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Abiturienten damals und heute

Vier Schulanfängerinnen von 1989 treffen auf drei Schulabgänger von 2019. Was eint sie, was trennt sie?

Von Kathrin Krüger
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Symbolbild: Pausenplausch in einer Grundschule.
Symbolbild: Pausenplausch in einer Grundschule. ©  SZ/Archiv

Vier 1989er und drei 2019er Abiturienten haben sächsische.de erzählt, wie es nach ihrem Schulabschluss weiterging oder weitergeht.

Jane Uschner (36)

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Ich wollte früher Künstlerin werden, hatte damals sogar eine eigene Ausstellung im Großenhainer Alberttreff. Ich hab eine Ausbildung zur gestalterisch-technischen Assistentin in Dresden gemacht und dann an der FH in Merseburg Medien- und Kommunikationstechnologie studiert. Doch jetzt bin ich bei der Bundeswehr, lebe mit meiner Familie – wir haben drei Kinder – seit zehn Jahren in Eckernförde an der Nordsee. Mein Job ist die Seeminenabwehr.

Ich bin sehr froh, dass ich meine berufliche Laufbahn in der BRD und nicht in der DDR machen konnte. Meinen Eltern nach gab es damals doch sehr viele Einschränkungen. Man musste sich arrangieren. Als Kind hat mich das nicht so beschäftigt. Aber wir hatten in Großraschütz noch sonnabends Unterricht. 

Was allerdings damals besser war: Im Osten stand die Gemeinschaft im Vordergrund. Auch das Feiern. Meinem Mann zum Beispiel, der aus Westdeutschland stammt, war das eher fremd. Bei uns zu Hause spielt der Ost-West-Unterschied aber keine Rolle, auch in Eckernförde fühle ich mich sehr wohl. Hier sind derartige Konflikte überhaupt nicht präsent. Die Urlauber kommen von hüben und drüben, die Zugezogenen auch. Ich möchte nirgendwo anders mehr leben.  

Diana Schulze (37)

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Studieren war mein erklärtes Ziel. Aber was? An der TU Dresden begann ich ein Medizin-Studium, doch nur kurz. Meine wahre Leidenschaft war die Geschichte. So wechselte ich. Mein Magisterstudium habe ich mit Auszeichnung abgeschlossen. Über Praktika entdeckte ich das Interesse für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. 

Seit zehn Jahren bin ich Persönliche Referentin des Großenhainer Oberbürgermeisters. Es ist ein absoluter Glücksumstand, in meiner Heimatstadt arbeiten zu können. Ich reise zwar gern, war aber nie ein Zugvogel in die weite Welt. Auslandsaufenthalte waren 2001, als wir Abitur machten, noch nicht so „in“ wie heute. 

Aus der eigenen Familiengeschichte weiß ich, was es bedeutet, den Beruf nicht frei wählen zu können bzw. nicht studieren zu dürfen. Deshalb bin ich dankbar, dass ich im neuen System alle Möglichkeiten habe. In meiner Laufbahn kam es immer auf die Leistung an, ideologische Einschränkungen gab es nicht. 

Heute sind unsere Freiheiten viel größer, doch man muss sich auch öfter entscheiden. Damals waren die persönlichen Lebenswege vorgezeichneter. Ich finde es schön, dass Grenzen überwunden wurden und es diese Freiheiten gibt. Gern möchte ich in Großenhain bleiben, auch wenn ich nicht weiß, was die Zukunft bringt.   

Sandra Mißbach (36)

© Bildstelle

Ich habe früh begonnen Violine zu spielen. Damals stand in allen Poesiealben, dass ich Geigenlehrerin werden möchte. Irgendwie hat sich dieser Wunsch über die Pubertät verflüchtigt. Ich glaube, wie viele, war ich am Ende meiner Schullaufbahn etwas planlos. 

Ich hatte mich jedoch für ein naturwissenschaftliches Studium entschieden. Am Ende habe ich Biologie in Greifswald studiert. Anschließend habe ich in Frankfurt am Main meine Promotion abgeschlossen. In Frankfurt bin ich auch seit 2007 hängengeblieben und leite bei einem großen Pharmakonzern eine Gruppe in der Qualitätssicherung. 

An meine DDR-Schulzeit kann ich mich leider nur sehr wenig erinnern. Allerdings durfte ich noch Fahnenappelle erleben und natürlich das blaue Halstuch tragen. Auch hatten wir noch samstags Schule. Ich glaube meistens Sport. 

Die Grundschule in Großraschütz war schön. Ich bin dort gern hingegangen. Doch wenn ich darüber nachdenke, wie in der DDR Studienplätze vergeben wurden, hätte ich wahrscheinlich entweder gar nicht die Möglichkeit bekommen oder keine freie Wahl. Das ist natürlich ein gravierender Unterschied.

Heute ist mein privates Umfeld fest in Frankfurt/Main. Mein Partner kommt aus NRW. Wir werden sicher hierbleiben.  

Jane Papst (37)

© Bildstelle

Früher wollte ich Lehrerin werden, wie mein Opa. Ich hab ihm oft über die Schultern geschaut, wenn er mit dem Rotstift Arbeiten von Schülern korrigierte. Dann hab ich mich zu ihm gesetzt und auch mit einem Rotstift erfundene Testfragen korrigiert. Das fand ich toll. 

