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Feralpi in Riesa: "Label für grünen Stahl muss kommen"

Die Regierung will mit Klimaschutzverträgen, die Stahlindustrie dazu bringen, schnell von fossiler Energie auf grünen Wasserstoff umzusteigen. Bei Feralpi In Riesa findet man die Idee gut, aber es braucht noch mehr.

Von Nora Miethke
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Uwe Reinecke , Werkleiter der Elbe-Stahlwerke in Riesa findet die Idee der Klimaschutzverträge für die Stahlindustrie gut, fordert aber ein europäisches Label für grünen Stahl.
Uwe Reinecke , Werkleiter der Elbe-Stahlwerke in Riesa findet die Idee der Klimaschutzverträge für die Stahlindustrie gut, fordert aber ein europäisches Label für grünen Stahl. © Feralpi Stahl

Die Elbe-Stahlwerke Feralpi in Riesa bauen derzeit ein zweites, ressourcenschonendes Walzwerk, das 2024 in Betrieb gehen soll. Es ist laut Werkschef Uwe Reinecke der nächste Schritte hin zu „grünem Stahl“. Allerdings fehlt noch immer eine klare Definition seitens der Europäischen Union und Deutschlands, welche Kriterien Stahl erfüllen muss, um als „grün“ zu gelten.

Diese klare Definition ist auch die notwendige Voraussetzung dafür, dass die von der Bundesregierung geplanten „Klimaschutzverträge“ funktionieren können, betont Professor Klaus Schmidt von der Universität München. Er und Achim Wambach, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim stellten vergangene Woche ein Gutachten des wissenschaftlichen unabhängigen Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums vor. Darin werden die neuen Politikmaßnahmen rund um „Grüne Leitmärkte“ analysiert und bewertet, die den Umbau zur klimaneutralen Industrie beschleunigen sollen. Denn abgesehen von der Nutzung von Ökostrom laufen so gut wie fast alle Industrieprozesse noch mit Energie aus fossilen Brennstoffen. Erdgas liefert die Prozesswärme für die Chemieindustrie, die Hochöfen in der Stahlindustrie werden noch mit Kohle befeuert. Doch in 22 Jahren schon sollen alle Industrieprozesse klimaneutral laufen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Unternehmen jetzt in CO2-freie Produktionsweisen investieren. Der Beirat ging nun der Frage nach, ob es sinnvoll ist, parallel zur CO2-Bepreisung eine weitere Förderung zu machen.

Wie die Klimaschutzverträge funktionieren sollen

Um die Antwort vorweg zu nehmen – die Wissenschaftler sagen „Ja“, aber zeitlich befristet, konzentriert auf Pilotprojekte und gut begründet. „Denn wenn die ganze Grundstoffindustrie abwandert wegen der hohen CO2-Bepreisung, ist nichts gewonnen für das Klima, aber die Jobs gehen für Deutschland verloren“, sagt Ökonom Schmidt, Vorsitzender des Beirats.

Wie sollen die Klimaschutzverträge nun funktionieren? Der Staat schließt Verträge mit Unternehmen wie Thyssen Krupp oder Feralpi in Riesa zur Förderung der Betriebskosten bei der Herstellung von „grünem Stahl“. Die Stahlindustrie ist verantwortlich für 30 Prozent der CO2-Emissionen in der Industrie. Konventioneller Stahl aus Hochöfen kommt auf rund 1,75 Tonnen CO2 pro Tonne Stahl. Den Unternehmen sollen die Mehrkosten, die durch den Wechsel von Kokskohle auf künftig mit Öko-Strom hergestellten Wasserstoff durch staatliche Zuschüsse finanziert werden.

Die Vorteile der Klimaschutzverträge sind, dass sie den Unternehmen Investitionssicherheit geben und schnell einzuführen sind. Das könnte dazu führen, dass grüner Stahl oder grüner Zement schneller großtechnisch hergestellt werden. Der Nachteil: Es besteht das Risiko zur Überförderung. Deshalb fordert der Beirat, die teuren Klimaschutzverträge zwingend nur im Ausschreibungsverfahren zu vergeben. „Nur im Wettbewerb kann man die Unternehmen dazu bringen, ihre wahren Kosten zu offenbaren“, so Schmidt. Die Unternehmen würden ihre Kosten besser kennen als der Staat und könnten zu hohe Rechnungen ausstellen. Der Staat würde dann Steuergeld zum Fenster rauswerfen. Auch kann es während der Vertragslaufzeit zur Über- oder Unterschätzung von Kosten kommen. Deshalb müssten die Verträge nachverhandelt werden dürfen.

