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OB-Wahl in Pirna: Aus fünf mach drei mach eins

Pirna hat am 17. Dezember 2023 als erste Stadt Deutschlands einen AfD-Kandidaten zum Oberbürgermeister gewählt. So viele Kandidaten und so viel Wahlkampf im Vorfeld gab es selten.

Von Thomas Möckel
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Tim Lochner (2.v.r.): Den zweiten Wahlgang der Pirnaer OB-Wahl mit 38,5 Prozent der abgegebenen Stimmen gewonnen.
Tim Lochner (2.v.r.): Den zweiten Wahlgang der Pirnaer OB-Wahl mit 38,5 Prozent der abgegebenen Stimmen gewonnen. © Daniel Förster

Pirna ist aus dem Takt, zumindest was den Nachwende-Rhythmus bei den Oberbürgermeisterwahlen angeht, weil es dabei Kurzzeit-Intermezzos und auch Amtsinhaber gab, die ihre Amtszeit aus bestimmten Gründen nicht vollendeten. In und kurz nach der Wendezeit übernahm zunächst Herbert Wieczorek die Amtsgeschäfte im Rathaus, er blieb allerdings nicht lange auf diesem Posten.

Ihm folgte Hans-Peter Bohrig (CDU) nach, der von 1991 bis 1997 Bürgermeister und von 1997 bis 2001 Oberbürgermeister in Pirna war. Bei der Wahl 2001 trat er aus Altersgründen nicht mehr an. Auf ihn folgte Markus Ulbig, der zunächst von 2001 bis 2008 eine volle siebenjährige Amtszeit vollendete. Bei der Wahl am 8. Juni 2008 wurde er im Amt bestätigt, ein reichliches Jahr später dann zum sächsischen Innenminister gewählt.

Bei den daraufhin erforderlichen Neuwahlen ging am 15. Januar 2010 Klaus-Peter Hanke im zweiten Wahlgang als Sieger hervor. Er war damals Mitglied der Freien Wähler, bewarb sich aber als parteiloser Einzelkandidat um das Amt des Rathauschefs. 2017 wurde Hanke im ersten Wahlgang wiedergewählt. Seine Amtszeit geht nun noch bis zum 22. Februar 2024, dann ist für ihn Schluss. Und selbst wenn er wollte, dürfte aus Altersgründen nicht mehr antreten.

Fünf bewerben sich um den Chefposten im Rathaus

Im Vorfeld der für den 26. November angesetzten aktuellen Oberbürgermeisterwahl gab es einen in dieser Form beispielslosen Wahlkampf, zeitaufwendig, kräftezehrend, überschattet von Gegendemonstrationen, bis hin zu persönlichen Angriffen und einem erforderlichen zweiten Wahlgang, weil beim ersten Votum keiner der Bewerber die erforderliche absolute Mehrheit erreichte.

Ralf Thiele von der Wählervereinigung "Freie Wähler – Wir für Pirna" ging als erster ins Rennen, bereits im Oktober 2022 startete er in den Wahlkampf, dass hatten er und die Freien Wähler so beschlossen, wenngleich er zu diesem Zeitpunkt gemäß des sächsischen Kommunalwahlgesetzes noch nicht offiziell nominiert werden konnte. Im Februar 2023 gab Ralf Wätzig (SPD) seine Kandidatur bekannt, nominiert von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, unterstützt von den Linken.

Im März folgte Tim Lochner, aufgestellt und nominiert für die AfD, deren Stadtratsfraktion der vormals parteilose Stadtrat seit Anfang 2020 angehört. Er ist aber bis heute kein AfD-Mitglied. Im Mai gesellte sich Kathrin Dollinger-Knuth als CDU-Kandidatin hinzu. Kurz darauf machte André Liebscher seine Kandidatur als parteiloser Einzelkandidat publik. Alle fünf gehören dem Pirnaer Stadtrat an.

Vor dem zweiten Wahlgang waren es drei Kandidaten: Ralf Thiele (Freie Wähler), Kathrin Dollinger-Knuth (CDU) und Tim Lochner (für die AfD).
Vor dem zweiten Wahlgang waren es drei Kandidaten: Ralf Thiele (Freie Wähler), Kathrin Dollinger-Knuth (CDU) und Tim Lochner (für die AfD). © SZ/Fotomontage

Ein zweiter Wahlgang muss her

Kurzzeitig gab es sogar einen sechsten Kandidaten, auch der Polizeibeamte Marcel Schiffner bewarb sich als Parteiloser um das Amt des Rathauschefs, er fand sich aber letztendlich nicht auf dem Wahlzettel wieder – aus einem bestimmen Grund.

