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Das überraschende Karriereende des Robert Koch

Dorfi ist er gewesen, dann Aufstiegsheld bei Dynamo, Kapitän, Verräter. Doch er würde alles noch mal so machen.

Von Tino Meyer
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Im Dresdner Jägerpark hat die Profi-Karriere von Robert Koch de facto begonnen. Jetzt blickt der 32-Jährige zurück.
Im Dresdner Jägerpark hat die Profi-Karriere von Robert Koch de facto begonnen. Jetzt blickt der 32-Jährige zurück. © Robert Michael

Mit etwas Abstand ist alles nicht mehr so groß, nicht mehr so schlimm. Dinge relativieren sich, Prioritäten verschwimmen. Was kommen wird, ist wichtiger als das Allermeiste von dem, was war. Die Erinnerungen an eine „echt krasse Zeit“ aber bleiben für immer, da ist sich Robert Koch, Dynamos Aufstiegsheld von 2011, sicher.

Vor einer Woche hat er seine Karriere mehr oder weniger überraschend beendet, und das im Alter von 32 Jahren. Da startet mancher noch einmal richtig durch. „Ich dachte ja auch, ich mache noch drei Jahre“, sagt der Spätstarter, dessen Profi-Laufbahn erst als 23-Jähriger mit dem Wechsel vom Stadtnachbarn SC Borea zu Dynamo richtig begonnen hatte.

Doch der Körper will nicht mehr. Rücken, Knie – irgendwas ist zuletzt immer gewesen und deshalb ein sauberer Schnitt, wie Koch sagt, jetzt aus seiner Sicht das Beste. „Ich habe mein letztes Spiel im Oktober gemacht, die Schmerzen wurden immer schlimmer. Und dann fragst du dich, ob das alles noch Sinn macht für ein paar Teilzeiteinsätze in der Regionalliga“, meint der offensive Mittelfeldspieler, der im Sommer noch mal beim FC Oberlausitz in Neugersdorf einen Vertrag unterschrieb.

Die Rückkehr zu seinem Jugendverein stand ohnehin längst fest, auch seine sich nun anschließende Aufgabe im Marketing des Viertligisten. Nur hätte Koch eben gern den endgültigen Schritt des Karriere-Endes noch etwas hinausgezögert. Wobei: Wirklich Schluss, das betont er, wird nie sein. Die ersten unterklassigen Vereine aus der Region hätten schon angefragt, ob er nicht noch hobbymäßig ein bisschen gegen den Ball treten will – mit zweimal Training pro Woche und Bierchen danach.

Aufstiegshelden dürfen alles, auch im Flieger. Robert Koch am 25. Mai 2011 nach der Ankunft aus Osnabrück, wo Dynamo den Aufstieg in die zweite Liga perfekt machte.
Aufstiegshelden dürfen alles, auch im Flieger. Robert Koch am 25. Mai 2011 nach der Ankunft aus Osnabrück, wo Dynamo den Aufstieg in die zweite Liga perfekt machte. © Robert Michael

So wird das ganz bestimmt werden, meint Koch. Zu fußballverrückt ist er, und seine zwei Söhne, demnächst fünf und drei Jahre alt, tun es ihm gleich. Der Große habe sogar schon die Logos aller deutschen Erst-, Zweit- und Drittliga-Klubs drauf. Und im Verein spielen mag er jetzt auch. „Soll er, ich will ihm nichts verbieten“, betont Koch. Er hätte allerdings nichts dagegen, wenn die Söhne später beruflich etwas anderes machen. Denn der Fußball, und das sagt Koch auch immer wieder seiner Frau Doreen, sei ein Sch...geschäft.

Dabei weiß sie das natürlich selbst, hat schließlich genau mitbekommen, was ihrem Mann in dessen vergleichsweise kurzer, dafür umso intensiverer Profizeit alles widerfahren ist.

Reichlich turbulent verliefen bereits die ersten Vertragsgespräche mit Dynamo, damals im Frühjahr 2009. Aus den anfangs versprochenen 2 500 Euro samt Platz im Profikader wurden 1 500, dann 1 000 inklusive der Zusicherung, die Vorbereitung mit den Profis bestreiten zu können. Am Ende waren es 600 Euro brutto und der Stammplatz in der zweiten Mannschaft, die in der Oberliga spielte. Trotzdem hat sich Koch dafür entschieden – für die Profi-Karriere und gegen das Angebot von Regionalligist Budissa Bautzen, der ihm zudem eine Ausbildungsstelle zusicherte. „Wir machen das jetzt bei Dynamo“, hat er sich mit Kumpel Christoph Klippel gesagt.