Stahlknüppel werden in einer Stranggussanlage der Elbe-Stahlwerke Feralpi geformt. Der italienische Stahlwerkkonzern baut ein neues Walzwerkes welches das alte ergänzen soll. Foto: dpa
Stahlknüppel werden in einer Stranggussanlage der Elbe-Stahlwerke Feralpi geformt. Der italienische Stahlwerkkonzern baut ein neues Walzwerkes welches das alte ergänzen soll. Foto: dpa © dpa

Den Vorzug geben die Berater der zweiten Idee „Grüne Leitmärkte“. Hier legt der Staat fest, dass die Wirtschaft zum Beispiel 20 Prozent „grünen Stahl“ oder grünen Zement einsetzen müssen. So entsteht bei den Industriekunden eine Nachfrage, auf die die Stahlwerke reagieren. Doch wie können sie den „grünen“ Anteil an der gekauften Stahlmenge nachweisen? In dem sie ihre Produkte zertifizieren lassen und den grünen Anteil mit Zertifikaten für grünen Stahl hinterlegen. Diese Zertifikate könnten ähnlich wie an der Strombörse gehandelt werden, so dass sich ein Marktpreis für grünen Stahl ergibt.

Dass die Einführung eines solchen Zertifikatehandels sehr aufwändig ist, glaubt Schmidt nicht. „Wir haben schon viele Märkte für Zertifikate eingerichtet. Die große Aufgabe ist die Definition, was ist grüner Stahl, wie geht man mit Altstahl um“, sagt der Ökonom. Der Aufwand dafür sei sehr hoch, aber um die Definition komme man nicht herum.

Wie auch nicht um die Klimaschutzverträge, über die das Bundeskabinett demnächst entscheiden will. „Wir sehen sie skeptisch, weil zu viel Geld ausgegeben werden wird. Aber ganz werden wir daran nicht vorbei kommen“, sagt Schmidt und mahnt nochmals, sie auf Pilotprojekte zu beschränken.

Klare EU-Regeln für Import von grauem Stahl

Und wie reagiert die Industrie? „Generell können die Klimaschutzverträge ein geeignetes Instrument sein, um Mehrkosten für klimafreundliche Produktion abzusichern. Allerdings wissen wir bis dato noch nicht, wie diese Verträge genau gestaltet sein werden und für welche Unternehmen sie infrage kommen“, sagt Uwe Reinecke, Werksdirektor bei Elbe-Stahl in Riesa. Die Zukunft sei der grüne Stahl, das stehe außer Frage. Doch die zentrale Herausforderung sei, „wie wir im Wettbewerb gegen Länder bestehen werden, die geringere Klimaauflagen haben“, betont Reinecke. Da kämen dann die grünen Leitmärkte ins Spiel. Es brauche Förderung, aber auch EU-Regeln, die den Import von grauem Stahl nach Europa erschweren und dafür sorgen, dass Rohstoffe wie Schrott für Elektrostahlwerke, in Europa bleiben und dort gehandelt werden. Sonst steigt nach Ansicht von Reinecke die Gefahr der Deindustrialisierung.

„Ein Label „grüner Stahl“ ist unbedingt notwendig und zugleich mit vielen Fragestellungen verbunden“, meint er. Zuerst müssten Faktoren festgelegt werden, die den Unterschied zwischen Stahlwerken mit Hochofen- und Elektrolichtbogenofenrouten, so wie in Riesa, berücksichtigen, fordert Reinecke. Das in Riesa genutzte Verfahren ist energieeffizienter und verursacht zwischen 400 bis 500 Kilogramm CO2-Emissionen pro Tonne Stahl statt der 1,75 Tonnen CO2 pro Tonne Stahl beim Hochofenverfahren. Und dann dürfte es nicht nur ein deutsches Label sein, sondern müsste ein europäisches sein. Denn Feralpi verkauft seinen aus Schrott recycelten Elektrostahl vor allem in die Benelux-Ländern und nach Osteuropa und will das auch künftig noch tun.