Für Kathrin Dollinger-Knuth, Tim Lochner und Ralf Wätzig war die Kandidatur eine reine Formsache, sie mussten keine besonderen Vorgaben erfüllen, da sie von ihren jeweiligen Parteien nominiert worden waren. Thiele als Kandidat einer noch nicht im Stadtrat vertretenen Wählervereinigung, Liebscher und auch Schiffner mussten hingegen jeweils mindestens 100 Unterstützerunterschriften sammeln, um vom Gemeindewahlausschuss als OB-Kandidaten bestätigt und für die Wahl zugelassen werden. Thiele und Liebscher gelang das, Schiffner hingegen nicht. So gab es letztendlich fünf Kandidaten für den ersten Wahlgang am 26. November.

Bereits nach den Sommerferien hatte der Wahlkampf begonnen, auf Hochtouren zu laufen. Die Bewerber hatten sich selbst ein enormes Programm aufgegeben, hinzu kamen so viele Diskussionsforen wie nie zuvor – angefangen mit der wahrlich heißen Debatte am 23. August im Q 24 bis hin zum Forum der Sächsischen Zeitung am 15. November. Da wirkten die Kandidaten schon sehr müde und abgekämpft.

Beim ersten Votum holte allerdings keiner der Kandidaten die erforderliche absolute Mehrheit. Tim Lochner bekam mit 32,9 Prozent die meisten der abgegebenen Stimmen, hinter ihm folgte Ralf Thiele mit 23,2 Prozent, danach Kathrin Dollinger-Knuth mit 20,2 Prozent. Somit wurde ein zweiter Wahlgang nötig, schon im Vorfeld auf den 17. Dezember, da würde dann die einfache Stimmenmehrheit für einen Wahlsieg reichen.

Spannend war zunächst, wer noch ein weiteres Mal antritt, denn das ist eine Besonderheit im sächsischen Wahlrecht. Danach hätten alle fünf Kandidaten ein weiteres Mal antreten dürfen. In andern Bundesländern hingegen gehen in einem solchen Fall nur die beiden mit den meisten Stimmen in die Stichwahl.

Amtsübergabe im Februar, Vereidigung im März

Doch die Teilnahme am zweiten Wahlgang klärte sich rasch. Bereits am Tag nach der Wahl erklärte Ralf Thiele, das er als Zweitplatzierter ein weiteres Mal antritt. Unterdessen liefen seitens der CDU anderweitige Sondierungsgespräche, das Ergebnis wurde dann am Dienstag nach der Wahl verkündet: Auch Kathrin Dollinger-Knuth tritt noch einmal, diesmal unterstützt von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Linken und dem Einzelkandidaten André Liebscher – weil man sich als neues Bündnis große Stimmenpotenziale ausrechnete. Liebscher und Wätzig zogen ihre Kandidatur zurück, so blieb mit Lochner, Thiele und Dollinger-Knuth ein Trio für den zweiten Wahlgang.

Am 17. Dezember zeigte sich dann schnell, dass die Rechenspiele nicht aufgingen. Lochner ging mit 38,5 Prozent der abgegebenen Stimmen als Wahlsieger hervor und wird neuer Rathauschef, die AfD stellt mit ihm bundesweit den ersten Oberbürgermeister. Dollinger-Knuth und Thiele nahmen sich offensichtlich gegenseitig die Stimmen weg, sie bekam 31,4 Prozent, er 30 Prozent.

Der Gemeindewahlausschuss hat inzwischen das vorläufige Endergebnis der Wahl bekannt gegeben, jetzt prüft das Landratsamt den Wahlablauf, danach wird das Ergebnis im Anzeiger publik gemacht, ab diesem Zeitpunkt laufen dann die Einspruchsfristen gegen die Wahl. Die Amtszeit von OB Klaus-Peter Hanke läuft bis zum 22. Februar 2022, eine Amtsübergabe ist für Ende Februar geplant. Vereidigt vom Stadtrat soll Lochner dann in der Sitzung am 26. März werden.