Thyra Friedrich und Konrad Jäkel aus Dresden haben unerfreuliche Post von der Vonovia bekommen: Für die Zeit von Oktober 2021 bis September 2022 soll das Paar 743,65 Euro Betriebskosten nachzahlen. Mit den geänderten Vorauszahlungen steigt ihre Monatsmiete um mehr als 100 Euro. Solche und noch krassere Fälle landeten derzeit bei den hiesigen Mietervereinen, sagt Florian Bau vom sächsischen Mieterbund im Interview mit Sächsische.de.
Herr Bau, die Mietervereine haben Anfang dieses Jahres vor einem Nebenkosten-Hammer gewarnt. Wie stark hat er bisher zugeschlagen?
Es ist eingetreten, was zu erwarten war. Die schlechten Nachrichten kommen scheibchenweise, weil ja jeder Mieter seine Nebenkostenabrechnung zu einem anderen Zeitpunkt bekommt. Das verzerrt die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Wir haben Betroffene, die jetzt mit Nachzahlungsforderungen von häufig um die 500 Euro, aber auch mal über 1.000 Euro zu uns kommen.
Wie kommen diese Summen zustande?
Nehmen wir das Beispiel von Großvermietern, die ein krummes Abrechnungsjahr haben, das von Oktober 2021 bis September 2022 reicht und wo das Haus Fernwärme bezieht. Hier hilft Mietern im konkreten Zeitraum die sogenannte Dezemberhilfe, oft auch als „Einmalzahlung Wärme“ bezeichnet, gar nichts. Denn abgerechnet wird ja wie gesagt nur bis Ende September. Was die Fernwärme betrifft, waren die Preise schon vorher mit zehn bis zwölf Cent pro Kilowattstunde recht hoch. Jetzt haben wir aber häufig 17 bis 20 Cent. Das trifft viele Mieter hart. Dazu kommt, dass manche Vermieter relativ spät reagiert und die Vorauszahlungen erst im Dezember noch einmal angepasst haben. Das hilft den Betroffenen auch nicht mehr.
Wie haben sich neben den Heiz- und Warmwasserkosten die anderen Betriebskostenpositionen entwickelt?
Unauffällig. Natürlich steigen auch die Kosten für den Hausmeister oder für Versicherungen. Winterdienstkosten sind dagegen teilweise leicht gesunken.
Welches Feedback kommt von anderen Mietervereinen in Sachsen?
Es gibt Vermieter, die schon fürs ganze Kalenderjahr 2022 abgerechnet haben. Dort sehen wir dieselben Probleme der massiv gestiegenen Brennstoffkosten. Einige Vermieter haben versucht, Vorauszahlungen früher zu erhöhen, damit der Kostenhammer jetzt nicht so heftig zuschlägt. Aber das ist die Ausnahme.
Es gilt also, bei der Prüfung der Abrechnung besonders auf die Heiz- und Warmwasserkosten zu schauen?
Es ist eine der größten Positionen, da lohnt es sich am meisten. Andererseits: Wenn wir jetzt eine Abrechnung sehen, in der für Fernwärme 18 Cent pro Kilowattstunde umgelegt werden, brauchen wir keine Belegeinsicht zu fordern. Diese Summen gibt es bei allen Vermietern. Da können Mietervereine wenig ändern. Natürlich ist es aber ratsam, eine Abrechnung mit hoher Nachzahlung genau zu prüfen. Denn Vermieter machen nicht alles richtig. Nehmen wir nur die vielen Gesetzesänderungen. Da unterstelle ich nicht mal bösen Willen. Für private Vermieter ist es quasi unmöglich, ohne juristische Ausbildung Heizkostenabrechnungen korrekt zu erstellen.
Was ist alles neu im Gesetz?
Zum Beispiel muss bei einer Abrechnung fürs Kalenderjahr 2022 die eingangs erwähnte Dezemberhilfe richtig reingerechnet werden. Es muss auch dargestellt werden, dass die Hilfe berücksichtigt wurde. Oder ein anderes Beispiel: Seit 2022 muss monatlich eine Verbrauchsinformation an die Mieter geschickt werden, wenn fernablesbare Erfassungsgeräte vorhanden sind. Passiert das nicht, darf der Mieter die Heiz- und gegebenenfalls Warmwasserkosten um drei Prozent kürzen.
Warum wurde das Versenden dieser Information versäumt?
Weil es die Vermieter nicht organisieren konnten. Oder weil ein Messdienstleister, der hier in der Region ein großer Anbieter ist, Probleme hatte.
Nach welchen Fehlern suchen Sie noch?
Abrechnungen mit hohen Nachzahlungen sind häufig verknüpft mit einer erneuten Erhöhung der Vorauszahlung. Hier sehen wir uns genau an, ob sich ein Vermieter nicht „zu stark bedient“ beziehungsweise ob er berücksichtigt, dass die Kosten jetzt nicht weiter steigen. Das nächste Problem wird die Härtefallregelung für Vermieter, die „nicht leitungsgebundene Energieträger“ wie Öl, Flüssiggas, Holz oder Pellets beziehen.
Was ist denn dabei das Problem?
Die Vermieter werden sich fragen, warum sie sich die Mühe der Antragstellung machen, wenn sie doch von den Härtefallhilfen selbst gar nichts haben. Trotzdem können sie das staatliche Angebot nicht einfach ignorieren. Denn sie müssen als Vermieter wirtschaftlich handeln. Und das tun sie, indem sie alle Einsparoptionen nutzen, die es grundsätzlich gibt.
