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Von Moritzburg aus werden die Megajachten dieser Welt ausgestattet

H+E Produktentwicklung aus dem Moritzburger Ortsteil Boxdorf ist nicht nur an Fahrrädern aus dem 3D-Drucker beteiligt, sondern fertigt auch Luxus- und Medizinprodukte. Trotz fortschreitender Technik kann man auf Handarbeit aber nicht verzichten.

Von Lucy Krille
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Matthias Grütze (l.) und Mirko Bobe haben das Boxdorfer Produktentwicklungsunternehmen H+E 2015 übernommen. Der 3D-Drucker hat sich seitdem rasant entwickelt.
Matthias Grütze (l.) und Mirko Bobe haben das Boxdorfer Produktentwicklungsunternehmen H+E 2015 übernommen. Der 3D-Drucker hat sich seitdem rasant entwickelt. © Arvid Müller

Moritzburg OT Boxdorf. Wie ein Feuer brennt sich der Laserstrahl in das Metall, das im 3D-Drucker der Firma H+E Produktentwicklung bearbeitet wird. Durch Elektronik und Spiegel gesteuert, trägt der Laserstrahl in dünnen Linien eine Schicht nach der anderen ab. 3.500 Durchgänge, zwei Tage Arbeit, dann sind die Fahrradteile fertig. Das restliche Pulver gelangt über einen Kreislauf zurück in den Drucker. Mit dem Fahrrad aus dem 3D-Drucker hat das Boxdorfer Unternehmen voriges Jahr für Schlagzeilen gesorgt. Auch der Bundestagsabgeordnete Torsten Herbst (FDP) ist dadurch auf die Boxdorfer aufmerksam geworden und machte sich am Donnerstag ein Bild von der Firma.

Der Laserdrucker gehört allerdings schon viel länger zum Alltag der Firma. 2005 hatte der damalige Chef Gerd Engel den ersten Drucker bestellt. "Da wusste noch keiner, was das ist", erzählt Geschäftsführer Matthias Grütze. 2016 wurde die Maschine ersetzt, 2018 kam eine zweite hinzu. Die Rechenleistung dieser Drucker entwickelt sich rasant. Die neuesten Modelle arbeiten schon wieder doppelt so schnell. Doch auch die Teile, die in Boxdorf aus dem 3-D-Drucker kommen, haben sich weiterentwickelt.

Als Grütze und Bobe 2015 die Geschäfte übernahmen, waren es vor allem Industriekunden, die H+E beauftragten. So wird etwa das Cornetto-Eis in Boxdorfer Düsen gemacht. Damals war die Anlage aber bei weitem noch nicht ausgelastet. Heute ist auch ein dritter Drucker nicht ausgeschlossen.

Türgriffe wie dieser werden in Boxdorf auf Wunsch entwickelt.
Türgriffe wie dieser werden in Boxdorf auf Wunsch entwickelt. © Arvid Müller

Produkte für Jachtbesitzer und Palastbewohner

Die Tüftler aus Boxdorf entwickeln unter der Marke Edelschmied neben Fahrrädern auch luxuriöse Innenausstattung: Türklinken, die zu Leuchten beginnen, wenn man sich ihnen nähert oder Wasserhähne, die nur aus dünnen Streben stehen, durch die das Wasser fließt. "Wir beschäftigen uns auch damit, wie man eine Anti-Finger-Schicht hinbekommt, damit diese Wasserflecken nicht zu sehen sind", erzählt Bobe. "Da steckt richtig viel Arbeit drin", ergänzt sein Geschäftspartner.

Innenausstattung wie die Wasserhähne, aber auch Briefbeschwerer und Kerzenhalter werden von Designerinnen und Innenausbauern gefragt, die beispielsweise für niederländische Jachtbesitzer oder Luxuskunden im arabischen Raum arbeiten. Mehr als 20 Mitarbeitende sind im Engineering damit beschäftigt, Kundenwünsche aus aller Welt zu bearbeiten.

