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Archäologen bestätigen sensationellen Fund im Hohwald

Die Hohwald-Region rund um Neustadt in Sachsen ist für den Bergbau bekannt. Der Starkregen im Juli 2021 brachte jetzt die bisherige Geschichte ins Wanken.

Von Anja Weber
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Die Flüsschen im Hohwaldgebiet wurden einst zur Goldgewinnung genutzt. An einem gab es jetzt einen interessanten Fund.
Die Flüsschen im Hohwaldgebiet wurden einst zur Goldgewinnung genutzt. An einem gab es jetzt einen interessanten Fund. © Rene Teich

Das Hohwaldgebiet ist seit Jahrhunderten für seine Bergbauversuche bekannt. Die Historie des Bergbaus im Hohwald - ja sogar in ganz Sachsen - müsste nach neuesten Erkenntnissen jedoch neu geschrieben werden. Der Grund: Im Hohwald wurden Spuren der ältesten Goldseife Sachsens gefunden. Dabei handelt es sich um goldhaltiges Gestein, das durch Auswaschen gewonnen wird. Experten datieren diese auf das Jahr 1179.


Für den Bergbau-Traditionsverein Hohwald ist das eine kleine Sensation. Die Mitglieder beschäftigt sich seit 2003 eng mit den Relikten des Goldbergbaus, anderen Erzvorkommen sowie Steinbrüchen, suchen nach Sachzeugen und Dokumenten. Aus Unterlagen geht zum Beispiel hervor, dass bereits im Jahr 1228 im Hohwald ein Ort als "Ratolfssiffe" bezeichnet wurde. Ein Begriff, der auf eine Goldseife hindeutet. Ob es sich dabei tatsächlich um eine handelt, war bislang offen. Nur durch Zufall ist man nun auf die wohl größte Entdeckung seit Jahren gestoßen.

Eine eher zufällige Entdeckung

Schuld daran ist das Unwetter im Juli 2021. Starkregen setzte damals auch den kleinen Bächen im Hohwald mächtig zu. René Teich, Vereinsvorsitzender des Bergbau-Traditionsvereins, ist oft im Hohwald unterwegs, um dort nach dem Rechten zu schauen. Der Starkregen bereitete ihm Sorgen, sodass er zu einer Wanderung aufbrach.

An einem Bach entdeckte er dann plötzlich etwas Ungewöhnliches. "Ein Stück Bohle ragte aus der Erde raus. Normalerweise befinden die sich sonst viel weiter unten. Aber der Regen hatte sie offenbar freigespült", sagt er. Wo genau sich diese Stelle befindet, soll geheim bleiben. René Teich witterte, dass er noch mehr finden könnte und suchte den Bach noch intensiver ab. Tatsächlich, es gab noch weitere Stellen. Schon das allein wäre die Sensation gewesen. Denn bislang konnte der Verein nur anhand von Schriftstücken Rückschlüsse auf die Bergbaugeschichte im Hohwald ziehen. Mit seinem Fund gibt es nun etwas Greifbares.

Teich habe zuerst an eine Waschrinne gedacht. "Ich habe nur gesehen, es ist alt und bearbeitet", sagt er. Er suchte daraufhin Hilfe bei Neustadts Museumsleiterin Ulrike Hentzschel. Sie kann sich noch genau an seine Worte erinnern. "Du musst mal gucken. Das ist alt", hätte René Teich gesagt. Damit war auch Ulrike Hentzschels Interesse geweckt. Gemeinsam ging es an die Fundstellen. Schnell war klar, das ist etwas für Experten.

Die Museumsleiterin schaltete daraufhin das Landesamt für Archäologie ein. Mitarbeiter waren vor Ort, untersuchten die gefundenen Spaltbohlen. Ihre ausführlichen Ergebnisse haben sie in der Fachliteratur veröffentlicht und können dort nachgelesen werden. Der Fund dürfte damit überregional beachtet werden.

