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Verbraucherzentrale verklagt Sparkasse

So soll verhindert werden, dass Ansprüche der Kunden im Landkreis Meißen verjähren. Die Frist läuft Ende des Jahres aus.

Von Martin Skurt (Nutzer gelöscht und neu angele
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Rechtsexperte Michael Hummel (rechts) erklärt, wie sich Verbraucher der Musterfeststellungsklage anschließen können. Im besten Fall melden sie sich bis Ende des Jahres bei der Meißner Dienststelle.
Rechtsexperte Michael Hummel (rechts) erklärt, wie sich Verbraucher der Musterfeststellungsklage anschließen können. Im besten Fall melden sie sich bis Ende des Jahres bei der Meißner Dienststelle. © Claudia Hübschmann

Landkreis. Nur wenige Kunden der Sparkasse haben sich in der Verbraucherzentrale Sachsen (VZS) in Meißen eingefunden. Trotzdem gibt es schon mehr als 100 enttäuschte Sparkassen-Kunden, die gemeinsam mit der Verbraucherzentrale klagen wollen. Diese hat eine Musterfeststellungsklage am vergangenen Dienstag beim Oberlandesgericht eingereicht. Der Vorwurf: Die Sparkasse Meißen habe über Jahre die Zinsen von Prämiensparverträgen zum Nachteil der Kunden angepasst, so Karolin Reiber, Meißner Verbraucherschützerin. Das seien zum Teil große Summen: Im Durchschnitt 4.700 Euro. Was nutzt jetzt die Musterfeststellungsklage den Verbrauchern?

„Verbraucher haben zunächst kein Risiko. Das tragen wir“, erklärt Michael Hummel, Rechtsexperte der VZS. „Sie können sich einfach anschließen.“ Das geht zum Beispiel online, sobald das Klageregister eröffnet wird. Vermutlich in vier Wochen. Damit alles rechtlich korrekt werde, sollten Verbraucher die Eintragung in das Register durch die VSZ übernehmen lassen. „Das geht auch ab sofort, wenn sie uns eine Vollmacht erteilen“, so Karolin Reiber, Verbraucherschützerin in Meißen.

Die Klage hat ihren Ursprung im Jahr 2017, als viele Sparkassen die Prämienspar-Verträge kündigten. Sprecher Ralf Krumbiegel meinte damals, die Sparkasse hätte den Vertragszweck erfüllt. Nämlich das Sparziel innerhalb von 15 Jahren zu erreichen. Wenn gleich die Sparverträge ursprünglich unbefristet gewesen seien. Nach dieser Zeit nutze die Sparkasse Meißen ihr Recht, unbefristete Verträge zu kündigen. Grund ist die Niedrigzinspolitik. Die verursache Kosten bei allen Anlagen. Aktuell berechnet die Europäische Zentralbank einen Negativzins von minus 0,5 Prozent. Auf diese Entwicklung reagierte die Sparkasse Meißen.

Verbraucherzentrale bleibt gesprächsbereit

Die Sparkasse zeigte sich damals kompromissbereit und zog einige Kündigungen zurück – und zwar solcher Verträge mit festen Laufzeiten. Im Jahr 2019 erklärte der Bundesgerichtshof dies für rechtens. Und zwar dann, wenn die höchste Prämienstaffel erreicht und ausgezahlt wurde. In Meißen landeten so etwa 350 Fälle auf dem Tisch, erklärt Karolin Reiber. So fand man heraus, dass bei mehreren Prämiensparverträgen die Zinsen nicht ordnungsgemäß angepasst wurden. Nach der Verjährungsfrist von drei Jahren haben Kunden keinen Anspruch mehr darauf. Also Ende 2020.

