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Kleinere Brüste sorgen für neues Lebensgefühl

Warum eine Rietschenerin einem Görlitzer Ärzteteam dankbar ist und mit ihrer Geschichte Leidensgenossinnen Mut machen will.

Von Frank-Uwe Michel
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Endlich funktioniert das wieder: Nach ihrer Brustverkleinerung kann sich Kornelia Schröter um ihren Garten kümmern. Bis vor ein paar Tagen fiel ihr das Bücken noch sehr schwer.
Endlich funktioniert das wieder: Nach ihrer Brustverkleinerung kann sich Kornelia Schröter um ihren Garten kümmern. Bis vor ein paar Tagen fiel ihr das Bücken noch sehr schwer. © André Schulze

Kornelia Schröter bekommt das Lächeln nicht aus ihrem Gesicht, obwohl sie nach der großen Operation Mitte Juni noch nicht ganz schmerzfrei ist. Endlich kann sich die Rietschenerin wieder so bewegen, wie sie will. Und das tun, was sie möchte. Zum Beispiel die im Hochbeet üppig wuchernden Gurkenpflanzen pflegen. Oder mit dem Hund spazieren gehen. Auch Kultur erleben ist wieder drin - ein Besuch im Kino oder im Theater. Was die 65-Jährige aber am meisten freut - und darüber muss sie schon fast diebisch kichern - ist ihr "Wohlstandshuckel". Den sieht sie jetzt, habe ihn früher überhaupt nicht bemerkt, lacht sie. Und meint damit die kleine Wölbung am Bauch, die anderen Zeitgenossen ziemliche Kopfschmerzen bereitet.

Warum Kornelia Schröter so gerne auf dem OP-Tisch lag, hat einen gewichtigen Grund - über den sie eigentlich gar nicht so gerne reden mag. Genetisch bedingt ist die Rietschenerin mit besonders großen Brüsten nicht etwa gesegnet, sondern belastet worden. "Ich habe diese Unwucht schon in meiner Jugend bemerkt. Mit zunehmendem Alter wurde es immer schlimmer." Fast bei jeder Körperbewegung schmerzte die Wirbelsäule. Das Bücken fiel schwer, schnelles Laufen auch. Selbst längeres Sitzen. Die übergroße Last zog den Körper nach vorn. Erfolgreich dagegen wehren konnte er sich nicht.

"Ich habe mich deshalb schon seit etwa zehn Jahren mit dem Gedanken getragen, meine Brust verkleinern zu lassen. Nicht, weil ich zu eitel bin. Sondern, weil die dadurch entstehenden Beschwerden einfach nicht mehr auszuhalten waren." Ein Neurochirurg riet ihr ebenfalls zu einer OP. Darauf schaltete sie ihre Krankenkasse ein und ließ sich im Oktober 2019 erstmals auch von Dr. Steffen Handstein, dem Leiter des Mammazentrums am Görlitzer Klinikum beraten. "Der Experte hat mir richtig Mut gemacht. Er meinte, in meinem Fall würde es sich lohnen, bei der Kasse um die Kostenübernahme für die Brustverkleinerung zu kämpfen."

Ärzte sind zugleich Handwerker und Künstler

Doch dann kam erst einmal Corona dazwischen. 2020 und 2021 passierte nichts. Fast jedenfalls, denn im vergangenen Herbst forderte die AOK Gutachten von Gynäkologie, Orthopädie, Psychologie und Hausarzt an. Zudem sollte Kornelia Schröter Fotos ihrer Brust machen lassen. Schließlich musste die Rietschenerin noch zu einem entscheidenden Termin: Eine von der Krankenkasse beauftragte Gutachterin sollte die "Übergröße" selbst in Augenschein nehmen. Die Fachfrau bestätigte, was die Ärzte zuvor schon empfohlen hatten: Eine Operation könnte die erhoffte Erleichterung bringen.