Starkregen hatte im Juli 2021 diese Holzbohlen frei gespült. Sie sollen knapp 850 Jahre alt sein.
Starkregen hatte im Juli 2021 diese Holzbohlen frei gespült. Sie sollen knapp 850 Jahre alt sein. © Rene Teich

Auf den Fotos von René Teich ist zu erkennen, dass die Holzbohlen bearbeitet wurden. Das Ergebnis der Untersuchungen überraschte dann aber doch. "Eines der Hölzer wies laut der Expertise der Archäologen als jüngsten Jahresring einen von 1196 sowie 1179 auf. Das erstaunte uns natürlich und vor allem auch, dass man das nach so langer Liegezeit überhaupt noch nachweisen kann", sagt René Teich. Gehalten habe sich das Holz nur, weil es von einer dicken Lehmschicht umgeben wurde. Sonst wäre es längst verfault. Eben diese Lehmschicht hatte der starke Regen fortgespült.

Bergbau erstmals 1333 erwähnt

Der Verein hat bereits erforscht, dass der erste nachweisbare Bergbau in der Hohwaldregion der um 1333 urkundlich erwähnte Bergbau von Neustadt sei. Es habe jedoch Vermutungen gegeben, dass bereits vor dem Jahr 1223 um den Valtenberg herum Eisenbergbau betrieben wurde.

Auf seiner Internetseite veröffentlicht der Verein dazu einige Ausführungen, was es mit den Goldseifen und Goldwäschen auf sich hatte. Dort werden auch die Begriffe erklärt. Um an das begehrte Gold zu gelangen, das in sehr kleinen Mengen in Form von Flittern in den Ablagerungen des Baches vorkommt, legte man sogenannte Seifengräben an. Entlang dieser Gräben grub man die anstehenden Bodenschichten ab und spülte diese mithilfe des durchfließenden Wassers durch. Die schwereren Sedimente wurden dann in Rinnen ausgewaschen. So kam man an das Gold.

Neue Erkenntnisse, neue Fragen

Mit dem Sensationsfund im Hohwald konnte in Sachsen nun offenbar erstmals eine Goldseife genau datiert werden. Dem Verein sowie der Museumsleiterin stellt sich nun die Frage, wie sollen sie mit dem neuen Wissen umgehen? Der Beweis für die frühe Bergbautradition im Hohwald ist da. René Teich und Ulrike Hentzschel sind überzeugt, dass man vor Ort noch mehr Hinweise finden würde. Doch gegraben werden darf nicht. Zum einen ist es ein Bodendenkmal und zum anderen würde man dann die Halden zerstören. Die gefundenen Holzbalken können zudem nicht im Museum ausgestellt werden. Nassholz zu konservieren, wäre viel zu teuer. Deshalb sollen zumindest die gemachten Fotos gezeigt werden.

Mit der Bestätigung der ältesten Goldseife Sachsens werden neue Begehrlichkeiten geweckt. Bislang ging man davon aus, dass es Menschen aus dem Freiberger Raum waren, die den ersten Bergbau im Hohwald betrieben. Mit den neuen Zeitangaben könnten es nun auch Menschen aus anderen Gebieten gewesen sein, zum Beispiel aus Böhmen.

Was waren das also für Menschen, die zuerst im Hohwaldgebiet nach Gold oder anderen Bodenschätzen gesucht haben? Wo haben sie gewohnt? Wie haben sie damals gearbeitet und sich wovon ernährt? Zumindest Hinweise auf eine erste Besiedlung in der Umgebung soll es geben.

Neustadt könnte mehr mit dem Bergbau werben

Der Sensationsfund könnte für Neustadt auch ein Werbeträger sein. Mit Bergbau ist ein gewisser Mythos verbunden. Nach den Forschungen des Vereins konzentrieren sich nicht nur im Hohwald, sondern auch in Neustadt und auf Polenzer Flur größere Funde von Bergbau.

Touristisch könnte das Ganze genutzt werden. Ideen vom Verein und der Museumsleiterin gibt es. Gemeinsam mit der Stadt Neustadt könnte das vermarktet werden, sagen beide. Eine Idee wäre ein Erlebnispfad, der zum Goldwaschen einlädt. Dazu muss man nicht einmal die Besucher in das geschützte Hohwaldgebiet bringen. Gold waschen könnte man auch auf dem Marktplatz von Neustadt. Oder am Ortseingangsschild könnte etwa die Ergänzung "Goldbergbaustadt" stehen. Der Bergbauverein selbst bietet im Rahmen seiner Möglichkeiten bereits Führungen in das Hohwaldgebiet an.