Sprecher Ralf Krumbiegel machte im vergangenen Jahr klar, dass die Sparkasse keine Verjährung der Ansprüche anstrebe. Man wolle vielmehr im direkten Kontakt mit den Kunden zu Lösungen kommen. Daran hat sich bis heute nichts geändert, so der Sprecher. „Wir sind noch immer gesprächsbereit gegenüber unseren Kunden.“ Die meisten Gespräche seien bisher sachlich und lösungsorientiert gewesen, beteuert er. Eine pauschale Antwort kann er aber nicht geben, wie man ohne Klage eine Lösung findet. Dafür sei jeder Vertrag, jeder Fall zu unterschiedlich.

„Anfang der 1990er-Jahre belächelte man noch die Prämienspar-Kunden“, so Andreas Eichhorst, Vorstand der Verbraucherzentrale. Denn in der Zeit gab es auch Sparverträge, die Zinsen mit fast 10 Prozent versprachen. Doch die Zinsen wurden immer weniger, die Prämien blieben aber. Die Sparkassen-Kunden hätten also alles richtiggemacht, so Andreas Eichhorst. „Deshalb macht es uns als Verbraucherzentrale besonders traurig, wie die Sparkasse ihren Kunden die Zinsansprüche verwehrt.“ Andreas Eichhorst wisse um die besondere Bedeutung der Sparkassen. Deswegen betont er auch immer wieder, dass die VZS gesprächsbereit bleibe. Ralf Krumbiegel bestätigt das ebenso. 

Sparkassen-Kunden in ganz Sachsen sind betroffen

Trotzdem ist Andreas Eichhorst enttäuscht. Denn die Sparkasse habe gerade mit den Prämiensparverträgen für Senioren geworben, die sie jetzt im Stich lasse. So wie ein Ehepaar aus der Nähe von Riesa, das anonym bleiben möchte. Sie erklären, dass sie schon 1995 einen Sparvertrag abgeschlossen haben. Ohne Laufzeit, deswegen wurde ihnen wie vielen anderen gekündigt. Bei den beiden geht es um eine Summe von etwa 13.000 Euro, die ihnen laut der Berechnung der VZS zustehen. „Mit dieser Zahl sind wir zur Sparkasse gegangen und hofften darauf, wenigstens 70 Prozent davon zu erhalten“, erzählt der Ehemann. Das Angebot der Sparkasse betrug nach ihren Angaben nur zehn Prozent.

Wie viele vertrauten sie der Sparkasse, mit den kleinen, monatlichen Beträgen und großer Prämie für ihr Alter vorzusorgen. Natürlich haben sie mitbekommen, dass die Zinsen weniger wurden. Da dies überall in Deutschland der Fall war, machten sie sich aber keine Gedanken. Erst mit der Kündigung 2017 sind sie stutzig geworden. Durch die Berichterstattung der Sächsischen Zeitung und die Verbraucherzentrale ist ihr Vertrauen in die Sparkasse verloren gegangen. Bevor sie gar nichts von ihren zugesprochenen Zinsen erhalten, klagen sie nun. „Wir haben nichts mehr zu verlieren“, sagt der Ehemann.

Mittlerweile ist das die fünfte Musterfeststellungsklage der VZS. So wurden bereits welche gegen die Sparkasse Leipzig, Erzgebirge, Zwickau und Vogtland eingereicht. Die ersten Urteile des Oberlandesgerichts fielen größtenteils verbraucherfreundlich aus, wie Andreas Eichhorst sagt. Allerdings sind diese noch nicht rechtskräftig. Erst in der nächsten Instanz am Bundesgerichtshof wird es erste Ergebnisse geben. Vermutlich Mitte 2021. Die VZS erwartet mindestens 500 Verbraucher aus dem Landkreis Meißen, die sich ihrer Klage anschließen. Sie schätzt, dass in ganz Sachsen eine sechsstellige Anzahl an Sparkassen-Kunden betroffen ist. 

Wer Hilfe braucht, kann einen Termin mit der Verbraucherzentrale Sachsen (VZS) vereinbaren: Telefon unter 0341 6962929 oder unter www.verbraucherzentrale-sachsen.de/terminvereinbarung. Die Eintragung ins Register durch die VZS kostet 38,99 Euro. 

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