Geworden bin ich zunächst Diplom-Kauffrau, dann viele Jahre freie Journalistin, drei Jahre lang Bloggerin, jetzt arbeite ich als Digital Producer in Zürich. Für eine große Supermarkt-Kette erstelle ich wöchentlich einen Newsletter zum Thema Gesundheit. Ich korrigiere wie beim Lehrerberuf die Texte, suche Fotos aus, baue die Vorlage im System. 

Ich bin sehr froh darüber, dass die Mauer gefallen ist und letztlich ich ein so freies Leben führen kann. Ich konnte nach dem Abi in den Westen gehen, um dort BWL zu studieren, habe fünf Jahre im Ruhrgebiet gelebt. Nach Jahren in Großenhain und dem Ende einer Beziehung hab ich mich neu orientiert und bin Ende 2015 in die Schweiz gegangen. 

Hier habe ich verschiedene Jobs gehabt: Das erste Jahr jobbte ich noch in der Gastronomie. Das hat mir auch gefallen. Dann bin ich ins Marketing gewechselt. Bis diesen Sommer hatte ich eine berufliche Auszeit in Italien/Toskana. Meinen Freund, einen Sizilianer, lernte ich dort kennen.

Jakob Görlitz

©  Anne Hübschmann

Im Oktober begann mein erstes Semester für das gymnasiale Lehramt für die Fächer Mathematik und Geschichte. Den Traum für die Aufnahme eines Lehramtsstudiums hatte ich vor mehr als zwei Jahren, da ich mir schon damals sicher war, dass mich der Beruf in allen Facetten erfüllen wird. 

Außerdem sammelte ich praktische Erfahrung in Kinderfreizeiten als Betreuer sowie als Trainer für die Nachwuchsmannschaften des Großenhainer Tischtennisvereins. Ins Ausland zu gehen kam für mich nicht in Betracht, da mich ein Aufenthalt nur bei einem möglichst frühen Studienbeginn aufgehalten hätte. 

Wenn ich auf die Zeit vor dem Mauerfall zurückblicke, denke ich mir, dass das Leben in der DDR und heute nicht leicht zu vergleichen ist. Ich stelle mir nur ungern vor, in der DDR gelebt und gelenkt studiert zu haben. Ich bin der Ansicht, dass jeder die Freiheit haben sollte, sich nach seinen Stärken, Fähigkeiten und Interessen den Studienplatz auszusuchen. Damit kann jeder seinen Berufsweg selbst wählen, was natürlich ein hohes Maß an Eigenverantwortung erfordert.   

Charlotte Hallwaß

© privat

Ich habe im Oktober mein Studium an der Technischen Universität Dresden begonnen. Dort werde ich Lehramt für Oberschule für die Fächer Mathematik und WTH ( Wirtschaft-Technik-Haushalt) studieren. Die Wahl meines Studienfaches ist mir nicht sonderlich leicht gefallen, weil es erstens sehr viel Auswahlmöglichkeiten gibt. Es gibt Studienfächer, von denen ich vorher noch nie etwas gehört habe. 

Außerdem wusste ich auch noch nicht so wirklich, was ich später einmal machen möchte. Letztendlich habe ich mich für verschiedene Studienfächer beworben, da ich mich anfangs noch nicht entscheiden konnte. Ein Jahr ins Ausland zu gehen wäre an sich eine schöne Option, um seine Sprachkenntnisse zu verbessern. Für mich wäre es jedoch nichts, da ich ein sehr heimatverbundener Mensch bin.

Deswegen war ein Auslandsaufenthalt für mich nie wirklich eine Option. Da ich auch lieber sofort mit einem Studium beginnen wollte und außerdem auch nicht so wirklich wusste, wohin ich gehen sollte. Ich könnte mir nicht vorstellen, in einem System wie in der DDR aufzuwachsen, weil das damals doch eine ganz andere Zeit gewesen ist. Obwohl die Studienwahl sicher leichter war als heute, denn es gab wahrscheinlich noch nicht so viele Möglichkeiten. 

Ich denke, es ist nicht schlecht, wenn man einen Studienplatz sicher hat, weil man sich dann keine Sorgen um seine Zukunft machen muss. Jedoch finde ich es nicht so gut, dass man einfach dorthin geschickt wurde, wo sie einen brauchten. Klar gibt es auch heute noch Berufe, bei denen man keinen Einfluss auf den Arbeitsort hat. Aber ich persönlich finde, jeder sollte selbst entscheiden können, wo er leben möchte.     

Jannes Nitzsche

© privat

Ich begann am 1. Oktober mit meinem dualen Studium in Informationstechnik an der Berufsakademie Dresden. Das Studium in einer technisch orientierten Richtung stand für mich fest, da war ich mir ziemlich sicher. Deshalb wollte ich auch kein Auslandsjahr oder so was machen, da ich schnellstmöglich mein Studium abschließen möchte. 

Wenn ich höre, wie die Ausbildung in der DDR vorgegeben wurde, dann finde ich das eindeutig schlechter als jetzt. In der heutigen Zeit kann man selbst bestimmen, in welche Richtung man gehen möchte, und kann sich demnach auch viel individueller entwickeln.