Es ist geschafft, im Großen und Ganzen zumindest. Darüber ist Holger Kliemt froh und glücklich - und das sieht man ihm auch an. Der Bauingenieur hat aus dem verfallenen Herrenhaus in Särichen ein Schmuckstück in der Gemeinde Kodersdorf gemacht.
"Mein Ziel ist es gewesen, das Gebäude in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen und so viel wie möglich zu erhalten beziehungsweise an Material wiederzuverwenden", berichtet der Bauplaner mit Sitz in Kodersdorf. Mit dem Projekt beschäftigt er sich schon viele Jahre. Schließlich stammt Holger Kliemt aus Särichen, kennt das Herrenhaus also schon von Kindheitstagen an. Nun ist er der Schlossherr.
Nachdem die Gemeindeverwaltung nach der Wende schon einige Reinfälle mit Investoren durchlebt hatte, die das Haus wieder nutzbar machen wollten, stellte 2016 ein Bürger der Gemeinde seinen Kaufantrag. Ein Jahr später war Holger Kliemt der neue Eigentümer und steckte schon mitten in seinen Planungen, die der damals 52-Jährige 2018 umzusetzen begann.
Corona und Krieg bremsten Bauvorhaben
Zwei Jahre später sollten die ersten Mieter einziehen können. Holger Kliemt konnte 2018 nicht ahnen, dass erst die Corona-Pandemie und anschließend der Angriffskrieg auf die Ukraine samt Energiekrise auch den Bausektor kräftig durcheinander wirbelt. "Ich hatte in dieser Zeit zu kämpfen mit den sehr gestiegenen Preisen, aber auch mit Lieferengpässen", sagt er. Abstriche an seinem Projekt hat er nicht gemacht, aber es ist nun um einiges teurer geworden als ursprünglich kalkuliert.
Dieser Weg war aber der Richtige. Um Mieter brauchte er für die acht Wohnungen nicht groß zu werben. Sechs Wohnungen sind zum Jahresende schon bezogen gewesen. Für die restlichen beiden Wohnungen sind die Mietverträge unterschrieben, die neuen Bewohner wollen diese Woche einziehen. Groß den Querschnitt und damit die Räume verändert, hat der Bauherr nicht. Nur den 60 Quadratmeter großen Hausflur sah Holger Kliemt als verschenkten Wohnraum an und teilte ihn ab.
Wohnraum ist bis unters Dach entstanden. Damit die Zimmer Tageslicht haben, setzte Holger Kliemt die Gauben wieder aufs Dach, so wie es früher einmal war. Neu sind dagegen die an der Ost- und Westseite angebauten Balkons. Das gesamte Haus ist unterkellert. Dieser hat Platz für einen großen Partyraum, wo einst die Kohlen für die Heizung lagerten, und jede Mietpartei hat einen Verschlag als Nebengelass im Keller.
Wandmalerei entdeckt
Beim Herrichten des Kellers gab es aber auch so manche Überraschung, erzählt Holger Kliemt. In dem früheren Heizungsraum hatten sich über die Zeit drei Fußböden übereinander gelegt und eine Wandmalerei wurde unter dem Putz freigelegt. Eine Jagdszene, die wahrscheinlich aus den Anfangszeiten des Hauses herrührt. Auch was an Stuckelementen und Malerei an den Decken und Wänden noch vorhanden war, ließ der Bauherr mit Liebe zum Detail restaurieren. Seine Mieter haben das angenommen, schließlich wohnen sie in einem historischen und denkmalgeschützten Gebäude, dessen Ursprung bis ins 16. Jahrhundert reichen soll.
Das heutige Mehrgenerationenhaus hat viele Besitzer und Bewohner gesehen. Familienmitglieder von Gersdorf, Nostitz und Uechtritz wohnten hier, zuletzt ein Heinz Meinking, der 1945 enteignet wurde. Die neuen Bewohner wurden Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten. Auch der Abschnittsbevollmächtigte der Deutschen Volkspolizei hatte in dem Gebäude sein Dienstzimmer, ebenso saß die Verwaltung der örtlichen LPG in den Räumen. Nach der Wende zog die Gemeinde Särichen mit ihrer Verwaltung ein und als Särichen 1994 nach Kodersdorf eingemeindet wurde, nutzte der Jugendclub die Räume im Keller. In dieser Zeit begann die Suche nach einem Käufer für das kommunale Gebäude, aber erst mit Holger Kliemt bekam das inzwischen zu einer Ruine verkommene Herrenhaus eine neue Zukunft.
Reges Interesse am Bau
Das Baugeschehen im und am Herrenhaus wurde nicht nur von den Särichenern aufmerksam mitverfolgt. Anlässlich des Tages des offenen Denkmals im vergangenen September öffnete der Bauingenieur seine Türen. "Ich war überrascht über das Interesse. Rund 500 Besucher waren gekommen, um sich das Haus anzuschauen und was daraus geworden ist."
Trotz seiner historischen Vergangenheit setzt Holger Kliemt im Herrenhaus auf modernes Wohnen. Dazu gehört auch ein barrierefreier Zugang ins Haus. Zwei große Luftwärmepumpen am Gebäude sorgen für Wärme und warmes Wasser. Alle Wohnungen haben Bäder bekommen und Fußbodenheizung. Die neuen Fenster sind dreifach verglast und die 75 Zentimeter starken Außenwände aus Granit sorgen schon immer für ein angenehmes Raumklima im Sommer und im Winter. Im Keller sind sie Außenwände sogar einen Meter breit.
Geändert hat sich der Hauszugang. Dieser ist nun von hinten ins Gebäude. Der frühere Treppenaufgang an der Nordseite führt jetzt unweigerlich in die Küche der Erdgeschosswohnung. Denn wo bisher Flur war, ist jetzt Wohnung. Ohne bauliche Kompromisse zugunsten der Mieter geht es bei so einem alten Gebäude dann doch nicht.