einen Hinweis an alle Eigentümer, die bereits Einspruch gegen ihren Grundsteuerwertbescheid eingelegt haben oder das noch tun wollen. Sie können unter Angabe der Aktenzeichen des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg (Az.: 3 K 3142/23) und des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (Az.: 4 K 1205/23) zusätzlich das Ruhen des Verfahrens beantragen. Kommt das Finanzamt dem Antrag nach, bleibt der Einspruch bis zu einem Urteil in der Musterklage offen.