SZ + Meißen
Merken

Wie der Denkmalschutz die Energiewende ausbremst

Ein Meißner möchte eine Solaranlage auf seinem Dach installieren. Doch das Denkmalamt sieht die Stadtkulisse in Gefahr.

Von Ines Mallek-Klein
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Das rote Dach seines Hauses (o. r.) würde Hans-Ulrich Schumann gerne für eine Solaranlage nutzen. Der hier erzeugte Strom würde für ihn und zwei weitere Haushalte reichen.
Das rote Dach seines Hauses (o. r.) würde Hans-Ulrich Schumann gerne für eine Solaranlage nutzen. Der hier erzeugte Strom würde für ihn und zwei weitere Haushalte reichen. © Claudia Hübschmann

Meißen. Bis zum 4. Dezember hat Hans-Ulrich Schumann noch Zeit. Bis dahin muss im Meißner Landratsamt sein Widerspruch vorliegen. Der 57-Jährige holt eine Mappe heraus. In ihr ist die Geschichte seines Projektes vereint und es scheint, es könnten noch einige DIN-A4-Seiten dazukommen.

Begonnen hat alles am 6. September dieses Jahres. In der Ukraine rollten da schon ein halbes Jahr die Panzer, es wurde über die Gaspreisbremse diskutiert und das 49-Euro-Ticket sollte die Kosten für Pendler reduzieren. Eine politische Gemengelage, die Hans-Ulrich Schumann veranlasste, sein langgehegtes Projekt umzusetzen. Er wollte endlich auf dem Dach seines Hauses eine Solaranlage installieren. Das ist eigentlich unkritisch, läge das 1994 errichtete Gebäude nicht auf dem Ratsweinberg in Meißen.

Schumann ist diese Tatsache durchaus bewusst, nicht nur wegen des herrlichen Ausblicks, den er von seinem rechtselbische Garten auf die Albrechtsburg genießt. "Da in Meißen der Denkmalschutz über vieles seine Hände hält, stellte ich als Erstes eine Bauvoranfrage beim Bauordnungsamt, um weitere Informationen und Rechtssicherheit zu erhalten", erzählt der Investor. Und aus dem Meißner Rathaus kam prompt eine Antwort, die Schumann zuversichtlich stimmte. Eine baurechtliche Genehmigung sei nicht erforderlich. "Vom Amt für Stadtplanung erhielt ich relativ kurzfristig eine Zusage, alles sei im Rahmen, hieß es", erinnert sich der Hauseigentümer. Er wurde allerdings an das Kreisbauamt mit dem Referat Denkmalschutz verwiesen.

"Für mich war das eine reine Formsache", sagt Schumann. Er hatte die Anlage schon geplant, ausgemessen und selbst ein in diesen Tagen so schwer zu bekommender Elektriker stand schon bereit, um die Anlage mit 12.000 Kilowattstunden zu installieren. Also noch einen Brief an das Landratsamt. Und von dort kam am 7. Oktober prompt die Antwort und die überraschte den umweltbewussten Hauseigentümer dann doch. "Für nachgenannte Maßnahmen wird die denkmalschutzrechtliche Genehmigung nicht erteilt", stand dort unter Punkt eins. Das "nicht" fettgedruckt, damit keine Irritationen entstehen. Unter Punkt zwei wird der Antragsteller darauf hingewiesen, dass er die üblichen Verfahrenskosten von 101,04 Euro zu bezahlen hat.

Das Dach zeigt nach Südwesten, hier würde Hans-Ulrich Schumann gerne seine Solaranlage installieren und Strom aus der Sonnenkraft gewinnen.
Das Dach zeigt nach Südwesten, hier würde Hans-Ulrich Schumann gerne seine Solaranlage installieren und Strom aus der Sonnenkraft gewinnen. © Claudia Hübschmann

Hans-Ulrich Schumann las aufmerksam die Begründung. Der Ratsweinberg gehöre zur Kulisse der historischen Altstadt Meißen, der den Talkessel nach Osten hin begrenzt. Prägende Gebäude seien die Denkmale in diesem Bereich, im konkreten Fall die Villen am Ratsweinberg 6 und Ratsweinberg 2 sowie 2a. "Das Erleben des historisch gewachsenen Bildes würde durch dominante technische Anlagen erheblich gestört", so das Fazit der Denkmalschützer. Hans-Ulrich Schumann kann darüber nur den Kopf schütteln. Das eine Denkmal ist hinter Buchen weitgehend versteckt. Und vor allem fragt er sich, ob die drei Neubauten am Fuße des Ratsweinberges nicht viel prägender sind, als eine kleine schwarze Solaranlage auf seinem Dach.

Das sieht man im Amt anders. "Die Neubauten entlang der Bahnhofstraße bilden eine zusammengehörige Einheit. Zu dem darüber befindlichen ehemaligen Weinbaugelände ergibt sich eine klare ästhetische Zäsur, auch aufgrund des Abhangs", so die Einschätzung. Sie ist nur konsequent, denn der viertel Teil des Ensembles wurde bereits genehmigt und befindet sich nun im Bau.

Das Denkmalamt rät dem Investor, andere Quellen regenerativer Energien zu prüfen und eventuell zu nutzen. "Ich könnte ja die Elbe anstauen oder ein Windrad aufstellen", sagt der Meißner mit einem Augenzwinkern. Dabei ist ihm nicht zum Lachen zumute. Sächsische.de hat im Amt noch einmal nachgefragt und dort erfahren, dass die Nutzung von Erdwärme aus Bohrungen als denkmalverträglich gewertet wird, auch weil sie ohne große sichtbare Technik auskommt und unabhängig von Wetterlagen zur Verfügung steht. So weit, so gut. Allerdings hegt Hans-Ulrich Schumann große Zweifel, dass sein Standort an der Abbruchkante überhaupt für eine Bohrung geeignet ist. Und dann wäre da noch die Tatsache, dass Erdwärmepumpen nicht ohne Strom auskommen und in seiner Wahrnehmung nicht zu den erneuerbaren Energien zählen sollten.

Immerhin, ganz kompromisslos ist man im Denkmalamt nicht. Man gehe davon aus, dass für das Haus von Herrn Schumann eine genehmigungsfähige Variante einer Fotovoltaikanlage gefunden werden kann. Auf dem Markt würden Module angeboten, die in der matt roten Farbe der Dachsteine gehalten sind und das Gesamtbild nicht dominieren. Das stimmt, sagt Hans-Ulrich Schumann, allerdings gibt es die roten Paneele nicht und selbst wenn, wären sie nicht in den Zuschnitten lieferbar, die er für seine nach Südwesten ausgerichtete Dachfläche benötigt.

Der Investor will weiter kämpfen, "weil die Nutzung regenerativer Energien ein Gebot der Zeit ist", wie er sagt. Als er das Haus Mitte der 1990-er Jahre auf dem Grundstück seiner Großeltern baute, habe man dieses Thema zu wenig berücksichtigt, räumt der Techniker ein und schaut auf die Zettel. Er hat sich viel Mühe gemacht, jeden einzelnen vom Amt aufgeführten Punkt zu widerlegen. Besonders ärgert ihn das Argument, dass der Beitrag seiner Anlage für die Energiewende so gering ist, dass der Denkmalschutz dominiert. Ja, auch Hans-Ulrich Schumann schätzt das historisch gewachsene Umfeld, in dem er lebt. Aber das sei kein Grund, sich dem Fortschritt und vor allem den ökologischen Notwendigkeiten zu versperren, sagt er.