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"Gummi-König" hört mit 70 Jahren auf

Ulrich Dedeleit ist seit fast 40 Jahren Chef bei Lausitz Elaste in Rothenburg. Am Monatsende macht er Schluss, weiß die Firma aber in guten Händen.

Von Frank-Uwe Michel
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Stabwechsel bei der Firma Lausitz Elaste: Ulrich Dedeleit (vorn links) scheidet nach 40 Jahren als Geschäftsführer aus, Lars Beinlich (vorn rechts) übernimmt ab 1. Juli.
Stabwechsel bei der Firma Lausitz Elaste: Ulrich Dedeleit (vorn links) scheidet nach 40 Jahren als Geschäftsführer aus, Lars Beinlich (vorn rechts) übernimmt ab 1. Juli. © André Schulze

Das Lächeln weicht nicht aus seinem Gesicht. Ist es die Freude über das, was nach fast 40 Jahren als Betriebsleiter und Geschäftsführer der Lausitz Elaste GmbH vor ihm liegt? Oder schaut Ulrich Dedeleit eher zufrieden auf alles, was er in dieser Zeit in seiner Firma geleistet hat? Es wird von allem ein bisschen sein. Genau lässt sich das der 70-Jährige nicht entlocken. Eines steht aber fest: Der letzte Tag im Juni wird zugleich der letzte für ihn als Chef, aber auch als Beschäftigter in dem Unternehmen sein. Am 3. Oktober 1983 hat er begonnen, in wenigen Tagen ist dieser Lebensabschnitt vorbei.

Dedeleit ist eine Institution in dem Betrieb, der einst in Niesky ansässig war und nun am Rothenburger Flugplatz Gummiteile für unterschiedlichste Verwendungen in allen Teilen der Welt produziert. Der studierte Maschinenbauer hat in seinem Berufsleben offenbar sehr vieles richtig gemacht, wie sonst wäre der Erfolg des Unternehmens zu erklären.

Noch heute erinnert er sich ganz genau, wie es zu seinem Einstieg in die Firma kam. "Anfang der 1980er Jahre habe ich an der Ingenieurschule Bautzen unterrichtet. Wir hatten uns damals ein Haus in Niesky gekauft - und ich musste immer pendeln. Außerdem waren die Arbeitszeiten sehr unregelmäßig. Deshalb habe ich mich nach einer Stelle in meiner Heimatstadt umgesehen." Die gab es tatsächlich: Der Betriebsbereich II des VEB Ostsächsische Gummiwerke Polenz suchte einen neuen Betriebsteilleiter. Das Unternehmen auf der Bautzener Straße war aus dem 1942 gegründeten Gummiwerk Niesky hervorgegangen. "Das war ein glücklicher Zufall für mich", lacht Dedeleit.

Nach der Wende brach die Nachfrage ein

Einer, von dem beide Seiten in den folgenden Jahren profitierten. Ulrich Dedeleit wurde das Gesicht der Gummiproduktion, das Unternehmen entwickelte sich kontinuierlich weiter. Zum Beispiel als nach der Wende Standort und Portfolio vakant wurden. "Ein solches Werk mitten in der Stadt war ziemlich blöd", gibt der scheidende Chef unumwunden zu. Die Anwohner beschwerten sich ständig über Krach und Geruch. Außerdem wollte der Alteigentümer das Grundstück wiederhaben. Ein Ausweichquartier in Niesky fand sich nicht, die Offerte aus Rothenburg nahm man deshalb dankbar an. Seit 1993 produziert die Firma dort am Flugplatz im Gewerbegebiet.