Der Blick aus den Bürofenstern geht auf die Schnellstraße, die das Boxdorfer Gewerbegebiet zu einem attraktiven Standort für H+E macht. "Wir haben hier echt eine gute Anbindung, auch durch die Autobahn und die Bushaltestelle", sagt Grütze, der selbst aus der Meißner Region kommt. Sein Unternehmen beschäftigt Dresdner, aber auch Menschen aus dem Landkreis. Grütze und Bobe beobachten natürlich auch die Großkonzerne, die sich in der Nachbarschaft niederlassen.

Solche Wasserhähne bestehen aus dünnen Streben, durch die tatsächlich Wasser läuft. H+E beschäftigt sich auch damit, eine Anti-Finger-Schicht zu entwickeln. Den Verlust darüber entstandener Wasserflecken dürfte wohl niemand beklagen.
Solche Wasserhähne bestehen aus dünnen Streben, durch die tatsächlich Wasser läuft. H+E beschäftigt sich auch damit, eine Anti-Finger-Schicht zu entwickeln. Den Verlust darüber entstandener Wasserflecken dürfte wohl niemand beklagen. © Arvid Müller

Auch in Boxdorf bemerkt man die zunehmende Automatisierung

"Wir können mit deren Preis- und Gehaltsstrukturen nicht mithalten", macht Grütze klar. Deshalb bemüht sich das Unternehmen, anderweitig für das 40-köpfige Team attraktiv zu bleiben. Dazu gehört etwa der jährliche Skiausflug ins Stubaital oder eine Paddeltour. Auch ein Personaltrainer kommt einmal die Woche für Sportkurse ins Unternehmen.

Im nächsten Jahr feiert H+E 30-jähriges Jubiläum. "Bis dahin haben wir uns noch viel vorgenommen", sagt Grütze. So soll etwa der Huski etabliert werden – eine Art Ablöse für den Gabelstapler. Ein Schlepper transportiert so bis zu vier Rollenwagen an die Anlagen, etwa in der Automobil- oder Batterieindustrie. In polnischen und ungarischen Werken fahren die Huskis schon, perspektivisch auch in den USA. "Das ist nicht so gefährlich wie ein Gabelstapler", findet Mirko Bobe. In zwei Wochen soll erstmals auch ein Outdoor-Huski präsentiert werden.

Die Geräte kommen nach einer Eingewöhnungsphase ohne Menschen klar. Auch in Boxdorf beobachtet man die zunehmende Automatisierung in vielen Bereichen. Bobe sieht darin mehr Chance als Risiko. "Eintönige Aufgaben kann die Maschine gut übernehmen", findet er. Die Mitarbeitenden müssten dann anders verteilt werden.

Torsten Herbst (Schatzmeister der FDP Sachsen und Mitglied im FDP-Bundesvorstand) testet den Schlepper, der in Produktionswerken auch autonom eingesetzt wird.
Torsten Herbst (Schatzmeister der FDP Sachsen und Mitglied im FDP-Bundesvorstand) testet den Schlepper, der in Produktionswerken auch autonom eingesetzt wird. © Arvid Müller

Nicht nur Luxus-, sondern auch Medizinprodukte

In der Produktion von H+E wird man jedoch nicht auf die Menschen verzichten. Zu individuell sind die Kundenwünsche, als dass der Drucker jedes Teil komplett herstellt. "Er müsste immer wieder neu programmiert werden", sagt Bobe. Die filigranen Strukturen werden von den Mitarbeitenden selbst geschliffen, nachdem die Teile aus dem 3D-Drucker kommen. Teilweise mit Hand, über eine Woche lang. Die Handarbeit hat ihren Preis: Für einen Luxuswasserhahn mit Sensor werden um die 8.000 Euro fällig.

Die Produktpalette der Boxdorfer ist sehr breit. Türklinken, automatisierte Schlepper oder E-Bikes: "Welches Produkt wir machen, ist eigentlich egal", sagt Bobe. Hauptsache, die Bekanntheit und das Bewusstsein dafür, was alles möglich ist, steigt. Wie zur Bestätigung zeigt Matthias Grütze auf Zahnprothesen und ein Gebiss aus dem Kunststoffdrucker. Medizintechnik können die Boxdorfer also auch.