Was raten Sie Mietern, die trotz aller Komplexität erst mal eigenhändig ihre Abrechnung überprüfen wollen?
Prüfen Sie einzelne Posten im Vergleich zum Jahr zuvor: Fallen Ihnen unplausible Änderungen auf? Ganz wichtig: Prüfen Sie die Vorauszahlungen! Häufig sind sie 2022 geändert worden. Wenn der Vermieter mit zu wenig Vorauszahlung kalkuliert, ist das Ergebnis nicht richtig, und der Mieter muss womöglich zu viel zahlen. Ich weiß zum Beispiel aus meiner Arbeit für den Mieterverein Dresden und Umgebung, dass die Vonovia derzeit systematisch die Vorauszahlungen falsch erhöht.
Die Vonovia hat fast nur Objekte, die am Fernwärmenetz hängen. Und Fernwärme lag in deren Abrechnungsperiode bei 17 bis 20 Cent je Kilowattstunde. Der Konzern kalkuliert aber damit, dass diese Kosten um weitere 65 Prozent steigen. Und erhöht entsprechend die Vorauszahlungen. Das ist offensichtlich falsch.
Wieso?
In der Abrechnungsperiode 2022/2023 wirken sich ja die Dezemberhilfe und die Gaspreisbremse aus, die auch für Fernwärme gilt und die Kosten dafür auf 9,5 Cent beschränkt. Zwar nur für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs und wegen des krummen Abrechnungszeitraums auch nur für die Zeit von Januar bis September 2023, aber dennoch. Da kann man doch nicht von einem zusätzlichen Plus von 65 Prozent ausgehen! Das ist definitiv falsch. In den Fällen, in denen wir Widerspruch einlegen, kriegen wir auch ganz schnell die Rückmeldung, dass die Vonovia die höhere Vorauszahlung zurücknimmt.
Bei welchem Betriebskostenanteil liegen die Mieter in Sachsen in etwa, und wie ist der Trend?
Für Dresden, Chemnitz und Leipzig gilt zunächst, dass auch die Kaltmieten stark steigen. Insofern ändert sich dort an der Quote nicht so viel. Im ländlichen Raum, wo das nicht so ist, kann sich das Verhältnis dagegen schon entscheidend ändern. Es hieß lange, zwei bis 2,50 Euro pro Quadratmeter seien normale Betriebskosten. Wir sind jetzt locker bei drei bis 3,50 Euro.
Was kostet es eigentlich, beim Mieterverein eine Betriebskostenabrechnung prüfen zu lassen? Und was bezahlt man bei einem Mietrechtsanwalt?
Bei unseren Mietervereinen setzt die Prüfung eine Mitgliedschaft voraus. Die ist in Sachsen nicht überall gleich teuer. In Dresden sind es 84 Euro im Jahr. Alternativ bieten die Verbraucherzentralen einen Service an. Hier in Dresden und im Umland kann man sich für 20 Euro 15 Minuten lang von einem Mietervereinsjuristen zu einer konkreten Abrechnung beraten lassen.
Und der Mietrechtsanwalt?
Das hängt vom Streitwert ab. Angenommen, eine Abrechnung ergibt 1.000 Euro Nachzahlung, und es geht nur um außergerichtliche Vertretung: Dann würde das 160 Euro kosten. Ich befürchte, dass es nicht viele Anwälte gibt, die das zu dem Preis machen. Erstens ist das hochkomplex. Nicht jeder Anwalt kann eine Heizkostenabrechnung prüfen. Zweitens ist es umfangreich. Vieles kann man erst prüfen, wenn man Belege eingesehen hat. Es sind ja nicht nur die vier Seiten Abrechnung, sondern noch 50 Seiten Belege. Das würde ich als Anwalt nicht für 160 Euro machen.
Es gibt Start-ups, die sich mit dem Thema beschäftigen. Was halten Sie davon?Naturgemäß relativ wenig. Juristerei lässt sich selten in ein Schema pressen.
Bei Fluggastrecht-Portalen klappt es doch aber ganz gut, oder?
Ja. Tatsächlich gibt es auch Portale, die ihre Dienste zur Durchsetzung der Berliner Mietpreisbremse anbieten. Da stelle ich mir das halbwegs beherrschbar vor, ein Schreiben zu erstellen und Geld zurückzufordern. Sowie aber der Vermieter Einwände erhebt, wird es sofort sehr speziell. Eigentlich muss es in so einer Konstellation immer ein Gespräch geben. Gerade, wenn es um Geld und um die Wohnung geht. Denn wenn jemand im Mietrecht Kürzungen vornimmt, riskiert er irgendwann die Kündigung. Es gibt so viele Ausnahmen und Anforderungen, den konkreten Fall zu prüfen, dass ich solche Dienstleistungen durchaus gefährlich finde.
Gerade wenn die Abrechnung verknüpft ist mit einer Erhöhung der Vorauszahlung und der Mieter da etwas falsch macht, laufen monatlich Mietrückstände auf. Es reicht ein Rückstand von etwas mehr als einer Warmmiete, und man wird ordentlich gekündigt. Wenn Sie dann Ihre Wohnung in einem Ballungsraum wie Dresden oder Leipzig los sind, zahlen Sie für die nächste Wohnung vielleicht das Doppelte – oder finden gar keine Bleibe. Ich kann also bei solchen Portalen nur zur Vorsicht mahnen.