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Bäcker wollen nicht durcharbeiten

Sie dürfen sonntags länger Brot und Brötchen verkaufen. Unter bestimmten Voraussetzungen. Aber die Bäcker winken ab.

Von Susanne Sodan
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Heike Eichler, die Inhaberin der Bäckerei Melzer in Königshain, steht im Geschäft. Länger geöffnet wird auch hier künftig nicht.
Heike Eichler, die Inhaberin der Bäckerei Melzer in Königshain, steht im Geschäft. Länger geöffnet wird auch hier künftig nicht. ©  Nikolai Schmidt

Tisch und Stuhl sind da. Geschirr gibt es auch. Kuchen sowieso. Den könnte man also vor Ort essen, Tässchen Kaffee dazu. Damit könnte die Jesusbäckerei in Görlitz vermutlich als Bäckereicafé durchgehen.

Und damit wiederum könnte Inhaber Michael Tschirch am Sonntag länger Brötchen verkaufen: Das Sonntagsbrötchen hat es nach ganz oben geschafft, bis zum Bundesgerichtshof. Eine bayerische Bäckereikette wollte sonntags länger als die in Bayern erlaubten drei Stunden ihre Brötchen verkaufen. Die Wettbewerbszentrale klagte dagegen. Das Urteil: Bäckereien mit angeschlossenem Café, dürfen sonntags auch über die Ladenschlusszeiten hinaus Brötchen und Brote verkaufen. Nicht nur in Bayern, sondern bundesweit. „Wir belassen die Öffnungszeiten aber, wie sie sind“, sagt Michael Tschirch.

Er betreibt sechs Filialen. Drei davon sind sonntags geöffnet, alle von sieben bis elf Uhr. Die Filiale im Edeka in Kodersdorf ist direkt als Café mit sechs Tischen eingerichtet, die beim Penny-Markt an der Görlitzer Bahnhofstraße hat zwei Tische, in der Jesusbäckerei in der Altstadt steht seit Kurzem ein Tisch mit zwei Stühlen. Mit dem Streit und der Entscheidung zugunsten des späten Sonntagsbrötchens in Bäckereicafés hat das aber nichts zu tun. „Ich sehe es auch nicht als Bäckereicafé. Dazu gehört für mich doch eine andere Atmosphäre und eine Bedienung.“ Und die Öffnungszeiten an der Tür werden sich auch nicht ändern. „Um Sonntags länger zu öffnen, braucht man auch das Personal“, erklärt Michael Tschirch. Irgendwann aber müsse auch für Bäcker und Verkäufer mal Wochenende sein. „Ich glaube, meine Leute waren immer ganz dankbar, dass ich diesem Wahnsinn mit Feiertagsöffnung und Ähnlichem nicht gefolgt bin.“ In Sachsen dürfen Bäckereicafés – schon vor dem BGH-Urteil – sechs Stunden am Sonntag öffnen. Tschirch hat sich für vier Stunden in seinen drei Sonntags-Filialen entscheiden. „Wir wollen auch nicht missen, was wir haben“, sagt er. Laut dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks gehöre der Sonntag zu den umsatzstärksten Tagen. „Aber mehr ausreizen will ich es nicht.“

Das BGH-Urteil trifft auf unterschiedliche Meinungen: Bäckereien seien immer stärker der Konkurrenz von Supermärkten und Tankstellen ausgesetzt, so der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks. Um den Wettbewerb fairer zu gestalten, sollten für Bäckereien dieselben Regeln, Gesetze und Möglichkeiten beim Verkauf von Backwaren gelten. Das BGH-Urteil verspreche, in diese Richtung zu wirken. Michael Tschirch hätte es als sinnvoller empfunden, stattdessen die Regelungen für die Tankstellen, die Backwaren verkaufen, einzuschränken. „Das Urteil jetzt bedeutet eher: Immer mehr und länger, das ist unrealistisch. Das sehen meine Mitarbeiter nicht anders.“ Andere sehen in dem Urteil einen Wettbewerbsnachteil für kleine Betriebe, die in ihren Filialen keine Sitzgelegenheiten haben: Die Münchner Kette hatte sich auf die Gesetzgebung für Gaststättenbetriebe berufen, die nicht unter das Ladenschlussgesetz fallen und Speisen – Brötchen gehören laut BGH-Urteil dazu – auch zu anderen Zeiten verkaufen dürfen.

Auch wenn sonntags länger Brötchen verkauft werden dürfen: Der Umsatz würde letztlich nicht mehr werden, sondern sich verlagern, vermutet Gerd Eichler von der Melzer-Feinbäckerei in Königshain. „Die Kunden würden vielleicht am Sonntag mehr kaufen, aber dafür am Sonnabend weniger“, nimmt er an. Für den gleichen Umsatz aber müsse man mehr Arbeit und Personal einsetzen. Stattdessen soll es bei der Bäckerei Melzer bleiben, wie es ist: Sonntagnachmittag ist zwar das Café im Wintergarten offen, es gibt Torte und Kuchen. Und auch Brötchen – aber vom Vortag, „darauf weisen wir unsere Kunden auch hin“. Denn am Sonntag haben die Brotbäcker frei. „Wir werden uns nicht umstellen“, sagt Gerd Eichler, „sonst arbeiten wir sieben Tage die Woche durch.“

Und dann sei schnell Schluss, sagt Gottfried Paul. Er betreibt die gleichnamige Bäckerei in Herrnhut und ist Obermeister der hiesigen Bäckerinnung. Auch er sieht die Erweiterung des Verkaufs am Sonntag kritisch: „Wen will man denn finden, der auch sonntags arbeitet“, fragt er. Zumal auch er annimmt: Die Kunden würden am Ende nicht mehr Geld in den Bäckereien lassen. In Touristenregionen wie Oybin könnte man es vielleicht in Erwägung ziehen, wo die Bäcker durch mehr Zulauf an den Wochenenden etwas davon haben. „In der Großstadt könnte man darüber nachdenken“: Wo die Konkurrenz noch härter ist, allerdings auch mehr Menschen vor Ort sind, die sonntags einkaufen möchten. „Die Leute gewöhnen sich eben schnell daran, ohne zu bedenken, was für uns dahintersteht“, sagt Gottfried Paul. „Für mich persönlich ist der Sonntag heilig.“

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