Allerdings war die Nachfrage nach DDR-Erzeugnissen fast komplett zusammengebrochen. "Wir haben uns deshalb auf den Schienenfahrzeugbau und die Armaturenindustrie konzentriert." Formartikel, Rahmen, Gummi-Metallverbindungen, Profile, auch Konsumgüter wie Bade- und Duschmatten und selbst Eishockey-Pucks werden heute in dem Werk produziert. Längst auch Gummiteile für die Autoindustrie. "Wir wollten unabhängig von einer Branche sein", begründet Dedeleit die breite Palette. Deshalb bleibt er auch ganz entspannt, wenn das Internet Hiobsbotschaften aus der Wirtschaft verbreitet. Schließt sich eine Tür, geht eine andere auf. Die Lausitz Elaste GmbH ist als Hersteller spezifischer Gummiprodukte weltweit anerkannt.

Noch mit 70 ist Ulrich Dedeleit bei Lausitz Elaste in Rothenburg der Chef. In den vergangenen Jahren hat er das Unternehmen mit einer breiten Produktpalette gut aufgestellt.
Noch mit 70 ist Ulrich Dedeleit bei Lausitz Elaste in Rothenburg der Chef. In den vergangenen Jahren hat er das Unternehmen mit einer breiten Produktpalette gut aufgestellt. © André Schulze

Momentan werden etwa 2.000 verschiedene Artikel hergestellt. Die Stückzahlen reichen von 5 bis zu mehreren 100.000. Wobei dem Firmenlenker die Mini-Serien am liebsten sind. "Die sind aufwendiger. Aber damit lässt sich mehr verdienen." So hat sich der Umsatz in den vergangenen Jahren stark nach oben entwickelt. Hatte der Betrieb nach der Wende noch mit etwa zwei Millionen D-Mark angefangen, werden 2022 wahrscheinlich neun Millionen Euro erreicht. Ähnlich hat sich die Zahl der Mitarbeiter entwickelt. Statt der 15 Beschäftigten 1990 sind es jetzt etwa 80, darunter einige Leiharbeiter. Die dürfen jedoch auf eine Übernahme hoffen. "Wir entscheiden das nach Eignung und sind bisher damit sehr gut gefahren."

Energieprojekt bleibt für den Nachfolger

Wieder legt sich ein Lächeln auf Ulrich Dedeleits Gesicht. Denn auch die aktuell explodierenden Energiekosten treiben ihm keine Schweißperlen auf die Stirn. Auf den Hallendächern wurden schon vor einiger Zeit Solarpaneele installiert. "Scheint die Sonne, reicht es dicke für unseren Verbrauch." 0,7 Megawatt werden damit durchschnittlich im Jahr produziert. Weil es aber auch mal finster ist und bei schlechtem Wetter nur ein Bruchteil des zu erwartenden Stroms erzeugt werden kann, muss zugekauft werden, "damit wir im Jahr etwa 1,3 Megawatt zur Verfügung haben."

Auch wenn ein weiteres Projekt nicht mehr über seinen Tisch gehen wird, bleibt Dedeleit optimistisch. "Wir wollten die Dampferzeugung von Öl auf Gas umstellen. Aber wie sich jetzt zeigt, sind beide Energieträger mit Vorsicht zu genießen." Geplant ist nun eine Kombination aus Öl und Gas sowie einem elektrischen Teil. "Wir brauchen aber belastbare Aussagen der Politik, wie sich Verfügbarkeit und Preise gestalten werden." Deshalb ist hier dann Lars Beinlich als sein Nachfolger gefragt. "Wir haben besprochen, wie es weitergehen soll. Ich glaube, der Betrieb ist für die Zukunft sehr gut aufgestellt."

Wie es bei ihm weitergeht, darüber hat sich Ulrich Dedeleit natürlich auch schon Gedanken gemacht. Bei Haus und Hof, meint er, gebe es verschiedene Projekte. Gartenlaube und Wintergarten, fügt er an. Außerdem will er mal auf die Azoren - jene Inselgruppe, die er bisher nur als Wetterküche aus dem Fernsehen kennt. Schließlich habe er auch reichlich Enkel: Vier sind schon da, der nächste "im Anmarsch". Dabei leuchten die Augen des 70-Jährigen. Und auf sein Gesicht legt sich wieder das bekannte Lächeln.