Dass sie den Eingriff am Klinikum in Görlitz vornehmen lassen würde, war für sie klar. "Ich hatte über die plastische Chirurgie dort schon viel Gutes gehört und auch im Internet dazu gelesen." Das bestätigte sich am OP-Tag und danach. "Trotz des knapp bemessenen Personals verlief alles sehr professionell und strukturiert." Vier Stunden dauerte die Operation. Ärzte und Pflegekräfte, lobt die Seniorin, hätten einen sehr guten Job gemacht. "In meinen Augen sind das zugleich Handwerker und Künstler."

Umso mehr, als sie jetzt das Ergebnis kennt. "Das ist Bombe", lässt sie ihren Emotionen freien Lauf. "Gefühlt habe ich jetzt drei Viertel weniger dran." Die Zahlen sagen: 650 bzw. 580 Gramm Brustgewebe wurden ihr abgenommen. Das ist mehr als der Durchschnitt bei vergleichbaren Eingriffen. Dr. Steffen Handstein spricht im Mittel von 500 Gramm. "Das Maximum lag bei über 2.800 Gramm pro Seite. Da bekommt man eine Vorstellung, wie groß die mechanische Belastung für den Stütz- und Halteapparat des Körpers ist."

Dr. Steffen Handstein ist Chefarzt der Klinik für plastische, rekonstruktive und Brustchirurgie am Klinikum Görlitz.
Dr. Steffen Handstein ist Chefarzt der Klinik für plastische, rekonstruktive und Brustchirurgie am Klinikum Görlitz. © Archiv/Pawel Sosnowski

In der Klinik für plastische, rekonstruktive und Brustchirurgie des Städtischen Krankenhauses in Görlitz werden solche Operationen inzwischen regelmäßig durchgeführt. "In Hoch-Zeiten mindestens einmal pro Woche." Insgesamt konnte schon mehr als 1.000 Patientinnen geholfen werden. Der Chefarzt kann den Leidensdruck der Frauen absolut nachvollziehen. "Über 95 Prozent entscheiden sich zur Brustverkleinerung in erster Linie wegen der chronischen Beschwerden mit nicht therapierbaren Schmerzen im Schulter- und Nackenbereich, aber auch in den Brüsten. Zudem gibt es Fehlstellungen in der Halswirbel- und Brustwirbelsäule. Ebenso chronische, sehr unangenehme Entzündungen der Haut."

Bisher über 1.000 Brustverkleinerungen

Die technischen Herausforderungen einer solchen Operation sind vielschichtig und komplex. Weil Form und Größe der Brüste individuell sehr verschieden sind, gibt es nicht eine einzige Lösung für alle Frauen. "In der Operation selbst muss das Volumen reduziert, neu geformt und an der Stelle platziert werden, wo es idealerweise sein und bleiben soll", erklärt Dr. Handstein, der außer seinem Engagement am Klinikum Görlitz in Dresden eine Praxis für plastische und ästhetische Chirurgie betreibt. Die Brustwarzen müssten nicht nur versetzt werden, sie sollten auch ihre Funktionen wie Gefühl, Erregbarkeit, Stillfähigkeit erhalten. Der Hautmantel werde der neuen Form angepasst.

Schon nach rund einem halben Monat stellt Kornelia Schröter Verbesserungen im Brustbereich fest. "Ich bin viel beweglicher", sagt sie. Und: "Es ist erstaunlich, wie schnell ich nach diesem Eingriff wieder fit geworden bin." Zu einem großen Teil führt sie das auf die Leistung des Behandlungspersonals zurück. "Es war einfach topp, was ich da erleben durfte." Physiotherapeutische Übungen sollen nun den Effekt der Brustverkleinerung weiter verbessern. "Mein großer Traum ist, dass ich Schmerzmittel in Zukunft deutlich reduzieren und vielleicht ganz auf sie verzichten kann." Leidensgenossinnen macht sie Mut, sich intensiv mit der Materie zu befassen. Und dann den Schritt zu wagen. Denn: "Die OP hat mir ein völlig neues Lebensgefühl geschenkt."