Das Debüt bei den Profis ließ nicht lange auf sich warten. Im September 2009 wurde Koch eingewechselt – im Dortmunder 80 000-Zuschauer-Stadion vor gut 3 000 Fans, die Dynamos 0:1-Niederlage bei der zweiten Mannschaft des Bundesligisten sehen wollten. Es war der Beginn eines rasanten Aufstiegs, der immer weiter ging für den Dorfi. So haben sie ihn damals in der Kabine genannt, weil er auf dem Bauernhof seines Bruders gewohnt und beim Ausmisten der Schweine mitgeholfen hat: erstes Tor im März 2010, danach sofort erster Startelf-Einsatz und gleich wieder der Siegtreffer („damit war ich drin“), in der Saison 2010/11 schließlich Stammspieler verbunden mit der Krönung, dem Aufstieg in die 2. Bundesliga.

Plötzlich läuft alles gegen ihn

Koch traf sowohl im Relegationshinspiel als auch im Rückspiel am 24. Mai 2011 in Osnabrück und wurde zum Aufstiegshelden schlechthin. „Das emotionalste Erlebnis meiner Karriere, ohne Wenn und Aber“, erzählt er.

Und es lief weiter perfekt, auch in der zweiten Liga. Koch erzielte regelmäßig Tore, darunter zwei beim sensationellen 4:3-Erfolg im Pokal gegen Leverkusen. Dynamo schaffte locker den Klassenerhalt und Koch stieg zum Kapitän auf. Er hatte Angebote inklusive Ablösesumme von den Erstligisten Düsseldorf und Frankfurt, seinem Lieblingsverein. Dynamo lehnte ab.

Was danach genau passierte, kann Koch nicht sagen. Nur lief nun vieles in die andere Richtung, gegen ihn. Verletzungen häuften sich, und von jetzt auf gleich degradierte ihn der damalige Trainer Peter Pacult im Frühjahr 2013 vom Kapitän zum Reservisten. Dynamo erreichte über die Relegation den Klassenerhalt, Pacult blieb – und Koch also weiter außen vor. Ligarivale Paderborn wollte ihn verpflichten. Weil Pacult dann doch entlassen wurde, durfte Koch wieder nicht weg – und erlebte die bitterste Stunde mit dem Zweitliga-Abstieg im Mai 2014.

Dass er Dynamo daraufhin verließ und zum Bundesliga-Absteiger Nürnberg wechselte, nahmen ihm manche Fans übel, haben ihn als Verräter bezeichnet, doch Koch hält dagegen: „Ich war damals 28 Jahre alt. Das war meine letzte Chance, doch noch mal den Sprung in die Bundesliga zu schaffen. Außerdem hat Dynamo die Ablöse dringend gebraucht.“

Mit seinem Tor besiegelte Koch den Aufstieg in der Relegation gegen Osnabrück.
Mit seinem Tor besiegelte Koch den Aufstieg in der Relegation gegen Osnabrück. © Dehli-News

Sportlich glücklich wurde Koch bei den Franken jedoch nicht – sondern nach einer durchschnittlichen ersten Saison abgeschoben in die zweite Mannschaft. „Ich habe in den fünf Jahren bei Dynamo einiges erlebt, aber die zwei Jahre Nürnberg haben das alles noch mal getoppt“, sagt er. Nach einem Zwischenschritt in Neugersdorf folgte der Neustart beim Drittligisten Zwickau, dazu immer wieder kleine und größere Verletzungen und nun also das Karriere-Ende als Profi, wieder in Neugersdorf.

Jeweils 100 Spiele in der zweiten, dritten und vierten Liga sind sein geheimer Plan gewesen, sagt Koch und stellt rückblickend fest: „Gar nicht so einfach.“ Geschafft hat er 100, 83 und 26. Was vor allem fehlt: wenigstens das eine Bundesligaspiel. Und trotzdem: Koch ist mit sich im Reinen, würde alles noch einmal so machen.

Was er zukünftig machen wird, ist offen. Manager, Trainer – alles ist denkbar, auch Lehrer. Für den Moment sei er so etwas wie freischaffender Künstler. „Ich habe viele Möglichkeiten und habe zum ersten Mal seit Jahren mal keinen genauen Plan. Ich lasse alles auf mich zukommen“, meint Koch. Auch Dynamo könnte in Zukunft sicher wieder Thema werden. Erst am Dienstag hat er sich auf einen Kaffee mit Sportchef Ralf Minge getroffen. An Kontakten mangelt es nicht. In London spielt mit Toni Leistner der eine Ex-Dynamo, nach Kalifornien hat ihn ein anderer eingeladen, Mit-Aufstiegsheld Florian Jungwirth.

Nur entscheidet nun seine Frau. „Ich hatte meine Zeit, jetzt hat ihre berufliche Entwicklung Vorrang“, sagt Koch. Er freut sich vielmehr auf spontane Verabredungen mit Freunden, die wöchentliche Skatrunde in Melaune bei Löbau, wo die junge Familie ein Haus gekauft hat, und auf Urlaube, die nicht vom Trainingsplan diktiert werden. Dinge, die in den vergangenen zehn Jahren nie möglich waren und die, mit etwas Abstand betrachtet, auch schön sind. So schön wie ein sehenswertes Tor, fast jedenfalls.

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